Название: Elfenzeit 8: Lyonesse
Автор: Uschi Zietsch
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Elfenzeit
isbn: 9783946773320
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Das Haupt des Königs war ihm auf die Brust gesunken, er schien zu schlafen. Der Getreue verließ das Zelt gerade in dem Moment, als ein Bote herbeistürmte und unter Missachtung sämtlicher Höflichkeitsgebote in das Zelt des Herrschers stürzte.
»Malek!«, schrie er. »Herr, o König, es ist unfassbar – wir haben Öl gefunden!«
Ein überraschter Ruf drang aus dem Zelt, gleichzeitig war im Nu das ganze Lager auf den Beinen. Diese Nachricht war besser als alle Oasen und Brunnen und selbst der Wasserspeicher in Al Jawf. Es war der Beginn einer neuen Ära, und das begriffen sofort alle aufgrund eines einzigen Zauberworts – Öl.
Der Getreue zuckte mit den Achseln. 1962, erinnerte er sich. Ungefähr zu der Zeit wurde Öl in Libyen gefunden. Nun gut, wenn sie das nächste Mal im Süden nach Öl bohrten, würden sie eben in den Kufrah-Oasen Wasser finden, und Ayoub wäre mit dabei. Diese Linie blieb gewahrt.
Während das gesamte Lager in Aufruhr war und zusammenlief, ging er zum großen Feuer, nahm kurzerhand den ganzen Spieß sowie den Kessel und kehrte mit beidem beladen zum Brunnen zurück, ohne dass jemand auf ihn achtete.
Er konnte den Brunnen schon sehen, nicht aber Kurus. Da er an Mantikore glaubte, war es schlecht möglich, dass Kurus für ihn unsichtbar geworden sein sollte. Also war er weg!
Da hörte er schon einen jämmerlichen Schrei. Der Getreue stellte das Essen ab und fluchte. Wenn er nur im Vollbesitz seiner Kräfte wäre! Niemand würde es dann wagen, ihm nicht zu gehorchen, egal wie hungrig er sein mochte.
Hastig sah er sich um, und da entdeckte er schon einen Sklavenjungen, der vor Angst kreischend durch die Wüste floh. Und ihm auf den Fersen, verspielt wie ein Kätzchen, der Mantikor.
»Kurus!«, schrie der Getreue und rannte los. Er hatte nur noch wenige Augenblicke. Mantikore waren auf der Jagd ähnlich wie Hauskatzen. Wenn sie einer Beute sicher waren, jagten sie sie zum Spaß ein bisschen länger durch die Gegend, das machte das Fleisch süßer und schmackhafter, bevor sie ihr Opfer dann töteten und fraßen.
Das Kind heulte laut und lief, so schnell es konnte, immer weiter vom Lager fort. Kurus brauchte nur die Pranke auszustrecken, so nahe war er bereits dran. Nur ein kurzer Wisch mit einer Kralle, und das Kind wäre aufgeschlitzt und nicht mehr zu retten.
Da es seine erste Jagd war, war Kurus nicht nur verspielt, sondern auch neugierig; seine Instinkte mussten erst richtig erwachen. Das hatte dem kleinen Jungen bisher das Leben bewahrt.
»Kurus!«, wiederholte der Getreue und rannte im Zickzack dem Mantikor nach, der in grotesken Sprüngen hinter dem Kind, das vermutlich auf zwei Happen in sein Maul passte, herhüpfte.
Mit einem letzten gewaltigen Satz sprang der Getreue den Mantikor an, als der zum tödlichen Schlag ansetzte, erwischte gerade noch rechtzeitig den Skorpionschwanz und zerrte mit aller Kraft daran.
Das Kind lief schreiend weiter und bekam zum Glück nichts von den Vorgängen hinter sich mit. Irgendwann würde es schon merken, dass ihm keine Gefahr mehr drohte, und auf direktem Wege ins Lager zurückrennen.
Kurus stieß einen überraschten Laut aus, als er plötzlich mitten im Lauf gestoppt – und dann herumgerissen wurde. Der Getreue schleuderte ihn um sich herum und warf ihn Richtung Brunnen, wo er ungefähr auf halbem Wege mit gewaltigem Getöse und einer Sandexplosion landete, den Kopf voran in einer kleinen Düne.
Doch er verharrte nicht lange, sein Zorn war geweckt. Brüllend, sämtliche Krallen ausgefahren, fuhr er herum, um den Getreuen in tausend Fetzen zu zerreißen. Der wich mühelos aus, griff in die Mähne des Mantikors und sprang ihm in den Nacken, außer Reichweite der Krallen und des gefährlichen Mundes. Dann packte er ein Löwenohr und verdrehte es.
Kurus, der so groß wie ein Pferd und so schwer wie ein Elefant war, knickte sofort jaulend ein. »Au, au, au, au!«, jammerte er.
»Das war gar nichts«, sagte der Getreue. »Pass auf, was ich jetzt mit deinem anderen Ohr mache.« Er ließ das geschundene Ohr los, nur um das zweite noch schlimmer zu malträtieren.
Der Mantikor warf sich winselnd zu Boden, wollte sich wälzen, doch dadurch wurde der Schmerz nur schrecklicher. »Bitte!«, wimmerte er. »Bitte, bitte, aufhören!«
»Warum hast du mir nicht gehorcht?«, fragte der Getreue streng und ließ das Ohr gerade so weit frei, dass Kurus Luft holen konnte, um zu antworten.
»Aber es war doch nur ein Mensch! Menschen sind nicht mehr als Futter, sie sind beschränkt und unterentwickelt, das hast du selbst mir gesagt!«
»Sagte ich nicht, wir sind in der Menschenwelt? Und dass alles zusammenbricht, wenn du auch nur einen von ihnen anrührst? Oder ein Tier?«
»Aber ich ha-ha-hab doch so Hunger!«, heulte Kurus verzweifelt. »Ich hab es nicht mehr ausgehalten, und da kam dieses süß duftende kleine Welpchen in meine Nähe, so zart und fleischig … wem hätte es schon gefehlt, da gibt es noch so viele …«
Der Getreue hatte genug. »Zurück zum Brunnen, los, und da wartest du! Ich komme sofort.« Er sprang ab und ging wutschnaubend zu dem Spieß und den Kessel, die er zuvor stehenlassen musste.
Der junge Mantikor gehorchte, seine Ohren sahen zerknittert aus, und er wagte nicht, sie zu bewegen, aus Angst vor den damit verbundenen Schmerzen. Auf dem Bauch robbte er zum Brunnen zurück und ließ seinen Herrn nicht aus dem Blick; ebenso wenig der Getreue ihn.
Dann leuchteten die orangefarbenen Augen auf, als seine Nase den Bratenduft empfing und er gleichzeitig die verlockende Nahrung sah, die für ihn bestimmt war.
»Du hast es gar nicht verdient!«, zischte der Getreue, während er es ihm hinwarf. Aber natürlich konnte er dem Mantikor das Essen nicht mehr vorenthalten, da der sonst aus verzweifeltem Hunger im Lager wüten würde. In diesem Zustand würde auch kein Ohrenverdrehen die Katastrophe verhindern.
Kurus stürzte sich auf das Essen und verschlang es in wenigen Bissen, wobei seine drei Zahnreihen nur so klickten. Danach lächelte er glücklich und mit rosigen Wangen. »Du bist ein guter Herr!«, sagte er zufrieden und rülpste. Der Gestank, der nach der ersten Mahlzeit seines Lebens aus dem Maul kam, war eines Mantikors würdig.
Dass ein Mantikor sich niemals einem Herrn unterwarf, würde Kurus gewiss lernen, aber der Getreue würde ihm diese Lektion sicher nicht beibringen.
7.
Hunger
Auf dem Heimweg war Anne außer sich. »Ich kann es einfach nicht glauben! Was ist nur los mit mir?«
»Wovon sprichst du?«, fragte Robert ratlos.
Sie blieb stehen und warf die Arme in die Luft. »Ich gebe nach! Ich tu, was du sagst! Ich … ich kenne mich selbst nicht mehr!« Er zuckte kurz zusammen, als ihre Hände sich in seinem Mantelrevers verkrallten. »Als ich dich zu meinem Gefährten gemacht habe, habe ich dir etwas gegeben!«, fuhr sie fort. »Ich habe dich zu meinesgleichen verändert, soweit es möglich war. Du bist nun gewissermaßen elfisch, so wie Nadja, und du bist auch ein wieder auferstandener Vampir. Aber …«
Er hob die Hand und strich eine dunkle Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Er stand ruhig, während sie zitternd an seinem Mantel zerrte. »Aber du fragst dich jetzt, was ich dir gegeben habe, und wie СКАЧАТЬ