Die Heimat. Paul Keller
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Название: Die Heimat

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517345

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СКАЧАТЬ nich, ich will nich, ich hab’ schon genug!“

      „Trink’n wir halt ’n Kirsch! Das wirste mir doch nich abschlagen, Hermann!“

      Der Wirt geht nach dem Schanksims, und der Rubin tauchte unter.

      „Na also!“ sagte Schräger, indem er langsam mit den gefüllten Gläsern zurückkam. „Nur nich ’n Kopp verlieren! Wird ja noch alles werden. So da! Na, trink mal, Hermann! Auf dein Wohl!“

      Da tönten Schritte draussen im Hausflur.

      „Der Briefträger“, keuchte Raschdorf und stiess das gefüllte Glas um. Er stand auf und stützte sich schwer auf den Tisch. Ein Landbriefträger trat über die Schwelle, erhitzt und bestaubt.

      „Guten Tag!“ sagte er; „’n Korn und a Glas Einfach ...“

      „Is was an mich?“ fragte Raschdorf schwer beklommen. Auch der Wirt blickte aufs höchste gespannt nach der schwarzen Ledertasche. „Jawohl, Herr Raschdorf, da ist ein Brief!“

      „Vom Rechtsanwalt“, sagte Raschdorf leise und langte über den Tisch.

      „Komm mit ins Stübel, Hermann!“ riet der Wirt. Die beiden Männer gingen ins Wohnzimmer des Wirtes. Mit zitternden Fingern löste Hermann Raschdorf den Umschlag des Briefes.

      „Setz dich, Hermann, setz dich!“ Der Wirt zwang ihn aufs Sofa.

      Und Raschdorf las. Da wurde das Gesicht blass, die Mundwinkel verzogen sich, der Unterkiefer zitterte, und auf der Stirn brannte ein roter Fleck wie eine Wunde.

      „Verflucht! Oh – oh – verflucht!“

      Das Papier entsank dem starken Mann, und er selbst fiel mit dem Gesicht auf das Sofa und krallte seine Finger in die Polster.

      „Was is denn, Hermann, um Gottes willen, was is denn?“

      Keine Antwort. Der hünenhafte Körper nur zuckte krampfhaft auf und nieder, die Hände fuhren wie irre hin und her, und der Kopf bohrte sich in den Sofasitz. Der Wirt bückte sich, hob den Brief auf und las.

      Eine lange Pause entstand.

      „Fünfzehn Prozent, nur fünfzehn Prozent!“

      Schräger setzte sich auf einen Stuhl. Schweigend betrachtete er den Unglücklichen, der in dumpfes Schluchzen ausbrach. In den grauen Augen des Wirtes zuckte es sonderbar. Ein Weilchen blieb er so ganz still, dann schlich er auf den Zehen hinaus und verkaufte drüben dem wartenden Briefträger Schnaps und Bier.

      „Sagen Sie einstweilen von dem Briefe nichts im Dorfe“, sagte er zu dem Briefträger und kassierte die Zeche ein. Dann ging er zurück nach der Wohnstube. Behutsam öffnete er die Tür. Raschdorf lehnte auf dem Sofa, die Füsse weit von sich gestreckt. „Hermann!“

      „Na, was sagste? Haste gelesen? Fünfzehn Prozent! Was? Das macht sich! Diese Schweinebande!“

      „Aber ’s muss doch ’n Gesetz geben, Hermann!“

      „Gesetz geben! Schafkopp! Gesetz! Wenn du ’n Hund ohne Maulkorb ’rumlaufen lässt, oder wenn du die Wagentafel zu Hause vergessen hast, da gibt’s ’n Gesetz, da werden sie dich schon fassen; aber wenn kleine Leute von Spekulanten um ihr Geld begaunert werden, um Tausende, um viele Tausende, um alles – da gibt’s kein Gesetz, da kräht kein Hahn darüber, da kümmert sich kein Teufel drum – Schweinebande!“

      Schräger trat nahe an den Sofatisch.

      „Es ist schrecklich, Hermann! Und das schlimmste: nu werd’ ich die Schuld kriegen.“

      Raschdorf blickte auf.

      „Die Schuld kriegen! Du? Hä! Natürlich bist du schuld!“

      „Hermann, das verbitt’ ich ...“

      „Ach, halt’s Maul! Was hat’s denn für ’n Zweck, wenn ich dir die Schuld geb’? Krieg ich mein Geld wieder? Was? Nee! Hin ist hin! Aber, dass du mir zugeraten hast, dass du mir in a Ohren gelegen hast Tag und Nacht, das steht auf ein’m andern Brette, Schräger!“

      „Na, is gut, Hermann! Gut is! Ich werd’ dir ja nich mehr raten! Ich sag’ ja kein Sterbenswort mehr, und wenn du ...“

      „Und wenn ich gleich pleite geh’! Weiss ich, Schräger, weiss ich! Is auch ganz gut so.“

      „Na, das is ja richtig! Das habe ich mir ja gerade um dich verdient!“

      Schräger trat ans Fenster und blickte hinaus auf die staubige Strasse. Raschdorf erhob sich und dehnte die Arme.

      „So! Nu werd’ ich’s meinem kranken Weibe sagen, nachher könn’n wir ja die Klappe zumachen und fechten gehen.“

      Schräger drehte sich langsam um.

      „Hermann“, sagte er, und seine Stimme klang warm, „Hermann, wenn du ’n Freund brauchst!“

      Raschdorf sah ihn mit herbem Lächeln an.

      „Wenn ich ’n Freund brauch’, komm ich zu dir. Verlass dich darauf, Schräger!“

      Sie sahen sich einige Sekunden in die Augen.

      „Leb wohl, Schräger!“ – –

      Über die Strasse ging Raschdorf und über seinen Hof. Er sah und hörte nicht. Als er in den Hausflur kam, blieb er stehen, als ob er Mut fassen müsse. Von oben herab klang ein hohles Husten. Da raffte sich der Mann auf. Langsam stieg er die Treppe hinauf und öffnete eine Tür.

      „Wie geht dir’s, Anna?“

      Die sanfte, zarte Frau, die im Bette lag, sah ihn erstaunt an und fragte furchtsam:

      „Was ist dir, Hermann?“

      „Mir? – Was soll mir sein?“

      Die Kranke richtete sich auf.

      „Hermann, es ist was passiert! Dir ist was; Hermann, was ist dir?“

      Er sank auf den Stuhl neben ihrem Bette und lehnte den Kopf an das kühle Kissen. Und wie sich ein Schuldbekenntnis von Männerlippen immer schwer und schmerzhaft losringt, so auch jetzt.

      „Anna, ich – hab’ spekuliert – und ich hab’ verloren.“ Eine heisse Röte zog über das weisse Frauengesicht. Sie sagte nicht gleich etwas, aber dann fragte sie:

      „Ist es viel, Hermann?“

      „Viel, Anna! Sehr viel! Über – über viertausend Taler.“

      Die Kranke sank in die Kissen zurück und legte den rechten Arm über die Stirn und die Augen. Und der Mann sass in finsterem Schweigen an ihrem Bette. Kein Laut. Nur die Frau hustete ein paarmal. Und die Sonne schien schwül in die Stube.

      Da klang ein seltsam Tönen in diese Todestraurigkeit. Vom Garten unten drang schwaches Kindersingen: „In der Blüte deiner Jahre.“

      Müde erhob sich Raschdorf. Er hatte nicht den Mut, seiner blassen Frau in die Augen zu sehen. СКАЧАТЬ