Nach mir komm ich. Will Berthold
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nach mir komm ich - Will Berthold страница 6

Название: Nach mir komm ich

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711726983

isbn:

СКАЧАТЬ Haus mit der Prachtfassade benannt ist, ruft zur Morgenmesse.

      Patrick spürt, wie ihm die Übelkeit wieder hochschießt. Er kommt gerade noch um die Ecke, lehnt sich gegen die Wand und übergibt sich. Aus den Augenwinkeln stellt er fest, daß seine Schampus-Genossen in ihre Autos steigen und angetrunken losfahren. Das läßt er sein, seit im September vorigen Jahres die Amüsier-Gesellen auf der Autobahn München-Nürnberg mit den entsprechenden Promille im Blut als Mutprobe eine Wahnsinnswette ausgetragen hatten: Wer sich als Geisterfahrer in falscher Richtung am längsten halten konnte, bevor er von der Polizei geschnappt oder von anderen Verkehrsteilnehmern daran gehindert wurde. Egon, der einzige Sohn eines bekannten Grundstücksspekulanten, hatte es geschafft. Einundzwanzig Minuten lang. Im Radio war bereits die vierte Warnung durchgegeben worden und noch immer keine Polizeistreife zu sehen.

      Da passierte es. Der Geisterfahrer rammte einen Golf mit einem jungen Ehepaar und einem Kleinkind frontal. Die Benzintanks explodierten. Vier Tote. Wer beim Zusammenprall nicht auf der Stelle getötet worden war, wurde in den Wracks zu einem kleinen Klumpen zusammengeschmort.

      Wiewohl die Verkehrspolizei Hinweise auf die tatsächlichen Zusammenhänge sicherstellte, gelang es gerissenen Anwälten, das Desaster zu vertuschen. Für eine kurze Weile standen die Teilnehmer der Wette, die der Tod gewonnen hatte, unter Schock, aber er sollte sich bald legen. Egon war tot, Kismet. Bei dem jüngsten Kamossa hielt das Entsetzen länger an, so daß er sich bis jetzt nicht mehr betrunken ans Steuer gesetzt hatte; er war offensichtlich sensibler als seine Sauf- und Bums-Gesellen.

      Der Ernüchterte schiebt sich weiter, auf unsicheren Beinen erreicht er die Piazza, wo die Tische für die ersten Frühstücksgäste gedeckt werden. Die Sonne badet schon im Lago. Die Wellen gluckern vor Zufriedenheit. Die klare Luft belebt den unfreiwilligen Spaziergänger, auch wenn zwischendurch wieder die Nachwehen des Alkohols hochkommen. Aus den Rauchschwaden steigen Erinnerungsfetzen auf, und wieder hört der ausgewachsene Junge diesen Widerling sagen: › … sieh zu, wie du den Alten irgendwie um die Ecke bringst, und heirate deine Stiefmutter. ‹ Dann lachen sie wieder – Patrick versäumt abermals, Ferry für seine Patentlösung die Fresse zu polieren.

      Aber er spürt nicht nur Zorn und Ekel, sondern auch Ohnmacht. Es gibt viele Gründe, mit seinem Übervater zu hadern, aber gegen einen Titanen kommt man nicht an. Wenn man sich gegen einen Riesen stellt, wird man zum Zwerg, und bei dem willensstarken Martin, seinem Halbbruder – dem Lieblingssohn –, führte die Rebellion vor drei Jahren zur Katastrophe. Von dem Alten war auch dieser Schlag verkraftet worden. Keiner kommt gegen ihn an, keiner in der Geschäftswelt und auch keine seiner vier Frauen, die nacheinander auf der Strecke geblieben waren: Kamossa kennt kein Canossa.

      Wenn Patrick an seines Vaters Fünfte denkt, rührt sich etwas in ihm, deshalb versucht er fast verkrampft, die schöne Iris aus dem Bewußtsein zu verdrängen. Es gelingt ihm nicht ganz, immer wieder turnt sie vor seinen Augen herum, nickt ihm zu mit diesem undefinierbaren Lächeln. Sie ist viel netter zu ihm als Vater, auch wenn sie ihn wie einen kleinen Jungen behandelt, wiewohl sie doch nur fünf Jahre älter ist. Wenn Patrick am Swimmingpool liegt und die schöne Wienerin auftaucht und er sich dann zurückziehen will, um nicht zu stören, ermuntert sie ihn meistens zu bleiben. Dann muß er sich auf den Bauch legen, damit sie seine Erektion nicht sieht. Er dreht auch seinen Kopf weg, um zu vermeiden, daß die Frau seines Vaters in seinem Gesicht wie auf einer Skala seinen Drang und Trieb ablesen kann.

      Abrupt bleibt Patrick stehen, starrt ein Plakat an, fürchtet einen Moment lang, daß ihn das Gesöff um den Verstand gebracht hat, was er insgeheim schon länger befürchtet.

      Allmählich begreift er, daß er keine Fata Morgana der nächtlichen Ausschweifung erlebt, sondern vor einem nachgemachten Fahndungsplakat steht. Unter den großen Lettern Wanted – prangt das Foto seines Vaters.

      Darunter steht:

      Gesucht wird der grossbetrüger henry ka-mossa wegen bestechung, erpressung und anstiftung zum mord. vorsicht bei der festnahme. der täter ist mit millionen bewaffnet.

      Patrick reißt das Plakat ab, knüllt es zusammen und steckt es in die Tasche. Auf dem Weg zur ›Residenza Fortuna‹ stellt er fest, daß weitere Plakate neben einer Bank und auf der Auslagenscheibe eines Lebensmittelladens angebracht sind.

      Er steigt die Treppen hoch zur Collina, dem Monte Verità entgegen, dem Berg der Wahrheit, auf dem zu Beginn dieses Jahrhunderts vegetarische Naturapostel in weißen Hemden begonnen hatten, das Gelände zu erschließen und ihre Nahrung selbst anzubauen. Die ersten Aussteiger und Vorläufer der Hippies, hatten seinerzeit auch den Besitz des Kamossabesitzes erschlossen, den Patrick jetzt betritt. Prompt läuft er dem Hausmeister seines Vaters in den Weg.

      »Ausgeschlafen?« fragt ihn Budde anzüglich.

      Statt einer Antwort zieht der Spätheimkehrer das Plakat aus der Tasche, entfaltet es. »Hier, Doktor«, kontert er.

      Der Manager sieht sich das Plakat genau an: schlechtes Papier, schlechter Druck, unscharfes Foto. Der Text paßt zu dem anonymen Brief von gestern morgen und vielleicht auch zu dem Manuskript, mit dem Verleger Kronwein wedelte.

      Er stellt fest, daß sich der Hausherr gerade mit seiner Frau am Swimmingpool tummelt und das Mädchen dabei ist, das Frühstück aufzutragen, Er entschließt sich, den Kamossas vorerst nicht die Laune zu verderben.

      Der Mann für alles holt den kleinen BMW aus der Garage und fährt mit Patrick los. Sie drehen eine Runde durch Ascona und stellen dabei fest, daß im Borgo neben der ›Banca dello Stato‹ zwei Uniformierte ein Pseudo-Fahndungsplakat entfernen.

      Sie rollen weiter und lassen den Wagen vor dem Rathaus stehen.

      Polizeichef Farinelli, ein Mann von kräftiger Statur, mit grauen Haaren, grauen Augen und einem grauen Schnauzbart empfängt sie höflich und zuvorkommend. »S’accomodi«, fordert er die Besucher auf und deutet auf die Stühle. »Kaffee, Dottore?«

      »Grazie«, erwidert Budde und präsentiert Patricks Beutestück.

      »Ich weiß, was da heute nacht passiert ist«, sagt der Uniformierte. Er spricht fast perfekt Deutsch, ebenso wie Englisch und Französisch; das ist auch nötig, er hat viel mit den im Tessin angesiedelten Ausländern zu tun. Keine größeren Verbrechen bisher – ohnedies müßte er sie an die Kantonspolizei abgeben –, aber die typischen Delikte einer Vergnügungsgesellschaft, deren Spielregel alles erlaubt außer der Armut. »Ich habe sofort veranlaßt, daß diese – diese porcheria entfernt wird«, eröffnet Farinelli. Als Chef der dem Bürgermeister unterstellten Gemeindepolizei ist er so etwas wie ein halber Kurdirektor. »Es tut mir leid, daß ausgerechnet Signor Kamossa, dem Ascona soviel verdankt, auf diese häßliche Weise beleidigt wurde.«

      »Besten Dank, Signor Farinelli«, erwidert Budde. »Wir würden gern so rasch wie möglich erfahren, wer hinter dieser Gemeinheit steckt.«

      »Wir auch«, entgegnet der Graue grimmig und mustert Patrick einen überlangen Moment lang. »Sie haben also das Plakat als erster entdeckt?« Ohne die Antwort abzuwarten, setzt er hinzu; »Da sieht man einmal wieder, wie nützlich es sein kann, wenn man sich die ganze Nacht in der Isole-Bar um die Ohren schlägt.« Er wickelt seinen Tadel in Bonbonpapier. »Es liegt erneut eine Anzeige wegen nächtlicher Ruhestörung vor. Sagen Sie Ihren Freunden, daß ich ihnen künftig nichts mehr durchgehen lasse. Dies ist meine letzte Warnung. Entschuldigen Sie, Dottore«, wendet er sich wieder an Budde, »wir tun, was wir können. Zeugen haben heute nacht einen jungen Burschen beobachtet, wie er ein Plakat anklebte. Sie kamen aus der Lago-Bar und waren nicht ganz nüchtern. Sie gerieten mit dem Täter in einen Wortwechsel. Der Mann machte sich davon, ohne daß sie ihn festhalten konnten.«

      »Hat СКАЧАТЬ