Elfenzeit 8: Lyonesse. Uschi Zietsch
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Название: Elfenzeit 8: Lyonesse

Автор: Uschi Zietsch

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Elfenzeit

isbn: 9783946773320

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СКАЧАТЬ er, der antialkoholische besserwisserische Buchhalter, der sich für was Vornehmeres hielt und angenehmer riechen wolle, wo es auf der Straße doch immer gleich stank.

      Ab und zu wurde es eng, vor allem im Winter. Nicht nur, dass die guten Verstecke noch begrenzter waren und man auf der Hut sein musste, nicht von den Bullen aufgegriffen zu werden, man lief auch mehr Gefahr, den Jugendbanden in die Arme zu laufen. Wenn man Glück hatte, verlor man nur den Verdienst vom Tage. Viel öfter aber verlor man noch ein paar Zähne. Inzwischen gab es auch welche, die einen gar nicht ausrauben, sondern überhaupt nur zusammenschlagen wollten, dabei mit dem Handy filmten, um die Aufnahmen in den Social Medias zu verbreiten. Happy Slamming nannten sie das. Unter happy verstand Albert aber was anderes. Was das Slamming allerdings betraf, damit kannte er sich inzwischen recht gut aus.

      »Danke, vergelt’s Gott und fröhliche Weihnachten«, murmelte er höflich und kopfnickend, immer bemüht, dem Gebenden nicht in die Augen zu sehen. Der wäre dann peinlich berührt und würde das nie wieder tun. Als Penner hatte man genau zu wissen, wie man sich zu benehmen hatte, und musste sich bewusst sein, wo der eigene Stand war: flach auf dem Boden, unterhalb jeder nützlichen Kreatur.

      »Alles Gute«, sagte der Mann und gab ihm einen Schein, und Albert fielen fast die Augen aus dem Kopf. Sah er richtig, waren das wirklich fünfzig Euro?

      »V-verzeihung, aber Sie haben …«, stammelte er und hätte beinahe zu hoch geschaut. Er bremste gerade rechtzeitig vor der Augenhöhe und erkannte dabei, dass es ein gut gekleidetes Paar war, das Arm in Arm vor ihm stand. Von der Frau ging ein Duft aus, nach Sandelholz und Moschus und Rosen, der Albert fast den Verstand raubte.

      »Das ist in Ordnung«, unterbrach der Mann. Er hatte eine merkwürdige Ausstrahlung, die Albert ein wenig beunruhigte. »Gönnen Sie sich was.« Sie gingen weiter, und Albert wäre am liebsten jubelnd und mit dem Schein wedelnd die Fußgängerzone rauf und runter gerannt.

      Die Polizei kam schon wieder vorbei. »Alles in Ordnung?«, fragte die Gesetzeshüterin.

      Hatte er sich etwa töricht benommen und es nicht gemerkt? Kleiner Blackout? Still, still, er durfte nicht auffallen, sich nicht verraten …

      »Ja, danke«, antwortete Albert im gewohnt devoten, höflichen Tonfall und sah sie nicht an, hob den Blick nur halb. »Ich fühle mich sicher.«

      »Machen Sie bald Schluss«, riet der Kollege. »Wir dürfen Sie hier nicht sitzenlassen, das wissen Sie.«

      »Ich wollte sowieso gerade gehen«, versicherte Albert. »Es reicht heute sogar fürs Asyl.«

      »Schön. Gu… hmm … Abend.«

      Albert wartete, bis sie in der Menge verschwunden waren, dann stand er auf. Seit diese furchtbaren Morde geschehen waren, gab es mehr Kontrollen als früher, aber die Polizei war erstaunlich rücksichtsvoll. Sogar gesiezt hatten sie ihn. Als ob er ein Mensch wäre wie sie, was natürlich ein Trugschluss war. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass die Presse irgendwo lauerte und alles dokumentierte.

      Die meisten Obdachlosen hatten sich zum Hauptbahnhof zurückgezogen, wo heftige Kämpfe wegen des begrenzten Platzes stattfanden, aber dort fühlten sie sich trotzdem sicherer. Albert war geblieben.

      Wenn es denn sein sollte, dass ihm jemand ans Leder wollte, dann war es eben so, er sah das völlig fatalistisch. Er hatte sowieso nichts mehr zu erwarten. Tagein, tagaus dieses Leben, jahrein, jahraus … er war nur zu feige, Schluss zu machen. An einem verbliebenen Funken Hoffnung lag es nicht, denn es würde niemals wieder besser werden. Eher schlimmer, wenn sich das Alter mit Zipperlein und desgleichen bemerkbar machte. Wenn er nun also ermordet würde, wäre alles überstanden, und es gab wenigstens einen kurzen Nachruf in der Zeitung. Und seine Familie in Berlin würde es erfahren, vielleicht sogar in den Abendnachrichten, wenn es bei Albert besonders grausige Details gäbe. Zur Vorsicht hatte er immer seinen abgelaufenen Ausweis dabei, damit man wusste, dass er einst einen Namen, einen Wohnsitz und ein ordentliches Leben gehabt hatte.

      Das mit dem Asyl hatte er nur so gesagt, weil es die Polizisten gern hörten. Aber das stundenlange Anstehen hatte Albert satt, vor allem, wenn dann sowieso kein Platz mehr frei war. Er döste ja irgendwie den ganzen Tag vor sich hin, da machte es nichts, wenn es nachts unbequem war. Unter Schlafmangel litt er nicht, er tat ja nichts weiter und konnte jederzeit ein Nickerchen halten, wann immer ihm danach war.

      Das Essen war es, um das er immer panisch besorgt war. Als er auf der Straße angefangen hatte, hatte Albert so unter Hunger gelitten, dass er alles gelb gesehen und sich die Galle aus dem Leib gekotzt hatte. Das sollte ihm nie wieder passieren. Da half auch kein Alkohol, aber den hatte er sowieso noch nie vertragen. Und seit er die Galle los war, wurde ihm schon übel, wenn er nur daran dachte.

      »Ach, was soll’s«, murmelte Albert und steuerte einen Straßenimbiss an. Gönnte er sich heute eben schon früher etwas, und etwas Besonderes. Döner? Bratwurst? Pizza? Eins nach dem anderen? Albert kicherte in sich hinein. Nein, das ging nicht, würde nur auffallen. Und auch gar nicht in seinen geschrumpften Magen passen.

      Besser, das Geld nach und nach auszugeben, das würde für Tage reichen. Also holte er sich zwei Leberkäsesemmeln aus dem Sonderangebot, einen großen Kaffee und ein Wasser. Während die eine Hand sich um den knisternden Schein krümmte, zählte die andere die Münzen exakt ab. Und dann gab er noch zehn Cent obendrauf und lächelte heiter dazu.

      Die Leute schauten ihn ausnahmsweise einmal nicht komisch an, weil man bei der Dunkelheit, den dahintreibenden Schneeflocken und den dick eingepackten Figuren sowieso nicht mehr erkennen konnte, ob sich da ein Penner unter die Menge mischte. Albert trug außerdem einen Hut, der seine Haare und die Hälfte seines Gesichtes verbarg.

      »Hör mal, Alter …«, fing der Mann im Fenster an, der natürlich sehen konnte, wen er da vor sich hatte, aber er winkte ab.

      »Lass man gut sein, Junge, das ist doch lächerlich, was ich dir da geb, aber gönn mir die Freude, ja? Heut war’s ein guter Tag, und ich will davon was weitergeben.«

      »Na, dann.«

      Er nahm die Tüte in Empfang und machte sich seltsam beschwingt wieder auf den Weg. Heute war ihm noch gar nichts Schlechtes passiert, und trotzdem hatte er keine Angst, dass es dafür umso geballter kommen könnte. Denn es kam sogar besser. Als er die Tüte öffnete, entdeckte er einen kleinen Schokoriegel, den der Mann am Fenster extra eingepackt hatte, ohne etwas zu sagen oder zu berechnen. Und zwar, bevor Albert ihm die Münze gegeben hatte.

      Albert stiefelte über den Karlsplatz bis hinunter zum Alten Botanischen Garten, setzte sich dort im Dämmer auf eine Bank und schmauste voller Genuss. Der kleine Park selbst war unbeleuchtet, aber der Schein der Straßenlampen ringsum fiel herein, und der Schnee reflektierte das Licht zusätzlich.

      Ab und zu knackste es im Gehölz, aber Albert fürchtete sich nicht. Er wusste, dass hier Katzen nach Ratten jagten. Er hatte schon völlig Abgestürzte mit den Katzen um die fiepende und bissige Beute kämpfen gesehen.

      Selbst wenn man sich schon ganz unten angekommen glaubte, ging es trotzdem immer noch ein Stückchen tiefer hinab. Drogen und Alkohol. Aber so tief würde Albert niemals sinken. Das nicht!

      Mit dem Kaffee zusammen kaute Albert den Schokoriegel und kam sich vor wie im Himmel. Er konnte sich fast nichts Besseres wünschen. Nun den Rest der heutigen Einkünfte noch ins Versteck bringen und dann auf zur Suche nach einem Nachtlager. Es wäre zwar ein wenig früh, aber es war dunkel, und wenn es einen guten Platz gab, warum nicht? Er konnte sich ja ein wenig im U-Bahnhof herumtreiben, außerhalb des Sichtbereichs der Kameras. Da war es einigermaßen warm, das half die Nacht besser zu überstehen. Eventuell konnte СКАЧАТЬ