Название: Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman
Автор: Helen Perkins
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Chefarzt Dr. Norden Staffel
isbn: 9783740976828
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»Herr Berger gehört zu den Clubbesuchern, die verschüttet worden sind.« Daniel überlegte, ob er die volle, schreckliche Wahrheit offenbaren sollte. »Seine Verletzungen scheinen sehr schwerwiegend zu sein. Wahrscheinlich hat er mehrere Frakturen und einen Spannungspneumothorax. Seine Lunge kollabiert, und er kann kaum atmen. Leider weiß noch niemand genau, wo er sich befindet. Sie suchen nach ihm. Beten wir, dass die Rettung nicht zu spät kommt.«
Daniel konnte das sprachlose Entsetzen im Raum spüren.
Die Betroffenheit in den Gesichtern seiner Mitarbeiter war echt. Auch wenn jeder von ihnen schon mit Erik Berger aneinandergeraten war, wünschten sich alle, dass er unbeschadet aus der Sache herauskommen würde.
»Viele von Ihnen sind seit Stunden ununterbrochen im Dienst. Ich möchte jeden, der entbehrlich ist, bitten, nach Hause zu fahren und ein wenig zu schlafen. Ich denke dabei vor allem an Herrn Schwebke oder Schwester Anna. Machen Sie erst mal Feierabend.«
Josef Schwebke verzog missbilligend den Mund. Nur weil er ein paar Jahre älter war als die anderen, hieß das nicht, dass er nichts mehr leisten konnte und Schonung nötig hätte. Außerdem gab es ja noch Erik Berger. Wie konnte der Chef nur annehmen, dass er jetzt ruhig schlafen könne?
»Das ist nicht nötig, Dr. Norden«, protestierte er deshalb. »Ich fühle mich fit und brauche noch keine Pause. Und wenn Dr. Berger eingeliefert wird, möchte ich da sein. Vielleicht werde ich gerade dann am nötigsten gebraucht. Ich kann mich nicht in ein weiches Bett legen, während er irgendwo unter Steinen, in der Dunkelheit um sein Leben ringt. Glauben Sie mir, Herr Norden, um mich brauchen Sie sich wirklich keine Sorge zu machen.«
»Dr. Berger ist mein Chef.« Die sonst so freundliche und sanftmütige Anna sah den Klinikchef fast finster an. »Ich werde ihn nicht im Stich lassen und nach Hause gehen. Das mache ich erst, wenn ich weiß, dass es ihm gutgeht.«
»Ich werde auch bleiben«, sagte Christina Rohde. »Ich komme mit sehr wenig Schlaf aus, wenn’s sein muss.«
»Ja, ich auch! … Ich halte noch ein paar Stunden durch! … Mir macht’s auch nichts aus hierzubleiben! …«, ertönte es vielstimmig von allen Seiten.
Daniel sah sich gerührt um. Auf seine Mitarbeiter war immer Verlass. Sie standen einander bei, wenn jemand in Not war. Selten war ihm das so bewusst geworden wie an diesem schicksalsträchtigen Tag. Sie waren ein eingeschworenes Team, das in Krisenzeiten fest zusammenhielt. Die Zuversicht, dass sie gemeinsam alles schaffen könnten, durfte er ihnen nicht nehmen, indem er sie auseinanderriss.
»Gut!«, sagte er rau. »Ich vertraue darauf, dass Sie selbst am besten einschätzen können, ob Sie noch in der Lage sind weiterzuarbeiten. Herr Schwebke, die Leitung bleibt dann also weiter in Ihren Händen. Ich werde zum Club fahren. Wenn Herr Berger geborgen wird, möchte ich dabei sein. Es tut ihm vielleicht gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen.«
»Bitte bringen Sie ihn uns wieder zurück«, schniefte Schwester Inga auf einmal leise. »Wir haben ihm nie gesagt, wie sehr wir ihn schätzen. Ich … bitte richten Sie ihm einfach unsere Grüße aus, ja? Wir denken an ihn und hoffen, dass er bald wieder unter uns ist.«
»Das mache ich«, versprach Daniel und betete, dass er dazu noch die Gelegenheit bekommen würde.
Fee begleitete ihn zu seinem Wagen. »Fahr zu ihm, Dan«, sagte sie weich. »Vielleicht kannst du ihn noch mal erreichen und ihm Mut zusprechen. Ich weiß, wie sehr du ihn schätzt, obwohl er dich immer wieder auf die Palme bringt. Du magst ihn, nicht wahr?«
»Ja, Feelein, genau wie du. Und so wie es aussieht, auch alle anderen. Du hast sie da drin gesehen. Niemand hat auch nur einen Gedanken an die vielen kleinen Zankereien und Wortgefechte der Vergangenheit verschwendet. Obwohl er oft bärbeißig und zynisch ist, achten sie ihn und wollen ihm beistehen.« Daniel richtete seinen Blick in die Ferne, als er sagte: »Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es für ihn sein muss. Eingesperrt mit der Gewissheit, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Er ist da ganz allein und muss sich schrecklich fühlen.«
Daniel küsste Fee, stieg in sein Auto und fuhr los.
Noch lange blieb Fee Norden auf dem Parkplatz stehen, um dem davonfahrenden Wagen nachzusehen. Eine unerklärliche Angst breitete sich plötzlich in ihr aus. Ihr war, als wäre dies ein Abschied für immer gewesen. Gerade so, als hätte sie ihren Liebsten das letzte Mal gesehen. Schnell schüttelte Fee diese finsteren Gedanken ab. Wo waren sie nur hergekommen? Daniel ging es gut, ihm drohte keine Gefahr! Trotzdem fühlte es sich so an …
Die Schmerzen und die beißende Kälte spürte Erik schon lange nicht mehr. Obwohl er froh war, dass diese Pein ein Ende hatte, wusste er, dass das kein gutes Zeichen war. Sein Körper gab auf.
Das Telefon war ihm aus der Hand geglitten und lag nun unauffindbar zwischen den Gesteinsbrocken. Anfangs hatte er noch versucht, es wiederzufinden. Doch er hatte schnell aufgegeben. Der Akku war wahrscheinlich ohnehin längst leer. Zudem kostete ihn jede noch so kleine Bewegung viel Kraft. Kraft, die immer mehr schwand, genau wie die Luft zum Atmen. Er wusste, dass das nicht daran lag, dass der Sauerstoff hier knapp wurde. In die kleine Höhle, in der er lag, zog stetig ein kühler Luftstrom hinein. Nein, daran lag es nicht, dass er Angst hatte, jeden Moment ersticken zu müssen. Es war seine Lunge, die allmählich versagte und es nicht mehr schaffte, den Organismus ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen.
Erik war lange genug Notarzt, um zu wissen, wie ernst es um ihn stand. Nach seinem letzten Hustenanfall hatte er den metallischen Geschmack von Blut auf seiner Zunge wahrgenommen. Fast hätte er bitter aufgelacht. Nicht nur, dass seine Lungenflügel kollabierten, sie füllten sich auch langsam mit Blut. Entweder hatte eine gebrochene Rippe ein Gefäß verletzt oder der Lungendruck war inzwischen so stark angestiegen, dass die umliegenden Blutgefäße dem nicht mehr standhielten und platzten. Eins war so schlimm wie das andere. Beides bedeutete den sicheren Tod für ihn.
Bei dem Gedanken an sein nahes Ende wurde Erik ganz ruhig. Hätte er nicht vor Angst und Panik durchdrehen müssen? Warum erschreckte ihn der Tod nicht? Ein wissendes Lächeln umspielte seine Lippen, als er an Maika dachte.
Glücklich schloss er die Augen. Bald würde er sie wiedersehen. Viel zu lange war er von ihr getrennt gewesen. Endlich würde die Sehnsucht nach der Frau, die er immer noch liebte, ihr Ende finden. Bald waren sie wieder vereint …
*
Kurz bevor Daniel die Unglücksstelle erreicht hatte, kamen ihm die ersten Rettungswagen mit Blaulicht entgegen. Es war also so weit. Sie hatten wieder Opfer bergen können und brachten sie nun in die umliegenden Krankenhäuser.
Ein Durchkommen bis zum Club war unmöglich. In einer langen Reihe standen Rettungswagen bereit, die darauf warteten, die Geborgenen fortzubringen. Die letzten hundert Meter legte Daniel deshalb zu Fuß zurück. An der Absperrung blieb er fassungslos stehen und sah schreckensbleich auf den ehemaligen Club, der im Souterrain eines zweigeschossigen Geschäftshauses untergebracht war. Sämtliche Fensterscheiben des Gebäudes waren zerborsten, einige Wände waren in sich zusammengefallen. In den beiden oberen Stockwerken befanden sich Büroräume, die dank der fehlenden Außenwände ihr Inneres freigaben. Das Mobiliar war fast unbeschädigt und schien nur darauf zu warten, dass am Montag ein ganz normaler Arbeitstag losging.
Den unscheinbaren Seiteneingang, der in den Nachtclub führte, hatten die Rettungskräfte mit Tüchern und behelfsmäßigen Sichtwänden vor den Blicken der zahlreichen Schaulustigen gesichert. Hier wurden fast im Minutentakt Verletzte geborgen und in die Rettungswagen gebracht.
»Daniel! СКАЧАТЬ