Das Haus Lazarus. Michael Marrak
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Haus Lazarus - Michael Marrak страница 4

Название: Das Haus Lazarus

Автор: Michael Marrak

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Memoranda

isbn: 9783948616458

isbn:

СКАЧАТЬ bleibt, mehr als befremdlich und verwirrend.

      Dies ist Aleyd van de Mervennes Vermächtnis.

      *****

      26. Oktober 1503

      Ach Elya, begann der erste der zwölf erhaltenen Briefe. Könnte ich doch nur in den Kopf des Mannes blicken, auf den ich mich einst des Herzens und der Vernunft wegen eingelassen habe. Die im Laufe der vergangenen Wochen geschehene Veränderung von Jeromes Wesen macht mich sorgen, dass seine Arbeit ihm am Verstande zehrt.

      »Ally«, sprach er gestern, als er bis spät in die Nacht an einer Bildtafel für den Grafen von Nassau gearbeitet hatte und sich erschöpft neben mich legte. »Hättest du gedacht, dass die verschlagene Schlange gar nicht die erste Sündenkreatur in Eden gewesen war, sondern der dreiköpfige Sargalámpech?«

      Ich spürte seine warme, geschwollene Männlichkeit zwischen meine Schenkel gleiten, während er dies sagte. Sein bald schon wonnevoll erregter Atem roch nach Oleum, fast so, als hätte er über all die Stunden im Atelier immer wieder gedankenverloren am farbgesättigten Haar seiner Pinsel gesogen.

      28. Oktober 1503

      Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es begonnen hatte, als dieser entengesichtige Stadtverwalter des Grafen von Nassau vor einem Monat erstmals bei uns vorstellig geworden war. Ohne einen Fuß ins Haus zu setzen, hatte er Jerome von einem seiner Bediensteten eine Einladung in den Nachtigallspalast überreichen lassen, wo er ihn mit einer fürstlich entlohnten Arbeit für seinen Herrn vertraut zu machen gedachte.

      Die erste Veränderung in Jeromes Gemüt war mir aufgefallen, nachdem er von seinem Besuch im Palais zurückgekehrt war und sich nicht wie gewohnt an den Kamin gesetzt hatte, um den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen. Stattdessen hatte er sich sofort in sein Atelier zurückgezogen, getrieben von Schaffensdrang, als wollte er alles auf Pergament und Eichenholz festhalten, bevor seine Erinnerung an das Erschaute oder Ersonnene verblasste.

      Ich weiß nicht, was er im Hause des Stadtverwalters gesehen oder gehört hatte, aber ich kann nicht behaupten, dass ich glücklich darüber bin, was es seither aus Jerome gemacht hat. Es ängstigt mich, zu wissen, dass er zwar unten bei seinen Tafeln und Farben ist, aber seine Gedanken so weit von mir entfernt sind, wie es nur die Phantasie eines von imaginären Engeln und Dämonen Getriebenen vollbringen kann.

      Ich scheue gedeihlich dem Fremden, das meine Haut streichelt, mein Fleisch liebkost und sich feurig erregt in mich ergießt, sobald es irgendwann im Morgengrauen aus seinem Garten zurückkehrt und mich nimmt …

      4. November 1503

      Heute hatten wir hohen Besuch im Haus: Seine Erlaucht Graf Heinrich III. von Nassau und seine Verlobte, die Herzogin von Savoyen, gaben sich mit ihrem Kleingefolge die Ehre und ließen sich bewirten. Die halbe Speisekammer und ein viertel Fass Wein haben sie sich in die Bäuche geschlagen, als gäbe es kein Morgen mehr, und das mit einer Selbstverständlichkeit, die mich vor Ingrimm zittern ließ. Ich mag ihn nicht wirklich gut leiden, diesen feistfrömmelnden Magnificus und Herrn von Breda. Dennoch war er der Einzige, der sich für Speise und Trank bedankte.

      Der Grund für den Besuch des Grafen war jedoch keinesfalls, sich von uns verköstigen zu lassen, sondern die Fortschritte des in Auftrag gegebenen Altarbildes zu begutachten. Sein Loben und Staunen ob der daraufhin von Jerome erstmals enthüllten Paradiestafel erwärmte mein Herz mit Stolz und Genugtuung. Einzig das finstere Loch im Edengarten hatte den Herrn von Breda irritiert.

      Nichtsdestotrotz waren er und die Herzogin voll des Lobes ob der visionären Fülle und Detailverliebtheit. So kam es, dass der Graf Jeromes bisher geleistete Arbeit mit zwanzig Gulden vergütete. Diese Großzügigkeit ließ erahnen, dass er durchaus eine Vorstellung seines Genies und seiner Akkuratesse hatte.

      9. November 1503

      Meine liebe Elya, was soll ich nur tun? Auf dem Markt erzählte mir eine der Bäckersfrauen heute Morgen, der Nachwächter der Südstadt habe Jerome zu vorgerückter Stunde in einem unbeleuchteten Kahn die Diezegracht hinabstaken sehen – in Richtung des Dirnenviertels. Und den Blicken der Leute nach zu urteilen hatte dieses Klatschweib es zuvor wahrscheinlich schon jedem erzählt, der willens gewesen war, ihr zuzuhören, und offen für jedwede Art von eklatschwangerem Ondit. Ich vermochte zu lauschen, wie sie hinter meinem Rücken tuschelten und sich ihre Tratschmäuler zerrissen.

      10. November 1503

      Ich konnt’ mich Jerome gegenüber noch nicht dazu durchringen, die Behauptung des Nachtwächters zur Sprache zu bringen. Vielleicht ist’s die Angst vor dem Schmerz, die mich zögern lässt. Angst vor den Worten, die finsterste Befürchtungen offenbaren könnten. Vor der Erkenntnis, eine innere Bande langsam zerreißen zu wissen und meinen Mann langsam an ein urbanes Schreckgespenst aus Manie, Phantasmagorien, Lust und Irrwandelei zu verlieren.

      Ehe ich nicht aus Jeromes eigenem Mund gehört habe, dass alles nur dummes Gerede und Waschweibergemunkel ist, weigere ich mich zu glauben, dass er die Eingebung für seine Visionen in den Freudenhäusern findet und nicht beim Studium der in Stein gehauenen Figuren auf Sankt Jan und der Lektüre von Tier-Enzyklopädien und Herbarien in der Bibliothek des Stadtverwalters.

      11. November 1503

      Sag mir, Elya, war’s Torheit oder göttliche Eingebung, die meine Schritte gelenkt hatten? In einem vermeintlich einsamen Moment, in dem ich Jerome oben in der Dachkammer wähnte, hatte ich mich ins Atelier geschlichen, um mir die seltsamen Figuren in seinem Paradiesgarten anzusehen – und hatte gerätselt, welche der beiden dreiköpfigen Kreaturen jenen Sargalámpech darstellen sollte, von dem er so geheimnisvoll gesprochen hatte; die eine ein schwarzer Salamander, die andere ein großer brauner Vogel. Dabei wollte ich gerne glauben, ihrer beider Abnormität sei Jeromes Unschlüssigkeit geschuldet, wohin mit dem Hals.

      Nach wie vor grüble ich über die Bedeutung des wie ein Schandfleck wirkenden finsteren Pfuhls, an dessen Ufer der dreiköpfige Vogel sitzt. Als der Graf zu Besuch war, hatte das Wasser bereits düster geglänzt, doch nun war es voll schwarzer Unwesen und Nachtschatten, die sich darin tummelten oder ihm auf dem Bauch robbend entstiegen.

      Dass Jerome hinter mir lautlos das Atelier betreten hatte, wurde mir erst gewahr, als ich seine Stimme vernahm, die fragte: »Gefällt es dir, meine Teuerste?«

      Ich fühlte mich innerlich zu Stein erstarren. Glaube mir, liebste Elya, es war ein Moment, in dem ich mich so weit wegwünschte, wie meine Vorstellungskraft es nur zuließ.

      Schuldbewusst wandte ich mich um, wollte etwas Scharfsinniges erwidern, das meine Neugier Jerome gegenüber rechtfertigen mochte. Mich an eine Eingebung klammernd, übte ich leise Kritik an dem, was ich sah. Auf meine Bemerkung, das schillernde Haar der Eva sei dünn wie der Flaum einer Goldmotte, reagierte Jerome fast schon mit Schrecken. Minutenlang betrachtete er sein Werk, dann ergriff er wie in Trance einen Quastenpinsel und tunkte ihn in rote Farbe. Anstatt sich damit jedoch dem Haar der Eva zuzuwenden, zog er mit der freien Hand das Oberteil meines Nachtkleides herab und drückte ihn zwischen meine entblößten Brüste. So verharrte er eine Weile, fast, als wollte er sich von der Sinnhaftigkeit seines Tuns überzeugen. Schließlich wies er mich an, den Pinsel zu halten, ohne ihn von meinem Fleisch abzusetzen. Während ich tat, wie mir geheißen, ergriff er ein Leinwandmesser und schnitt mir das Nachtkleid, wie ich es am Leibe trug, von oben nach unten entzwei.

      Entgeistert, ja geradezu bestürzt gab ich mich seiner Anwandlung hin, ohne mich zu regen.

      »Eine Seele, die zwischen Licht und Dunkelheit gefangen ist, teilt alle göttlichen Sinnesfreuden, ohne sich an ihnen ergötzen zu können«, sprach Jerome. Daraufhin ließ er den Pinsel kreisen und СКАЧАТЬ