Название: Nach mir komm ich
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726983
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»Unterschätzen Sie mich nicht. Ich hab noch immer allerbeste Verbindungen«, prahlt er, obwohl ihm in Wirklichkeit seine Tessiner Zugehfrau den morgendlichen Spuk hinterbracht hat. »Es schadet Kamossa sicher nicht«, fügt er hinzu.
Die Feststellung klingt wie eine Frage.
»Warum sollte ihn ein dummer Bubenstreich erschüttern?« antwortet der Verleger. »Der Mann sitzt fest im Sattel – nicht in einem, sondern mindestens in einem halben Dutzend.«
»Aber Kamossa hat zur Zeit keine besonders gute Presse. Die Grams-Geschichte wirft Wellen.« Grevenich deutet auf einige Zeitungen, die am Tisch liegen. »Die ›Frankfurter‹ spricht sogar von einem Anschlag auf die freie Marktwirtschaft.«
»So ein Blödsinn«, antwortet der Verleger. »Die Marktwirtschaft ist so frei, wie eine Hure keusch ist.« Er lacht trocken. »Am Sonntag vielleicht.«
»Sehr hart formuliert«, sagt der frühere Volksvertreter und lacht gezwungen. »Aber wenn das so weitergeht mit der Konzentration in der Wirtschaft, haben Sie nicht so unrecht. Ich bin froh, daß ich politisch nicht mehr aktiv tätig bin und mit diesen Dingen nichts zu tun habe.«
»Aber Sie hatten mit Kamossa zu tun«, erinnert ihn Kronwein.
»Sie doch auch«, schießt Grevenich zurück.
»Richtig«, bestätigt der Konsul. »Dann wissen wir beide, daß dieser Ausnahme-Mensch unangreifbar ist. Wer ihn angreift, läuft auf eine Tretmine und fliegt in die Luft.«
»Vorsicht!« warnt der Überläufer a. D. und das Thema wechselnd. »Schräg hinter uns sitzt die Juwelen-Olga.«
Die Demi-Matrone ist die erfolgreichste der Asconeser Millionen-Witwen, die ihre artigen Verjüngungs-Jünglinge vorführen wie niedliche Schoßhunde. Ihr Begleiter ist kein professioneller Playboy – das beweist er schon durch den Arbeitskittel, den er zu ihrem Ärger trägt. Trotz zweier Weltreisen, die er mit seinen Jahrzehnte älteren Begleiterinnen absolviert hat, gibt er die ererbte Kunst- und Bauschreinerei nicht auf, um kein bloßer Lustknecht der Liebe zu werden. Giorgio, der die Welt kennenlernte, ist eine Lokal-Größe. Er sieht blendend aus, ein athletischer Typ mit vorteilhaft geschnittenen dunklen Haaren und leuchtenden Augen von einem ganz bestimmten Blau. Die Kobaltblitze, die er verschießt, gelten den Damen und gehen selten daneben, doch die Juwelen-Olga hütet Giorgio so penibel wie ihren Besitz.
»Jetzt ist es passiert«, erkennt Grevenich, der aus dem Augenwinkel feststellt, daß sich die Juwelen-Olga auf ihren Tisch zuschiebt.
»Die Herren plaudern so angeregt«, sagt sie im rheinischen Dialekt. »Gibt’s was Neues?«
»Gar nichts«, antwortet der Anwalt. »Oder wissen Sie etwas, Gnädigste?«
»Sie kommen doch am Samstag zu meiner Party?«
»Wenn ich dann noch in Ascona bin, folge ich gern Ihrer Einladung«, antwortet der Verleger.
Von Grevenich ist ohnedies bekannt, daß er nie eine Veranstaltung ausläßt. »Ich muß leider nach Hause«, entschuldigt sich der Ex-Politiker, zahlt, geht und überläßt Kronwein seinen Überlegungen.
Der Konsul blinzelt in die Sonne, verfolgt, wie der junge Grams, von einem Motorboot geschleppt, sein Repertoire mit einem Trick-Ski vorführt. In Ufernähe ist das verboten, aber das kümmert Ferry nicht. Der Berufserbe – als Urinator verspottet – muß seine morgendliche Schlappe wieder auswetzen.
Ringsum herrscht babylonisches Sprachgewirr; am wenigsten parliert man italienisch, die Landessprache. Vor dem Verleger schmust ein junges Liebespaar und bringt ihn auf andere Gedanken. Dann stellt er fest, daß ihm vom Nebentisch ein rothaariges Mädchen zulächelt. Sicherheitshalber überzeugt er sich, daß es keinem anderen gilt.
»Kennen Sie mich denn nicht mehr, Herr Konsul?« ruft sie ihm zu. »Wir waren doch auf der Party – bei den Wildangers, Ich bin die Daisy.«
»Mein Gott, entschuldigen Sie!« schaltet Kronwein rasch. »Aber Sie sind ja inzwischen noch hübscher geworden.«
»Sie Schmeichler«, gurrt sie.
»Wie wär’s mit einem Pikkolo?«
Daisy zögert, nickt dann und kommt an den Tisch. Sie nimmt Grevenichs Stuhl ein. »Eigentlich sollte ich mich nicht mit Ihnen sehen lassen«, bemerkt sie. »Sie haben nicht den besten Ruf, Herr Kronwein.«
»Sie doch auch nicht«, erwidert er lachend und blödelt: »Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s völlig ungeniert.«
»Und Ihre Gattin?«
»Meine Ex-Gattin«, versetzt der Verleger grimmig. »Ich hab mich vor einer halben Stunde von ihr getrennt, und zwar für immer. Grevenich hab ich soeben als meinen Scheidungsanwalt verpflichtet.«
Solcherlei oder ähnliche Behauptungen hörte Daisy bisher von jedem verheirateten Mann in den besten Jahren, die den besseren folgen. Darauf fällt sie schon lange nicht mehr herein, aber irgendwie spürt die Gespielin der Berufserben und Kandidatin der Kapitalrentner, daß Kronweins Lamento nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.
»Gratuliere«, antwortet sie dann. »Und wer ist die Glückliche?«
»Das ist noch offen.« Kronwein stößt mit der roten Daisy an und betrachtet sie dabei anzüglich. »Auf jeden Fall eine jüngere, liebenswertere und hübschere.« Er sucht ihren Blick und setzt hinzu: »Zum Beispiel eine wie Sie, Daisy.« Er sieht auf die Uhr. Er hat noch eineinhalb Stunden Zeit, um aus der Gelegenheit Kapital zu schlagen. Er nimmt mit den Augen einen Vorschuß, fühlt, wie er von einem wohligen Gefühl überspült wird. Die roten Haare des Mädchens erinnern ihn an eine mindestens zwanzig Jahre jüngere Carlotta. Ihre Augen sind etwas dunkler, dafür ist ihr Mund unbeschriebener. Kronweins Blick wandert tiefer, über den schönen Nacken in den freigiebigen Ausschnitt.
»Off limits, Herr Konsul!« Daisy klopft ihm lachend auf die Finger. »Außerdem hat meine Freundin Marion einen viel schöneren Busen als ich.«
»Ich bin bescheiden«, versetzt der Verleger. »Mir genügt schon Ihrer.«
Er sieht den jungen Kamossa auf den Tisch zukommen.
»Schon auf den Beinen, Daisy?« begrüßt er das Mädchen.
»Ich bin doch eine Sonnenanbeterin«, antwortet sie.
»Und eine Nachteule«, erwidert Patrick »Entschuldigen Sie, Herr Konsul«, verbeugt er sich höflich. »Mein Vater telefoniert hinter Ihnen her, er konnte Sie zu Hause nicht erreichen. Leider muß er die Einladung zum Mittagessen auf morgen verschieben, weil ihm heute etwas Dringendes in die Quere gekommen ist. Morgen also, am gleichen Ort zur gleichen Zeit«, wiederholt Patrick.
»Danke«, entgegnet der Verleger, würgt seine Verärgerung hinunter, zieht die durchhängende Unterlippe wieder hoch und lächelt dann seiner Begleiterin zu. »Eigentlich prima«, sagte er. »Mit Ihnen bin ich ja viel lieber zusammen als mit Freund Kamossa.«
»Nichts dagegen«, antwortet Daisy.
»Danach fahren wir zum Shopping nach Locarno«, macht der Kandidat sein Programm. »Suchen uns anschließend ein hübsches Grotto, um den Abend totzuschlagen. Später dann einen fashionablen Nightclub СКАЧАТЬ