Ehrenmord - Schweden-Krimi. Björn Hellberg
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Название: Ehrenmord - Schweden-Krimi

Автор: Björn Hellberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Sten Walls erster Fall

isbn: 9788726445077

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СКАЧАТЬ sich weiter durch den Papierstapel.

      Natürlich stieß er dabei auf die üblichen Wochenendvergnügungen: verwüstete Blumenrabatten im Park, Prügeleien zwischen Rockerbanden im Gewerbegebiet, drei Autodiebstähle, vier Einbrüche, eine Misshandlung im Gasthaus Baronen, Tierquälerei auf einem Bauernhof in Slätthult und ein Vergewaltigungsversuch im Süden.

      Mit anderen Worten: ein ziemlich normales Wochenende. Carlsson seufzte.

      Und plötzlich beneidete er Sten Wall.

      Urlaub – das Wort schmeckte nach Luxus und Spaß.

      Er selbst kam erst Mitte August in diesen Genuss, dann wollten Gun und er sich eine Autoreise durch England und Schottland gönnen. Er freute sich jetzt schon darauf, obwohl er noch nie im Linksverkehr gefahren war, abgesehen von ein paar Monaten kurz bevor Schweden am 3. September 1967 von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt hatte.

      Mitte August: Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

      Sten Wall

      Früher hatte sich Sten Wall unbeschwerter auf seinen Urlaub gefreut.

      Zwar spürte er immer noch ein herrlich prickelndes Gefühl der Erwartung, wenn die Urlaubszeit in greifbare Nähe rückte. Aber die Vorfreude war mit einer immer deutlicher wahrnehmbaren Wehmut kombiniert. Er hatte die sechzig überschritten (sogar mit einem gewissen Abstand) und war sich bewusst, dass er sich in Riesenschritten der Pensionierung näherte. Und wenn er diese magische Grenze passiert hatte, konnte er sich so viel Urlaub gönnen, wie er wollte. Für viele mochte das erstrebenswert sein, aber für Wall bedeutete es nicht nur Vorteile.

      Er war zu der Überzeugung gelangt, dass er weiterarbeiten wollte. So lange wie möglich. Er war seinen Beruf noch lange nicht leid und fürchtete eine Zukunft, in der seine Dienste und seine Kompetenz nicht länger gefragt waren.

      Realist, der er war, sah er ein, dass dies der unausweichliche Lauf des Lebens war: In ein paar Jahren war es Zeit, jüngeren Kräften den Weg frei zu machen. Er konnte doch nicht bis in alle Ewigkeit auf seinem Platz kleben und damit das Weiterkommen der anderen blockieren. Aber das war ja auch gar nicht seine Absicht. Er wünschte sich, auf irgendeine für ihn maßgeschneiderte Art weitermachen zu können und zur Verfügung zu stehen, ohne damit den Jungen den Weg zu versperren. Aber die Gleichung ging nicht auf, das war ihm schon klar.

      Vielleicht fand er ja auch eine sinnvolle Beschäftigung außerhalb der Polizei, wenn er die fünfundsechzig erreicht hatte.Vielleicht gab es jemanden, dem seine Erfahrung und seine unbestreitbaren Kenntnisse von Nutzen sein konnten und der ihm zumindest einen Teilzeitjob anbot.

      Der Gedanke munterte ihn für eine Weile auf, aber dann hüllte ihn doch wieder der Trübsinn ein. Es war natürlich auch sehr gut möglich, dass sich alles von selbst löste. Wer hatte noch nicht davon gehört, wie oft Leute direkt nach Erreichen des Pensionsalters schwer krank wurden oder starben? Das war leider keine Seltenheit.

      Es gelang ihm nur unter größter Kraftanstrengung, diese demoralisierenden Überlegungen abzuschütteln.

      Mein Gott: Er war doch nun wirklich kein geborener Pessimist – warum dann diese trüben Gedanken? Hatte er nicht Urlaub? Natürlich. Und da gab es dann doch wohl keinen Grund, hier auf einem der schönsten Marktplätze Schwedens über die Zukunft zu brüten und trüben Phantasien nachzuhängen.

      Reiß dich zusammen, Kerl!

      Er ging zu dem Kiosk auf der anderen Straßenseite und kaufte sich ein Eis, mit dem er zurück zu seiner Bank schlenderte. Er saß mit dem Gesicht der brausenden Fontäne des Springbrunnens zugewandt und ließ sich Eis und Freiheit schmecken.

      So hatte er schon oft den Sommerurlaub eingeläutet: mit einem Eis auf dem Stortorget (wenn es das Wetter zuließ, was meistens Anfang Juni der Fall war).

      Wenn er sich, so wie jetzt, einfach treiben ließ, kam die Urlaubsstimmung jedes Mal von ganz allein so langsam über ihn. Manchmal kam es vor, dass sich jemand neben ihn setzte, um sich eine Weile mit ihm zu unterhalten: Sten Wall war ein bekanntes Gesicht in der alten südschwedischen Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war und in der er fast alle seine Berufsjahre verbracht hatte.

      Obwohl er Polizist war – und sich dadurch automatisch und unweigerlich Feinde verschaffte –, war er in weiten Kreisen äußerst angesehen. Von den Gesetzestreuen wurde er als ein rechtschaffener Vertreter von Recht und Ordnung angesehen. Und von vielen Kriminellen wurde er zwar nicht direkt geliebt, aber jedenfalls einigermaßen respektiert, denn er spielte ein ehrliches Spiel.

      Der korpulente, glatzköpfige, gemütliche Kommissar war in der Stadt wohl bekannt. Er gehörte dazu, war geradezu Teil des Inventars.

      Heute schien es so, als sollte er mutterseelenallein auf seiner Bank sitzen bleiben. Während er sein Eis genoss, studierte er mit gedankenverlorener Miene das Haus hinter dem Springbrunnen. Das schwarzweiße Rathaus war immer schon sein Lieblingsgebäude gewesen, und er war nicht der Einzige, dem die stilvolle Schöpfung des ausgehenden 18. Jahrhunderts so gut gefiel. Touristen drückten oft ihre Bewunderung über das gut erhaltene Gebäude aus, das noch attraktiver geworden war, als es das einzige echte Zeichenmuseum Schwedens aufnahm.

      Durch das zarte Grün der vier Linden hinter den Wasserkaskaden des Granitbrunnens konnte Wall das Gartencafé erkennen, das zu einem der beiden Restaurants auf dem Marktplatz gehörte. Dort unter dem großen Sonnenschirmdach schien es keinen einzigen freien Platz mehr zu geben, aber schließlich war ja auch gerade Mittagszeit. Links von dem Restaurant lagen ein Friseursalon (der sich mittlerweile Studio nannte) und eine Buchhandlung.

      Früher hatte sich dort an Stelle der Buchhandlung eine Apotheke befunden, und mit einem Lächeln im Gesicht erinnerte Wall sich an den Tag, als er dort seine ersten Kondome gekauft hatte. Er hatte es so eingerichtet, dass er nicht vom Apotheker selbst oder einer der älteren, verbiesterten Apothekenhelferinnen bedient wurde, sondern genau in dem Moment zum Verkaufstresen vorschoss, als die jüngste Mitarbeiterin des Geschäfts – eine äußerst süße Blondine – frei war. Er hatte schon lange ein Auge auf sie geworden. Natürlich nur heimlich. In seinen pubertären Träumen hatte das blonde Mädchen schon seit langem die Hauptrolle inne, und jetzt war es Zeit für einen mutigen Vorstoß.

      Überlegen, fast nonchalant, hatte er mit männlich rauer Stimme seinen Wunsch vorgetragen, wobei er der jungen Frau frech und herausfordernd in die Augen schaute. Er wollte ihr mit seinem unbeschwerten, weltgewandten Verhalten imponieren (er war noch nie außer Landes gewesen – abgesehen von einem kurzen Besuch in Kopenhagen), und seine heimlichsten Gedanken liefen auf die Hoffnung hinaus, das Gekaufte mit der schönen Verkäuferin auszuprobieren. Aber sie hatte ihn eiskalt als den Grünschnabel angesehen, der er ja auch war, und ihm das Gewünschte gereicht, ohne eine Miene zu verziehen.

      Es war sehr ernüchternd gewesen.

      Heute konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er diese Kondome überhaupt jemals benutzt hatte. Vermutlich war es eine vollkommen überflüssige Investition gewesen. Das Eis war aufgegessen und die Apothekenerinnerung verschwunden.

      Sten Wall stand auf, um diverse praktische Dinge zu erledigen. Als Polizist war er immer offen für neue Ideen. Er besaß eine lebhafte Phantasie und scheute sich nie, zu improvisieren und neue Wege auszuprobieren, wenn seine Ermittlungen in Sackgassen geführt hatten. Sein dahin gehendes Geschick hatte große Triumphe gefeiert und mehrere Male sogar nationale Aufmerksamkeit geweckt.

      Gierig sog er nach getaner Arbeit das Lob ein. Das Alter hatte seine Eitelkeit ganz und gar nicht vertrieben. Im Gegenteil: Sie hatte mit der Zeit СКАЧАТЬ