Название: Das Anthropozän lernen und lehren
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Pädagogik für Niederösterreich
isbn: 9783706560832
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Kaiser Yŭ (chinesisch 禹) gilt als mystischer Begründer der chinesischen Zivilisation und Retter Chinas vor der großen Flut:
„Vor über 4000 Jahren wurde Yu von dem Kaiser Shun mit der Aufgabe der Flutbekämpfung beauftragt, weil damals die Überschwemmungen vom Gelben Fluss, dem ‚Mutterfluss der Chinesen‘, große Schäden angerichtet haben. 13 Jahre hat es gedauert, bis er den Fluss unter Kontrolle hatte. Dafür hat er sehr hart gearbeitet. Heute noch ist die Geschichte ‚Dreimal an der Haustür vorbei und nicht reingegangen‘ in aller Munde, denn: In den 13 Jahren, in denen Yu den Auftrag ausführte, ist er drei Mal an seinem Haus vorbei- und nicht reingegangen – beim ersten Mal gebar seine Frau ein Kind, beim zweiten Mal winkte er seinem Sohn zu, beim dritten Mal sagte er zu seinem Sohn (draußen vor dem Haus natürlich), dass er keine Zeit hätte, nach Hause zu gehen, solange das Problem mit der Überschwemmung nicht beseitigt wird. Er gilt als eine der wichtigsten Heldenfiguren in China.“15
Abbildung 3: Mai Lin (1180–1256), National Palace Museum, Taipei (Bildausschnitt)16
Im selben Ausmaß, wie sich beim Menschen das Bewusstsein entwickelte, mehrten sich auch die Fragestellungen und es wuchs das Bedürfnis, sich die Welt zu erklären – in Wort und Bild – zur Überwindung der „archaischen Fremdheit in der Welt“17 und zur Festigung des jeweils erreichten Weltzustandes als Ordnung des Kosmos’.
Konfuzianisches Denken, das Kollektiv immer über das Individuum stellend und jedem und jeder Einzelnen einen festen Platz im Staatsgefüge zuweisend, findet beispielsweise in der alten Legende vom Flut-Mythos Ausdruck (vgl. Abb. 3).
Wasser in den ältesten Schöpfungsmythen und Götterwelten
In der hinduistischen Mythologie spielt der Milchozean eine bedeutende Rolle, auch in den bedeutendsten indischen Nationalepen Mahabarata18 und Ramayana. Ihre richtige Rezitation war bedeutend, sie wurden über Jahrhunderte mit großer Akribie mündlich tradiert und teilweise erst spät verschriftlicht.
Man stellt sich die Kontinente konzentrisch angeordnet vor, von Ozeanen getrennt. Der innerste Ozean enthält Salzwasser, der äußerste ist der Milchozean und repräsentiert das Urmeer. Das „Quirlen des Milchozeans“ auf der Suche nach dem Unsterblichkeitstrank ist das Grundthema, das in vielfachen mythischen Variationen auftaucht.19
Abbildung 4: Raja Ravi Varma20 (1848–1906), Die Göttin Lakshmi entsteigt dem Milchozean auf einer Lotusblüte (dem Symbol für Reinheit und Vollkommenheit)21
Das Rigveda (auch Riksamhita) enthält über 1000 Hymnen und ist der älteste Teil der Veden und zugleich die älteste Urkunde des indogermanischen Völkerstammes, entstanden ab etwa 1750 v.Chr. Für viele hinduistische Strömungen stellt es die wichtigste Sammlung religiöser Texte dar, sie wurden ursprünglich nur mündlich überliefert.22
1. Nicht Nichtsein war, noch Seiendes wardamals nicht war das Luftreich, noch der Himmeldrüber Was regte sich und wo in wessen Obhut? Was war das unergründlich tiefe Wasser23? | 2. Nicht Tod und nicht Unsterblichkeit wardamals nicht war ein Unterschied von Tag undNacht Es atmete sich selbst das hauchlos-Eine es gab kein andres Wesen außer dem […] Rigveda24, 10.129 Schöpfungshymne |
Viele ägyptische Gottheiten haben Wasserbezug, zum Beispiel Satet (oder Satis, später Identifizierung mit Sotis und Isis), die Bewacherin der südlichen Grenze Ägyptens und Spenderin des „kühlen Wassers, das aus Elephantine kommt“ und das sie den Toten zur Reinigung anbietet. Als Bogenschützin löst ihr Pfeil die Flut aus. Ihre Tochter Anukis (oder Anuket; ihr Name bedeutet „umarmen“ oder „herbeiführen“) denkt man für Nilüberschwemmungen und Fruchtbarmachung verantwortlich. Sie trägt das Anch-Zeichen (unter anderem in der Bedeutung „Lebenssymbol“, „Lebensschlüssel“ oder „Nilschlüssel“ und in der Hieroglyphenschrift das Zeichen für „Leben“).25
Abbildung 5: Anukis mit hoher Krone aus zusammengebundenem Schilf 26
Der Nil selber wird als Gott Hapi verehrt, in Darstellungen erscheint er als männliche Figur mit Brüsten.27 Wenn man davon ausgeht, dass die vorderasiatischen Gesellschaften ursprünglich matriarchalisch organisiert waren und erst mit dem Eindringen indo-europäischer und arischer Stämme kriegerische, patriarchalisch-hierarchische Strukturen mit männlichen Gottheiten etabliert wurden, könnte Hapis Erscheinungsbild mit den nährenden Brüsten auf ursprüngliche Weiblichkeit schließen lassen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Wasser als „Mutter aller Dinge“ stets als weiblich galt und Meere, Seen, Ströme, Flüsse, Brunnen und Quellen meist Göttinnen geweiht waren. So schrieb man auch die Quellen der heiligen Flüsse Mesopotamiens, Euphrat und Tigris, dem „gebärenden Organ der Großen Mutter“ zu: „Die Quelle der Flüsse wurde als die Vagina der Erde betrachtet“28. Noch heute sind die meisten Flüsse weiblich konnotiert.
Abbildung 6: Gott Hapi, Kalksteinrelief, Boston Museum of Fine Arts 29
Das altbabylonische Poem Enūma eliš (benannt nach seinen ersten beiden Wörtern: „Als droben“) wird zwar als Schöpfungsmythos bezeichnet, der Schöpfungsakt selbst hat aber nur einen geringen Anteil am ganzen Geschehen. In ca. 1000 Versen wird der Aufstieg Marduks zum Stadtgott von Babylon СКАЧАТЬ