Die Heimat. Paul Keller
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Название: Die Heimat

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517345

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СКАЧАТЬ geschmückt über einer Grube stand, er sah sein schönes Kind, die Magdalena, und er sah seinen einzigen Sohn, der wie ein Geistlicher angezogen unten stand und vernehmlich sagte:

      „Vita brevis! Vita difficilis!“

      „Das Leben ist kurz! Das Leben ist schwer!“

      Das Wort traf den Mann ins Herz. Er ging zurück zum Bette der Frau und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. –

      Drüben im Buchenkretscham durchmass der Wirt die einsame Gaststube. Er war wohl in schwerer Erregung. An allen Tischen blieb er stehen und trommelte mit den dicken, kurzen Fingern darauf. Immer lockte es ihn ans Fenster, und er hatte doch nicht den Mut, ganz nahe hinzutreten. Die Augen aber richteten sich immer aufs neue nach dem Buchenhofe. So vertieft war er in seine Gedanken und in das Anschauen des stattlichen Gehöftes, dass er nicht einmal bemerkte, wie sich die Tür öffnete und ein Mann erschien, der ihn sekundenlang beobachtete.

      „Eine wunderschöne Besitzung, der Buchenhof, was, Schräger?“

      „Ah – ah – ja – ja – natürlich – natürlich; ach, du bist’s, Berger, du hast mich ja ...“

      „So, erschreckt, gelt ja? Hähä! Is kaum zu glauben, dass ’n Gastwirt erschrickt, wenn a Gast kommt.“

      „Ich – ich dachte gerade nur ...“

      „Du dachtest gerade nur darüber nach, was doch der Buchenhof für ’ne riesig hübsche Wirtschaft wär’, und da kam ich dummerweise und störte dich in deiner Andacht.“

      „Bist doch halt a gespassiger Mensch, Berger. Immer weisste ’n Witz. Was kann ich dir denn einschenken?“

      „Gar nischt! Ich will dich bloss was fragen, Schräger. – – Weiss er’s schon?“ und er zeigte mit dem Daumen nach dem Buchenhofe.

      „Was – was soll er denn wissen?“

      „Von der Pleite und den fünfzehn Prozent!“

      „Berger, woher weisst denn du das schon wieder? Das is ja gar nicht möglich!“

      Der andere lachte.

      „Ja, weisste, wenn man Lumpenmann is wie ich und so mit einer Kurier-Hunde-Post im ganzen Lande ’rumfuhrwerkt, da hört man vieles. Was a richtiger Lumpenmann is, der weiss alles.“

      Der Wirt sah Berger mit unruhig flackernden Augen an.

      „Na, meinetwegen! A weiss schon. A hat halt Pech!

      Mich geht’s ja nischt an, Berger. Was?“

      „Nu je! O ja! Doch, doch!“

      Der Lumpenmann lachte bei dieser Rede. Schräger fuhr auf.

      „Mich soll’s angehen? Mich? Was denn? Was denn zum Beispiel? Möcht’ ich wissen. Was denn, Berger?“

      Der lehnte sich gegen das Schanksims, kniff seine Äuglein ein wenig zusammen und sagte ganz ruhig: „Ich werd’ dir mal was sagen, Schräger. Siehste, es könnte einer auf den Gedanken kommen, es wär’ eigentlich ganz hübsch, wenn die beiden Buchenhöfe wieder zusammenkämen. – Lass mich reden, Schräger, reg dich nich uff! Also, wenn alles wieder eine Herrschaft wär’! Das könnte schon einer denken. Nich? Na, aber ’s wär’ ’n sehr dummer Gedanke, Schräger; denn die Raschdorfs gehen da drüben nich ’raus!“

      „Ich weiss nich, was du hast, Berger. Ich denk’ doch im Traume nich an so was. Der Raschdorf is mein Freund.“

      „Is dein Freund, Schräger. Das ist hübsch von dir! Und weil du nu deinen Freund mit den Aktien so in die Tinte geritten hast ...“

      „Berger, das lass ich mir nich gefallen!“

      „Weil du ihn so in die Tinte ’reingeritten hast, sag’ ich, wirste ihn wohl jetzt wieder ’rausreiten müssen.“

      „Das is ’ne Frechheit von dir, Berger! Wie kommste denn dazu? Das geht dich doch gar nischt an!“

      „Geht mich gar nischt an, Schräger, da haste recht! Aber gerade das, was mich nischt angeht, um das kümmer ich mich. Schräger, ich will dir mal in aller Gemütlichkeit was sagen: Wenn du etwa am Raschdorf schuftig handelst, da mach ich dich schlecht im ganzen Vaterlande und im ganzen Waldenburger Kreise. Verstehste? Ich verkauf dich als Lumpen in jedem Hause.“

      „Nu is aber genug, Berger! Das sagste mir in meinem Hause? Ich verklag dich, und wenn du noch ’n einziges Wort sagst, dann ...“

      „Da schmeisste mich ’raus. Wachste recht, Schräger, tät’ ich auch machen! Aber ich geh’ schon alleine. Meine Meinung weisste! Leb gesund, Schräger!“

      Berger hörte nur noch, dass ihm der Wirt etwas nachzischelte, aber er kümmerte sich nicht darum. Aus der sauersüss riechenden Wirtsstube trat er wieder hinaus auf die sonnenbeglänzte, freie Strasse. Ein kleiner Planwagen stand da, vor den ein grosser schwarz- und weisshaariger Hund gespannt war. Der schielte seinen Herrn mit einem verliebten Seitenblick an und klopfte in drei gleichmässigen Zwischenräumen mit seinem mächtigen Schweife an die Wagendeichsel. Der Lumpenmann stutzte und betrachtete aufmerksam sein Gefährt, in dem sich leise etwas regte.

      „Haste etwa a Raschdorf Heinrich gesehen, Pluto?“

      Der Hund bellte freudig.

      „Oder vielleicht gar a Schaffer-Hannes?“

      Der Hund bellte noch lauter.

      „Haste sie wirklich gesehen, Pluto? Möcht’ ich wissen, wo sie stecken.“

      Der Hund bellte wie toll und zerrte und riss an seinem Geschirr. Der Lumpenmann bückte sich und machte ihn frei.

      „Na, da such, Pluto, da such!“

      Ein Satz, und der mächtige Hund war unter der Plane verschwunden. Ein Zeter- und Mordgeschrei erhob sich in dem kleinen Wagen, dazwischen ertönte ein ganz rasendes Hundegebell. Der Lumpenmann stand da und lachte, und die Tränen liefen ihm über das runzlige, bestaubte Gesicht. Ein Paar Gamaschen wurden auf der Deichsel sichtbar, in denen steckten zwei Quartanerfüsse, und nach und nach kam der ganze junge Akademiker zum Vorschein. Unterdessen war ein wüstes Gebrülle und Gebelle im Wagen.

      „Du bist verrückt, Pluto! Mein Gesicht, au, mein Gesicht!“

      Der kleine Wagen wankte und bebte von dem gewaltigen Kampfe, der sich in ihm abspielte, und dann wurde in seiner dunklen Össnung ein animalischer Knäuel sichtbar, und rechts von der Deichsel fiel ein Hund auf die Strasse, und links von der Deichsel ein Junge.

      Hannes erhob sich mit zerkratztem Gesicht.

      „Wir kommen vom Begräbnis“, sagte er kläglich und betrachtete zerknirscht den demolierten Paradehut seines Vaters. „Da macht man sich ’n kleinen Spass und kriecht mal in den Lumpenwagen, und gleich hetzt a mit Hunden. Was bloss mein Vater zu seinem Zylinder sagen wird! Pfui, Mathias, das werd’ ich mir merken! Das ist ruppig von Ihn’n!“

      Der Lumpenmann lachte, dass er sich schüttelte.

      „Ihr Halunken! Gelt, das wär’ a Spass gewesen, wenn euch der Mathias Berger ins Dorf gezogen hätte! СКАЧАТЬ