Abenteuer auf den Inseln: Nonnis Erlebnisse auf Seeland und Fünen. Jón Svensson
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СКАЧАТЬ auch das noch!“ lachte der Herr Doktor herzlich weiter. „Das wird ja geradezu unheimlich. — Nun, wer hat ihn denn geschrieben?“

      „Er kommt vom Herrn Grafen de Foresta“, jubilierte ich, „von dem feinen Herrn, der mich nach Frankreich eingeladen hat.“

      „Auch darin hast du recht, Nonni. Er kommt von dem Grafen de Foresta. — Was er aber darin schreibt, das wirst du wohl nicht so leicht erraten können.“

      „Doch, Herr Doktor. Ich glaube, ich werde es erraten können. Soll ich es sagen?“

      „Ja, ja! Sage es nur!“

      „Er schreibt, daß Sie mich gleich nach Frankreich schikken sollen, in die große Schule in Avignon.“

      Noch einmal lachte der Herr Doktor laut auf und sagte: „Nonni, du hast fast wieder das Richtige getroffen, du kleiner Wicht. Doch, wie kommst du denn dazu, alles das so zu erraten?“

      „Ich habe gehört, daß der Krieg zwischen den Deutschen und den Franzosen jetzt zu Ende ist. Dann kann ich ja auch bald meine Reise nach Frankreich fortsetzen. Deshalb habe ich mir gedacht, daß der Herr Graf Ihnen darüber geschrieben habe.“

      „Da hast du ganz richtig gedacht, Nonni“, sagte nun der Herr Doktor in ernsterem Tone. „Es scheint, daß der Krieg nun wirklich zu Ende ist und der Weg nach Frankreich bald wieder frei werden soll. — Willst du aber, daß ich dir den Brief vorlese?“

      „O ja, Herr Doktor, das möchte ich sehr gern.“

      „Gut, so höre denn.“

      Herr Grüder nahm den Brief aus dem Umschlag, entfaltete ihn und sagte: „Der Brief ist französisch geschrieben. Ich will ihn aber für dich ins Dänische übersetzen. Der Graf de Foresta schreibt:

      „Wie Sie wohl erfahren haben, geht der Krieg zu Ende. Es wird also bald möglich werden, meinen kleinen Isländer, den Sie nun fast ein Jahr in Ihrem Hause so liebevoll beherbergt haben, nach Frankreich reisen zu lassen. Den Zeitpunkt der Abreise aus Kopenhagen bitte ich Sie selber bestimmen zu wollen. Da aber der Weg von Kopenhagen bis Avignon recht lang und der Klimaunterschied zwischen den beiden Städten groß ist, habe ich die Reise so eingerichtet, daß der kleine Junge auf dem Wege ein paar Wochen wenigstens haltmachen kann, damit er sich sowohl ausruhen als auch an die größere Wärme in Frankreich allmählich gewöhnen kann. Als Haltestelle habe ich mir die Stadt Amiens in Nordfrankreich gedacht. — Es gibt dort eine große Studien- und Erziehungsanstalt für Gymnasiasten, die den Namen ,Ecole libre de la Providence‘ führt. Ich habe mich schon mit dem Direktor der Anstalt verständigt. Der kleine Isländer wird dort die freundlichste Aufnahme finden. Die einfachste Reisestrecke von Kopenhagen nach Amiens würde wohl die folgende sein: Von Kopenhagen nach Dünkirchen mit einem Dampfer. Von Dünkirchen gibt es eine sehr angenehme direkte Eisenbahnverbindnug nach Amiens. Von Amiens wird er dann später über Paris nach Avignon in einem Tage mit der Bahn auf das bequemste fahren können. Für diesen letzten Teil der Reise wird der Direktor der Anstalt ,La Providence‘ in Amiens Sorge tragen. . . .“

      Hier machte Herr Grüder eine Pause, legte den Brief auf den Tisch und sagte:

      „Und nun, Nonni, was meinst du dazu?“

      Es war mir im Augenblick so eigentümlich zumute, daß ich nicht wußte, was ich sagen sollte.

      Da unterbrach Herr Grüder das Schweigen:

      „Also, mein kleiner Nonni, wenn du den Brief des französischen Grafen verstanden hast, so wird es dir nun wohl klar sein, daß die Tage deines Weilens hier in meinem Hause zu Ende gehen.“

      Der Doktor sprach diese Worte in einem so freundlichväterlichen Tone, daß ich tief gerührt wurde.

      Ohne ein Wort sagen zu können, warf ich einen flüchtigen Blick auf das Gesicht des Herrn Doktors und sah zu meiner nicht geringen Überraschung, daß seine Augen feucht waren. . . .

      Jetzt konnte ich meine Bewegung nicht mehr zurückhalten. Ich drückte meine beiden Hände gegen mein Gesicht und brach in Tränen aus.

      Fast ein Jahr hatte ich im Grüderschen Hause schon zugebracht und war immer von dem Hausherrn mit der größten Güte behandelt worden. Jetzt fühlte ich plötzlich, wie schwer es mir sein werde, diese Stätte, wo ich so glücklich gewesen war, nun bald auf immer verlassen zu müssen.

      Nachdem ich ein paar Augenblicke so dagesessen hatte, schämte ich mich meiner Weichherzigkeit — ich nahm mich zusammen, wischte rasch meine Tränen ab, faßte die Hand des Herrn Grüder und sagte zu ihm:

      „Sie sind immer so gut gegen mich gewesen, Herr Doktor, deshalb tut es mir leid, daß ich Sie nun verlassen muß. Ich werde Sie aber nie vergessen, Herr Doktor.“

      Herr Grüder drückte zärtlich meine Hand und sagte, nun auch selber tief bewegt:

      „Mein lieber, kleiner Nonni, ich wußte schon, daß du ein gutes Herz hast, ich hätte aber nicht gedacht, daß du so anhänglich und dankbar seiest für das wenige, das ich während dieses Jahres für dich tun konnte.“

      „O Herr Doktor, Sie haben nicht wenig, sondern viel für mich getan“, stammelte ich, während ich kräftig gegen die Tränen ankämpfte.

      „Auch ich habe dich immer gern gehabt, mein kleiner Nonni“, sagte Herr Grüder, „und auch mir tut die Trennung recht leid. Doch es muß nun einmal sein. . . . Wann möchtest du eigentlich nach Frankreich abreisen?“

      Ich schaute den Doktor an und wußte zuerst nicht, was ich antworten sollte. — Andere Gedanken flogen plötzlich heran. . . . Mein Ausflug mit Valdemar schoß mir durch den Kopf. . . . Den mußte ich doch zuerst unbedingt hinter mir haben. . . . Darüber sprechen durfte ich aber nicht. Das hatten wir ja unter uns abgemacht. . . . Nicht einmal dem lieben, guten Doktor durfte ich unsern Plan verraten. Schließlich erwiderte ich:

      „Herr Doktor, ich muß darüber noch etwas nachdenken. . . . Meinen Sie nicht, daß der Krieg wieder losbrechen könne? Ich glaube, es wäre gut, noch ein klein wenig zu warten.“

      „Du hast recht, mein Lieber. Wir wollen noch ein klein wenig warten. Genieße deine Ferien und ruhe dich von den Mühen und Arbeiten des Schuljahres aus. Später wollen wir dann auf die Sache wieder zurückkommen.“

      Ich stand auf, gab dem Herrn Doktor die Hand und verließ das Zimmer.

      Noch immer tief bewegt, ging ich diesmal — gegen meine Gewohnheit — ganz langsam die Treppe hinauf. Ich trat in mein Stübchen und schloß die Tür von innen ab.

      Seit einigen Tagen war ich der alleinige Bewohner hier, denn mein lieber Landsmann, Gunnar Einarsson, der etwas ältere isländische Junge, der mit mir im Grüderschen Hause geweilt hatte, war nicht mehr da. Er war auf Wunsch seiner Eltern nach Island zurückgekehrt.

      Ich setzte mich an meinen Tisch, dachte nach und fühlte, daß ich an einen Wendepunkt meines Lebens gekommen war. Alles hier sollte ich verlassen: Kopenhagen, die glänzende Hauptstadt Dänemarks, das Grüdersche Haus, die König-Knud-Schule, die frisch-fröhlichen dänischen Jungen, meine lieben Schulkameraden, Valdemar und auch Karl, gegen den ich in der Marmorkirche zwar einmal ernstlich gekämpft hatte, der mir inzwischen aber ein Kamerad geworden war. Verlassen sollte ich nun auch den isländischen Professor, Herrn Gisli Brynjúlfsson, das prachtvolle, reizendschöne Land, die großen, geheimnisvollen Buchenwälder, den azurblauen Sund — alles das sollte für mich bald nur noch eine schöne Erinnerung СКАЧАТЬ