Die Heimat. Paul Keller
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Название: Die Heimat

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788711517345

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СКАЧАТЬ riss den Hut vom Kopfe, winkte und schrie: „Vater, Vater, Vater!“

      Der Mann unten blieb stehen, blinzelte durch das Herbstlicht herauf und winkte ein wenig mit der Hand. Dann gab er ein Zeichen weiterzufahren und setzte seinen Pirschgang fort.

      Knarrend fuhr der Wagen die Strasse weiter. Der Knabe sass ganz still. Ein Kartoffelfeld tauchte auf. Eine Anzahl arbeitender Menschen war da beschäftigt und wühlte geschäftig in der schwarzen Erde nach den weissen, duftenden Knollen. August Reichel, der Schaffer, überwachte das Ganze wie ein schweigender König. Aber allen nahm er die schweren gefüllten Körbe ab und schüttete deren Inhalt auf einen riesigen Wagen.

      Da trennte sich ein junger Bursche vom Arbeitstross, rannte ein Stückchen, fiel über einen Kartoffelsack, stand wieder auf, stolperte noch einmal über eine Furche, riss dann die Mütze vom Kopfe, schlug in einem ganz närrischen Tempo Räder damit in der Luft, sprang über den Strassengraben, trat an den Wagen und sagte keuchend:

      „Na, Heinrich, das is aber fein, dass de kommst!“

      „Guten Tag, Hannes! Du hast ja so kalte Hände.“

      „Na, klaub mal Kartoffeln, wenn der Boden so kalt is! Du kannst froh sein, dass de immer Quartaner sein und in der Stube sitzen kannst.“

      „Hannes, du musst mitkommen!“

      Heinrich rief hinüber nach dem Felde: „He – Reichel! – Schaffer! – Darf der Hannes mit mir fahren?“

      Der Riese verfiel in Nachdenken, schüttelte erst heftig den Kopf, dachte aber weiter nach, zuckte dann unschlüssig die Achseln, machte noch eine bedenkliche Pause, nickte kurz darauf und wandte sich ab.

      „Das wusst’ ich schon“, sagte Hannes und kletterte auf den Wagen. „Ich sag dir, a hätte sich geärgert, wenn ich nicht mitgefahren wär’, und ich och. Los, Friedrich! Nu komm’n wir vom Gymnasium! Haste vielleicht Zigaretten, Heinrich? Hier sieht’s keen Mensch!“

      Auch der einsame Jäger ging heim. Er hatte kein Glück. Seine Jagdtasche blieb leer.

      Glück! Raschdorf lachte. Er und Glück haben! Das gab’s lange nicht mehr für ihn.

      Müde lehnte er sich auf sein Gewehr und sah düsteren Blickes über die kahlen, toten Felder und nach den Wolken, die schwer über die bunten Berge herabsanken. So trübselig hüllten sie die schimmernde Herrlichkeit ein, wie man dunkle Decken und Schleier zieht über goldene Wände zur Zeit der Trauer. Nach Minuten erst merkte der Einsame, dass er in Gefahr sei; denn die Hähne des Gewehrs, gegen dessen Lauf er sich lehnte, waren gespannt.

      Ein herbes Zucken ging über das Gesicht des Mannes, dann riss er das Gewehr herauf und feuerte beide Schüsse in die Luft. Er schloss die Augen bei dem Knall, dann ging er weiter.

      Und wie so häufig in letzter Zeit, ging er zum Schräger. Er traf den Wirt allein, denn es war noch am zeitigen Nachmittag.

      „Nu, kommste mit a Zinsen, Hermann?“ fragte Schräger freundlich.

      „Haste es so eilig mit a Zinsen? Ich dächte, du brauchst’s nich so nötig.“

      „Nu je, sein Geld braucht jeder; jeder, Hermann! Ich och!“

      Raschdorf setzte sich schwerfällig hinter einen Tisch.

      „Schneid mir’s aus der Haut! Ich hab’s nich! Hexen kann’s keiner!“

      Der Wirt wandte ihm verdriesslich den Rücken und sah mürrisch zum Fenster hinaus. Draussen rumpelte eine Rübenfuhre langsam vorbei. Dann wurde es still. Keiner der Männer sprach.

      Da öffnete sich die Tür, und ein etwa siebzehnjähriger Junge trat herein, ein starker Bursche von auffallend idiotischem Gesichtsausdruck. Das war der einzige Sohn Schrägers.

      „Hu, hu“, sagte er und rieb sich die Hände. „Is aber kalt heute! Mag ich nich auf dem Felde sein – mag ich nich – mag ich gar nich a bissel. – Schön tumm! – Schön tumm! – Schön tumm!“

      „Du sollst machen, dass du wieder ’rauskommst, du Faulpelz!“ sagte Schräger.

      Aber der Sohn lachte ihn aus.

      „Selber Faulpelz! Och, es is kalt draussen. Und hier is warm! Hier is viel schöner! Schön tumm! Schön tumm!“ Er fing an zu pfeifen und hüpfte auf einem Bein die Stube entlang, wobei er sich immer abwechselnd Ohren und Nase rieb. Dann setzte er sich hinter einen Tisch und dröselte stumpf vor sich hin. Schräger beobachtete ihn nicht mehr. Er wandte sich wieder an Raschdorf.

      „Sieh mal, Hermann, Ordnung muss nu mal sein. In Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf. Das is nu mal so! Zum Wegschenken hat keiner was.“

      Raschdorf fuhr auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Wegschenken? Wer spricht denn von Wegschenken? Mir braucht keiner was zu schenken, und du zu allerletzt. Das hab’ ich noch nicht nötig!“

      Schräger zuckte die Achseln.

      „Immer gleich beleidigt! Immer der grosse Herr, der sich nischt sagen lässt. Siehste, Hermann, das is dein Fehler. Du hast dir’s nach und nach mit allen Bauern verdorben. Wenn du mehr Freunde hättest –“

      „Ach halt’s Maul, lass mich in Frieden mit den Schafköppen!“

      „Ihihihi – Schafköppen, Schafköppen, Schafköppen!“ lachte der Idiot.

      „Du sollst machen, dass du ’rauskommst, Gustav!“

      Der Junge rührte sich nicht vom Platze.

      „Ne“, grinste er. „Es is kalt! Schön tumm!“

      Raschdorf nahm wieder das Wort.

      „Würde mir einer von den’n helfen? Was? Keiner! Sie würden sich hüten. Sie borgen mir nicht einen Taler.“

      „Das macht bloss der Schräger“, sagte der Wirt bitter.

      „Der is der Schafkopp.“

      Da wurde das Gesicht des Buchenbauern dunkelrot, und er fuhr jähzornig auf:

      „Du – Schräger – ich – ich – geb dir ’ne Backpfeife!“

      „Gib ihm eine, gib ihm eine!“ schrie der Idiot mit Begeisterung.

      Der dicke Leib des Wirtes zappelte vor Erregung.

      „So? – Soso? Backpfeifen – Backpfeifen bietet mir der gnädige Herr an? So? Backpfeifen für alles, was ich ihm schon zu Gefallen getan hab’? Is gutt, Herr Raschdorf! Wenn ich bis morgen meine Zinsen hab’ und zum nächsten Quartal meine zwanzigtausend Mark, da – da kann der gnädige Herr backpfeifen, wen a will.“

      Es wurde still. Nur eine Zeitung knisterte, die der Idiot mit den Händen bearbeitete. Schräger trat wieder ans Fenster und sah hinaus. Langsam erhob sich Raschdorf und griff nach seinem Gewehr. Und so trat er neben den Wirt.

      „Julius“, sagte er langsam und schwer, „ich werd’ versuchen, dass du zu deinem Gelde kommst. Was ich heute rede, weiss ich nich. Mir summt alles im Koppe, und manchmal – da – da wird mir ganz trübe. Siehst du, vorhin, draussen auf ’m Felde, da hab’ ich СКАЧАТЬ