Flucht ins Glück. Barbara Cartland
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Название: Flucht ins Glück

Автор: Barbara Cartland

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland

isbn: 9781782137306

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СКАЧАТЬ Mama, wo seid ihr? Kommt doch bitte wieder zurück!“

      Als ob ihr die Eltern geantwortet hätten, wußte Melinda plötzlich, was sie tun mußte. Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. Nicht eine Sekunde lang stellte sie sich die Frage nach Recht oder Unrecht. Im Grunde hätte sie es schon längst tun und nicht erst warten sollen, bis sie dazu gezwungen war.

      Sie wischte sich die Tränen ab, stand auf, holte die kleine Reisetasche aus dem Schrank und fing an, zu packen. Sie wollte nur das Nötigste mitnehmen. Sie wußte, daß sie nicht kräftig genug war, viel mit sich herumzuschleppen.

      Sie zog sich schließlich an. Frische Unterwäsche, frische Unterröcke und ihr Sonntagskleid aus lavendelfarbenem Tuch mit weißem Kragen und weißen Manschetten. Sie besaß ein dazu passendes, einfaches Häubchen. Lady Margaret hatte es nicht gestattet, daß sie etwas trug, was auch nur etwas ausgeschmückt und verziert war. Den schon etwas abgetragenen Wollschal ihrer Mutter legte sie neben die Tasche. Sie wollte ihn im letzten Moment umschlingen.

      Sie mußte länger am Toilettentisch gesessen sein, als ihr bewußt gewesen war, denn die Standuhr in der Halle schlug zweimal. Melinda klappte ihre Handtasche auf. Nur ein paar Shilling besaß sie. Es waren die jämmerlichen Ersparnisse, die sie von dem mageren Taschengeld übrigbehalten hatte, das ihr Sir Hector für die Kollekte in der Kirche und sonstige Ausgaben genehmigt hatte.

      Sie entnahm der Schublade des Toilettentisches ein kleines lilafarbenes Samtschächtelchen und klappte es auf. Es enthielt die zierliche Brillantnadel, die sie als Einziges hatte behalten dürfen, als das Haus und die persönlichen Dinge ihrer Eltern unter den Hammer des Versteigerers gekommen waren.

      Sie hatte die Nadel auch nur deshalb behalten dürfen, weil sie ihr bereits gehörte. Sie hatte sie zum Andenken an ihre Großmutter nach deren Tod bekommen. Es war ein bescheidenes Schmuckstück, aber die Steine waren so geschliffen, daß sie glitzerten und funkelten, und Melinda wußte, daß die Nadel einen gewissen Wert hatte.

      Mit dem Etui in der Hand schlich sie sich aus dem Zimmer und über den Gang. Im Haus war alles still. Bloß das Ticken der Standuhr war zu hören.

      Vorsichtig öffnete Melinda die Tür zum Boudoir ihrer Tante. Drinnen war alles dunkel, aber das junge Mädchen kannte seinen Weg. Wie ein Geist huschte Melinda über die dicken Teppiche und schob den Vorhang ein wenig zur Seite, um das Mondlicht hereinzulassen. Melinda klappte den Sekretär auf. Sie wußte nur zu gut, wo das Haushaltsgeld aufbewahrt wurde, denn Woche für Woche hatte sie Lady Margaret bei der Abrechnung helfen müssen.

      Melinda fand ganze zehn Goldmünzen. Sie nahm sie und legte dafür die Brillantnadel ihrer Großmutter in den Sekretär. Daß ihr Onkel sie eine Diebin schimpfen würde, war ihr klar, aber sie war überzeugt davon, daß die Nadel mehr Geld einbrachte als zehn Goldmünzen - falls Lady Margaret sie verkaufte.

      Melinda schlich in ihr Zimmer zurück. Ihr Rücken schmerzte, aber sie durfte jetzt nicht daran denken. Wenn sie fliehen wollte, dann mußte es gleich geschehen.

      Sie steckte das Geld in ihre Tasche, sah sich noch einmal in dem Zimmer um und blies die Kerzen aus.

      „Papa, Mama“, flüsterte sie in die Dunkelheit hinein. „Helft mir. Ich habe Angst, fortzugehen, aber noch viel mehr Angst hätte ich, wenn ich bleiben würde. Helft mir. Es ist mein einziger Ausweg.“

      Und dann ging Melinda ganz ruhig über die Dienstbotentreppe hinunter und verließ durch den rückwärtigen Ausgang das Haus.

      2

      Vom blassen, milchigen Schein des Mondes begleitet, huschte Melinda über die Wageneinfahrt zu dem schmiedeeisernen Tor. Es war geschlossen, aber der kleine Durchgang daneben war zum Glück nicht verschlossen. Auf Zehenspitzen ging Melinda durch. Das Häuschen des Torwächters war unmittelbar daneben, aber er hörte nichts.

      Mit schnellen, entschlossenen Schritten machte sich Melinda auf den Weg. Die Landstraße war staubig und kurvenreich. Schon bald gelang es Melinda nicht mehr, die Schmerzen zu ignorieren. Die Reisetasche, in die sie wirklich nur das Allernötigste gepackt hatte, schien schwerer und schwerer zu werden.

      Ihr Schritt wurde langsamer, und bald sagte ihr ein schwaches Glühen am Horizont, daß der Tag anbrach. Voll Angst mußte Melinda feststellen, daß das Haus ihres Onkels noch nicht sehr weit hinter ihr lag. Wenn jemand bemerkte, daß sie nicht in ihrem Zimmer war, würde man sie im Handumdrehen wieder eingefangen haben.

      Sie wußte nur zu gut, was passieren würde, wenn man sie zurückbrachte. Sir Hector würde sie auspeitschen und zur Heirat zwingen. Allein bei dem Gedanken, die Frau des ihr so verhaßten Colonel Gillingham werden zu müssen, lief ein Schaudern über ihren ganzen Körper.

      Melinda hastete weiter. Die dünnen gelben Finger der Morgensonne wischten die letzten Spuren der Nacht weg. Keine Menschenseele auf der Landstraße. Bald mußten in der Ferne die ersten Häuser des kleinen Dorfes auftauchen, in dem sie ein Gefährt zu finden hoffte, das sie nach Leminster bringen würde.

      Leminster war fünf Meilen entfernt und von dort aus konnte sie den Zug nehmen und nach London fahren. Ihr Plan stand fest. Es gingen auch Postkutschen nach London, aber sie waren langsamer und von einem Reiter leicht einzuholen.

      Melinda war überzeugt davon, daß ihr Onkel annehmen würde, daß sie es nicht wagte, den Zug zu nehmen. Er war nämlich gegen alles, was modern war. Er vertrat die bornierte Meinung, daß ein Gentleman mit seiner Familie in eigener Kutsche zu reisen habe, mit eigenem Kutscher natürlich.

      Als in Leminster jedoch der Bahnhof eingeweiht worden war, hatte ihn die Neugierde doch hingetrieben, und er hatte als Lord Lieutenant der Grafschaft eine Rede gehalten. Nachdem Lady Margaret mehrmals betont hatte, daß es eine große Ausnahme sei, war Melinda mitgenommen worden.

      Sie und Charlotte hatten die Wagen mit den weichen Sitzen und den Glasfenstern bestaunt, sich aber auch die offenen mit den Holzbänken angesehen, in denen die armen Leute reisten.

      Melindas Problem war es vorerst, wie sie überhaupt nach Leminster kommen würde. Sie bedauerte es fast, nicht doch auf Flash geflohen zu sein. Aber sie hatte gewußt, daß die Stallburschen es ihrem Onkel sagen würden, wenn sie nach ein paar Stunden nicht zurück war. Außerdem hätten sie es merkwürdig gefunden, wenn Melinda allein losgeritten wäre, denn Sir Hector bestand darauf, daß die Mädchen immer von einem Stallburschen begleitet wurden.

      Inzwischen hatte Melinda Angst, daß sie es nicht einmal bis zu dem kleinen Dorf schaffen würde. Sie war so schwach, daß sie sich einen Moment auf einen Meilenstein setzen und ausruhen mußte. Ihre Schuhe und ihr Rocksaum waren bereits voll Staub. Wie würde sie erst aussehen, wenn sie endlich in London ankam?

      Sie wischte sich gerade die Stirn mit dem weißen Spitzentaschentuch ab, in das sie ihre Initialen gestickt hatte, als sie das Schlagen von Pferdehufen hörte. Sie erschrak schier zu Tode. Kurz darauf jedoch sah sie den Leiterwagen näher kommen und wußte, daß sie keine Angst zu haben brauchte. Auf dem Wagen saß der Farmer Jenkins, einer der vielen Pächter ihres Onkels. Sie kannte den jungen Mann mit den feuerroten Haaren von ihren Ausritten.

      Melinda hob den Arm hoch, und der Farmer brachte den schweren Ackergaul neben ihr zum Stehen.

      „Guten Morgen, Miss Melinda“, sagte er freundlich. „Sie sind aber schon früh unterwegs.“

      „Guten Morgen, Jim“, sagte Melinda. „Wohin des Wegs?“

      „Es ist Dienstag, Miss, da fahre ich immer auf den Markt nach Leminster.“

      Melinda СКАЧАТЬ