Название: Flucht ins Glück
Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
isbn: 9781782137306
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Melinda lächelte.
„Und ob ich das kann“, sagte sie, gab Jenkins die Reisetasche, kletterte auf den Wagen und setzte sich neben ihn.
„Vielen Dank, Jim“, sagte sie so herzlich, daß der Farmer sie erstaunt ansah.
„Es geht mich zwar nichts an, Miss“, sagte er, „aber was denkt denn Sir Hector, wenn er das erfährt?“
„Ich hoffe, daß er es nie erfahren wird, Jim“, sagte Melinda. „Oh, Jim, ich kann es Ihnen nicht erklären, aber lassen Sie uns so schnell wie möglich nach Leminster fahren. Ich hätte nie gedacht, daß jemand schon so früh unterwegs ist.“
„Ich muß dort sein, wenn der Markt beginnt“, sagte Jim Jenkins. „Dann bekommt man die besten Preise.“
Melinda sah sich um. Auf dem Leiterwagen standen Holzkäfige mit Hühnern, Körbe voll Eier und große Klumpen Butter, die in feuchte Leinentücher gewickelt waren.
„Wie viel Uhr ist es denn?“ fragte Melinda. „Meinen Sie, daß in Oakle schon viele Leute auf sind?“
„Kaum“, sagte Jim Jenkins. „Das sind doch alles Faulenzer, die von Oakle.“
„Ich möchte nicht gesehen werden, Jim“, sagte Melinda. „Und ich möchte auch nicht, daß Sie meinetwegen Ärger bekommen.“
„Heißt das, daß Sir Hector nichts von Ihrem Ausflug nach Leminster weiß?“
Melinda zögerte einen Moment, dann sagte sie dem Farmer aber doch die Wahrheit.
„Nein, Jim“, antwortete sie. „Er weiß nichts davon.“
„Glauben Sie nicht, daß er wütend wird, wenn er es herauskriegt?“
„Doch“, sagte Melinda. „Aber ich möchte wenigstens vermeiden, daß Sie hineingezogen werden.“
„Von mir erfährt er nichts“, sagte Jim Jenkins. „Und wenn Sie mich fragen, Miss, dann gibt es in der ganzen Gegend niemand, der Sir Hector etwas erzählt, was ihn in Wut bringt.“
„Das glaube ich gern“, sagte Melinda. „Trotzdem ist es besser, wenn ich gar nicht erst gesehen werde.“
Als sie durch Oakle fuhren, hielt Melinda den Kopf gesenkt. Die paar Häuser lagen schnell hinter ihnen, und Melinda atmete erleichtert auf.
„Hab ich’s nicht gesagt?“ Jim Jenkins lachte. „Faulenzer sind das in Oakle.“
Es war noch nicht einmal fünf, als sie in Leminster ankamen. Jim Jenkins wollte Melinda am Bahnhof absetzen, aber sie lehnte dankend ab, denn der Bahnhof war ein ganzes Stück vom Markt entfernt, und Melinda fand außerdem, daß es wahrscheinlich weniger auffallen würde, wenn sie zu Fuß hinging.
„Vielen Dank, Jim“, sagte sie und reichte ihm die Hand. „Sie haben mir sehr geholfen. Ich hoffe nur, daß Sie nicht in Schwierigkeiten kommen.“
„Ach wo“, sagte Jim Jenkins. „Viel Glück.“
Er schüttelte ihr die Hand.
Als Melinda von ihm wegging, hatte sie das Gefühl, ihren letzten Freund zurückzulassen. Diese Farmer waren brave, zurückhaltende Menschen. Nicht eine Frage hatte er ihr gestellt, sondern die Situation einfach als gegeben hingenommen. Sie hatten wenig zusammen gesprochen, und so hatte Melinda Zeit gehabt, sich für das zu rüsten, was vor ihr lag.
Sie kam am Bahnhof an und erfuhr, daß der Nachtexpreß aus dem Norden um sechs Uhr in Leminster hielt. Sie ging zum Schalter und erkundigte sich nach dem Fahrpreis bis London. Der Unterschied zwischen der Ersten und der Zweiten Klasse war horrend. Sie zögerte kurz, überlegte sich aber dann, daß sie am falschen Platz sparte, wenn sie in einem der offenen Wagen fuhr. Sie besaß an Kleidung nur das, was sie auf dem Leib trug und konnte in London nicht wie eine Landstreicherin ankommen. Wenn sie Arbeit finden wollte, mußte sie sauber und gepflegt aussehen. Schweren Herzens gab sie daher vier von ihren Goldmünzen aus und bekam nur ein paar Shilling zurück.
Da sie noch fast eine Stunde Zeit hatte, ging sie zur Damentoilette und erfrischte sich erst einmal. Anschließend ging sie zu dem Bäckerladen, der ihr auf dem Weg aufgefallen war, und kaufte sich zwei frische Brötchen, die mit Zucker bestreut waren. Einen Penny pro Stück mußte sie zahlen. Melinda setzte sich damit in den Wartesaal und aß sie mit großem Appetit.
Und dann kam die Nervosität. Melinda hatte Angst, daß der Zug Verspätung haben könnte, daß jemand sie erkennen und von der Reise abhalten würde, daß man schlecht von ihr denken würde, weil sie allein war und sich das nicht gehörte für ein junges Mädchen aus gutem Haus.
Jedesmal, wenn die Tür aufschwang, sah Melinda erschreckt hoch, aber nichts passierte. Und als dann endlich der Zug langsam einfuhr, war plötzlich der ganze Bahnsteig voll von Menschen, die aus dem Boden gewachsen zu sein schienen. Kofferträger, Reisende, Bahnangestellte, Männer, Frauen und Kinder; es wimmelte von Menschen.
Als der Zug endlich zum Stehen kam, erfaßte alle eine fast hysterische Hast. Alles schrie durcheinander und rannte hin und her. Melinda wurde geschubst und gestoßen und schließlich half ihr jemand beim Einsteigen. Weitere fünf Reisende kletterten in das Abteil, und die Tür wurde zugeschlagen.
Melinda saß am Fenster. Ihr gegenüber hatte ein Herr Platz genommen, der in ein Cape aus dickem Tuch gewickelt war. Trotz des sommerlichen Wetters schien er Angst zu haben, erfrieren zu müssen. Seine Frau hatte einen Schleier stramm über das Gesicht gebunden und war ebenfalls in ein Cape gehüllt, das mit Ripsbändern eingefaßt war. Die anderen drei Reisenden waren Männer. Melinda hielt sie für Geschäftsleute, obwohl sie noch nie mit Menschen zusammengekommen war, die sich ihren Lebensunterhalt durch das Handeln von Waren verdienten. Als die Männer dann über Abschlüsse und Kunden sprachen, wußte Melinda, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Einer sagte sogar Geschäften müßten die Augen aus dem Kopf springen, wenn sie die Qualität sehen würden.
Als ein schriller Pfiff ertönte und der Zug sich langsam in Bewegung setzte, hielt Melinda die Luft an. Sie hatte es geschafft. Sie war ihrem grausamen Onkel entkommen. Der Zug, der schneller war als Sir Hectors Pferde, brachte sie nach London. Sie war gerettet und konnte Colonel Gillingham vergessen.
Vor Erleichterung hätte sie fast geweint, aber tapfer schluckte sie die Tränen hinunter. Sie war zu stolz, sich vor anderen Gefühle anmerken zu lassen. Es war ein seltsames Gefühl. Der Waggon schwankte hin und her, die Räder ratterten auf den Eisenschienen, Qualm zog am Fenster vorbei. All das war neu für Melinda und so ungewöhnlich, wie wahrscheinlich ihr Leben von jetzt an sein würde.
Melinda schloß die Augen und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie tun mußte, wenn sie in London ankam. Gegen ein Uhr mußte der Zug dort eintreffen. Damit hatte sie den ganzen Nachmittag Zeit, sich eine manierliche Unterkunft zu suchen und sich zur Agentur von Mrs. Brewer durchzufragen.
Melinda hätte den Namen nicht gekannt, hätte sie nicht für ihre Tante mehrere Briefe an die Dame geschrieben, die Stellen vermittelte. Lady Margaret hatte eine neue Haushälterin gesucht und sich deshalb an die Agentur gewandt. An die Adresse konnte Melinda sich unglücklicherweise nicht erinnern. Aber sie würde sie schon in Erfahrung bringen. Daß sie keine Zeugnisse vorzuweisen hatte, war unangenehm, aber Melinda war auch diesbezüglich zuversichtlich. Sie nahm sich vor, einfach zu СКАЧАТЬ