Die Heimat. Paul Keller
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Название: Die Heimat

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788711517345

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СКАЧАТЬ einen erheblichen Trost nicht zu erblicken, und so versprach ihm Mathias Berger einen neuen Zylinderhut. Er habe zwei Stück. Einer rühre von seiner Hochzeit her, den anderen habe er geerbt. Der Hannes solle sich den schönsten gleich abholen, ehe der Vater vom Felde heimkehre und gewahr werde, was mit seiner „Trauertonne“ passiert sei.

      Da war die Not des Buben behoben. Und nachdem Hannes durch einige kritische Fragen, die das Erbstück betrafen, die tröstliche Versicherung erhalten hatte, dass die beiden Hüte Bergers wirklich Prachtexemplare ihrer Art seien, spannte er sich selbst neben den von ihm sonst heissgeliebten Pluto und zog mit ihm das Wägelchen die Strasse hinab dem Dorfe zu.

      Mathias Berger und Heinrich Raschdorf folgten in einiger Entfernung. Es war Abend geworden. Einzelne Schnitter kamen heim vom Felde. Irgendwo draussen waren die ersten Halme gefallen. Wie die Leute am Anfang der Ernte so stolz daherschreiten! In ihren Muskeln ist aufgespeicherte Kraft, und die Gewissheit wohnt in ihren Herzen, dass ihr Körper kräftig und tüchtig ist. Diese Menschen sind die glücklichsten Leute der Erde. Sicher aber die leidlosesten, die ruhigsten, die ungeängstigtsten. Was ihnen fehlt, wissen sie nicht, und was sie haben, steht über aller Wertung nach Geld. Die anderen haben viel, was Plunder ist, und das Schlimmere: sie wissen, was ihnen fehlt, grübeln darüber nach und sehnen sich müde. Es ist kein Wunder, dass ein wortkarger Stolz im Bauern wohnt. Lächelt der Städter über den Landmann, wenn er ihn unbeholfen über seine Strassen trotten sieht, der Bauer lacht unendlich verächtlicher über den Städter, wenn der neben seinen Erdfurchen und strotzenden Saaten so vorsichtig und blass und müde daherwandelt.

      Mathias Berger sah seinen jungen Begleiter an, der einen grauen Anzug mit kurzen Hosen, einen weissen Strohhut und Gamaschen trug. „Eigentlich siehst du dich komisch an hier auf der Dorfstrasse“, sagte er.

      „Ja, Mathias, wissen Sie, und ich wär’ auch viel lieber wieder zu Hause.“

      „Gefällt dir’s nicht auf der Schule in Breslau?“

      „O ja, wenn man der Siebente ist von achtunddreissig, das ist schon ganz anständig. Im Französischen hab’ ich bloss ‚genügend‘, sonst steh’ ich ganz gut. Aber wissen Sie, Mathias, das Schlimme ist, dass mir immer so bange ist.“

      „Du hast wohl manchmal das Heimweh, Heinrich?“

      Der Knabe mässigte seine Stimme.

      „Ja, aber das sag’ ich bloss Ihnen, Mathias! Sonst müsst’ ich mich ja zu sehr schämen. Und meine Kameraden würden sagen, ich sei eine Memme, und ich kriegte Klassenkeile. Aber mir ist halt immer so bange. Ich kann nicht dafür, Überhaupt nach den Ferien! Einmal hab’ ich nach den Ferien meine Wochentagsschuhe vier Wochen lang nicht angehabt. Ich mochte sie nicht abbürsten, weil – weil Boden von zu Hause dran war.“

      Der Lumpenmann wandte sich ab und sagte mit verstellter, etwas heiserer Stimme:

      „Das wirste schon noch überwinden lernen, Heinrich! Oder willste nicht gern Doktor werden oder Pfarrer oder sowas?“

      „Nein, Mathias, ich will nicht! Ich will wieder zu Hause sein, wo ihr alle seid.“

      „Willste denn Bauer werden, Heinrich?“

      „Ja. Sehn Sie mal, Mathias, es wär’ doch schade um unser schönes Gut. Sehn Sie, hier gerade an dem wilden Kirschbaum kann man unsere ganzen Felder übersehen. Das sind doch viel! Nicht, Mathias? Eigentlich sind wir doch reich. Aber das sag’ ich gar nicht in Breslau. Ich denk’ bloss immer dran, dass wir so ein schönes Gut haben.“

      Der Lumpenmann bückte sich hastig nach dem Wegrande, riss einen Stengel Sauerampfer ab, biss darauf herum und spuckte dann alles weit von sich.

      „Was macht denn deine Mutter?“ fragte er.

      „Die ist wieder ganz krank. Am Mittwoch, wie Wochenmarkt in Waldenburg war, war sie mit beim Doktor.“

      „Und was hat der gesagt?“

      „Das weiss ich nicht. Sie hat geweint, als sie heimkam. Das ist es auch, was mir immer so bange macht, dass die Mutter nicht gesund ist.“

      Sie gingen eine Weile schweigend weiter.

      „Sieh nur, dass du weiter auf der Schule fortkommst, Heinrich! Gelt, bis in die Prima musst du, eh’ du den Einjährigen hast?“

      „Bloss bis Obersekunda!“

      „Das wär’n also reichlich noch drei Jahre. Sieh och, Heinrich, ’s is schon gutt, wenn du was lernst. Auf alle Fälle is gutt. ’s is ja ganz erbärmlich, wenn einer so tumm is wie zum Beispiel ich. Kannste denn eine Stellung kriegen, wenn du einjährig bist, Heinrich?“

      „O ja, es war einer mit auf unserer Bude, der ist nach ’m Einjährigen abgegangen, und jetzt ist er Schreiber auf einem Landratsamte, und dann wird er Kreissekretär oder so ähnlich. Aber ich mag nicht Kreissekretär werden. Ich will Bauer werden.“

      „Schon, schon, Heinrich! Aber sieh mal, am Ende könnt’st du dich doch später anders besinnen.“

      „Nie, Mathias, nie! Ich übernehm’ das Gut. Das ist tausendmal besser, als wenn ich so in einer Schreibstube sitzen muss.“

      Ein Blick des Lumpenmannes glitt über die goldenen Fluren, die sich rechts und links von ihm ausdehnten und die alle jetzt noch den Raschdorfs gehörten.

      „Wir werden schon sehen, dass du ein Bauer werden kannst. Wir werden schon sehen!“ sagte er. – –

      Hannes hielt mit der Hundefuhre mitten auf dem Wege an. Aus einem Feldraine bog ein Trupp Schnitter ein, und an ihrer Spitze schritt schwer und gewichtig August Reichel, der Vater des Hannes.

      „Na, da komm mal schnell, Heinrich, sonst passiert da unten ein Unglück!“ sagte der Lumpenmann und schritt mit seinem Begleiter rüstig aus.

      Sie kamen ziemlich gleichzeitig mit den Schnittern an den Wagen an. August Reichel, ein Riese von Gestalt, blieb stehen und betrachtete höchst beängstigenden Blikkes seinen Sprössling, der da beklommen vor ihm stand und mit der einen Hand krampfhaft hinter dem Rücken etwas versteckte. Der Riese reckte ein wenig den Hals und konnte so ganz bequem auch aus einiger Entfernung die Rückseite seines Nachkömmlings einer genauen Musterung unterziehen. Ein Zucken ging über das Gesicht des Goliath.

      „Her!“ sagte er lakonisch und streckte die Hand aus.

      Hannes reichte ihm die ruinierte „Trauertonne“ und schielte halb ängstlich, halb abwartend durch die Haare, die ihm in die Stirn hingen, zu seinem muskulösen Vater hinauf.

      Der betrachtete den Zylinder, nahm den Strohhut vom Kopfe, probierte den Zylinder auf, fand, dass er ihm passe, prüfte dann das Schweissleder und hieb plötzlich dem Knirps vor ihm den Hut mit solcher Wucht auf den Kopf, dass dieser bis übers Kinn darin versank und mit beiden Beinen zugleich auf der Strasse kniete.

      „August, halb und halb bin ich schuld“, sagte der Lumpenmann beschwichtigend, „ich hab’ zwei Zylinderhüte zu Hause; ich schick dir einen.“

      Über das breite Gesicht des Riesen ging ein Lächeln.

      „Ich brauch’ keinen!“ sagte er und nickte dem Lumpenmann freundlich zu. Darauf setzte er sich wieder an die Spitze seiner Schnitterschar und schritt in breitbeiniger Majestät die Anhöhe hinauf dem Buchenhofe zu.

      Hannes СКАЧАТЬ