Das Anthropozän lernen und lehren. Группа авторов
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СКАЧАТЬ von Szenarien auch für entferntere Zeiträume, b) wie Pfade dorthin aussehen könnten, c) welche Schritte dafür jetzt gegangen werden müssen und d), wie bzw. ob dies alles auch ein gutes Leben für alle mit sich brächte. Dass Derartiges schwierig anzugehen ist, wird gerade auch durch die Klimakrise besonders ersichtlich. Ursachen für Verschiebungs- und Vermeidungsstrategien gibt es viele – etliche davon wurden hier bereits erwähnt (vgl. Abb. 5). Herausgegriffen sei nochmals die in unserer westlichen Kultur des „richtig oder falsch“, „gut oder böse“, „Natur oder Kultur“ erlernte duale Denkweise. Selbst wenn verschiedenste Lösungsansätze für ein Problem vorhanden sind und möglicherweise Kombinationen davon durchaus denkbar wären, geht unser Diskursansatz doch meist in die Richtung, die eine angeblich richtige Lösung aus diesem Angebot zu finden, mit dem Effekt, dass es häufig überhaupt keine Entscheidung gibt. Auch sind unsere Zukunftsvorstellungen stark von Science Fiction geprägt, bei der es in der Regel dann eben einem Helden gelingt, ungeahnte Probleme doch noch „aus der Welt“ zu schaffen. Weder gibt es derartige Helden oder „Silver Bullets“ – dazu sind die anthropozänen Problemlagen viel zu komplex –, noch können wir Probleme in der Regel wirklich „aus der Welt“ schaffen, sie bleiben meist sehr lange eine zu überwachende Herausforderung (etwa Klimakrise, Biodiversitätskrise oder auch die SARS-CoV-2-Krise). Viele Lösungen waren zu ihrer Zeit überaus hilfreich, kreierten im Laufe der Zeit jedoch neue Probleme (etwa Dampfmaschine, Verbrennungsmotor).

      Die klassische Zukunftsforschung beschränkt sich häufig auf Trendforschung, also dem Fortschreiben schon bekannter, existierender Entwicklungen. Häufig werden mit der sogenannten Delphi-Methode Expertinnen und Experten aus Technik, Politik und Sozialwissenschaften befragt, wie sie die Trendausweitung sehen. Meist wird hier allerdings sehr sektoral vorgegangen. Technologischen Trendvorhersagen mangelt es oft an der notwendigen Kombination mit soziologischen Vorhersagen, denn nur weil etwas machbar ist, wird es nicht automatisch umgesetzt. Kein Wunder, dass viele Trendvorhersagen zwar nicht grundsätzlich falsch liegen, aber eben doch gerade die Zeitabläufe der Innovationsschritte oft sehr falsch eingeschätzt werden. Und da sich viele andere, die gesellschaftliche Beachtung finden, gerne auch aus einem Bauchgefühl heraus zur Zukunft äußern, stimmen natürlich gerade solche unwissenschaftlichen, emotionalen „Glaskugelvorhersagen“ in aller Regel überhaupt nicht – gerne werden solche Beispiele auch zitiert, um Zukunftswissenschaften in Misskredit zu bringen, es gibt sogar Sammlungen solcher, auch historischer Zitate (z.B. „Zitate ganz berühmter Irrtümer“ in Hehmerin 2016). Für weitergehende Ausführungen für diese oftmals mangelhafte Zukunftskompetenz siehe ggf. auch Leinfelder 2013a, 2015, 2019, 2020b).

      Es ist damit nicht sehr verwunderlich, dass sich bei all den tatsächlichen oder auch nur gefühlten Problemlagen des persönlichen Bereichs viele nicht mit der Zukunft in einem breiteren und tieferen Aspekt beschäftigen möchten, sich mit vielfältigen Ausreden (siehe Abb. 5) aus der Verantwortung auch für die Zukunft nehmen wollen oder gar die Vergangenheit verklären und möglicherweise für die Parolen rückwärtsgewandter Gruppen oder auch verschwörungstheoretischer Propaganda aufgeschlossen sind.

      Gerade die Anthropozän-Thematik erfordert aber wegen ihrer „Alles-hängt-mit-allemzusammen“-Komplexität eine Blickwinkel-Öffnung und Offenheit für ggf. auch unerwartete Zukunftsoptionen. Zukunftskompetenz sollte sehr früh, also auf alle Fälle im schulischen Unterricht angelegt werden. Schulische Bildung kann mit dem Thema Lösungen für die Zukunft im Anthropozän eine Stärkung der fundierenden psychischen Ressourcen Selbstwirksamkeit, Genussfähigkeit und Selbstakzeptanz, bei gleichzeitiger Entwicklung der zielbildenden physischen Ressourcen Achtsamkeit und Genussfähigkeit bewirken. Dies fördert nach Hunecke (2013) durchaus auch eine Sinnkonstruktion für ein persönliches Leben (vgl. auch Leinfelder 2018 für weitere Ausführungen).

      Allerdings ergeben sich bei den wünschbaren Zukünften zwei Problemlagen:

      a) Unter Solidaritäts-, Gerechtigkeits- und ökologischen Aspekten ist nicht alles Wünschbare sinnvoll, also erdsystemverträglich, solidarisch und gerecht. Das Möglichkeitsfenster sollte insbesondere durch die Planetarischen Grenzen und die vereinbarten Nachhaltigkeitsziele der UN, bei denen alle drei Aspekte verknüpft sind (UNSDGs 2015) aufgespannt werden. Es bleibt aber immer noch sehr viel Raum für verschiedenste Pfadmöglichkeiten.

      b) Die Wunschforschung zeigt auf, dass Unbekanntes schwer wünschbar ist (siehe Helbig 2013, Fischer 2016). Um sich etwas wünschen zu können, muss dies vorstellbar sein. Dazu sollten Teilbereiche wünschbarer Szenarien einerseits ausprobiert werden, andererseits auch in ein großes Gesamtbild einfügbar sein. Dazu muss dieses narrativ erzählt oder noch besser zumindest in einer die Vorstellung anregenden Weise visualisiert werden, wozu etwa einfache Strichzeichungen oder Modelle genügen können (siehe Abschnitt 3.2.2).

      Wie könnte ein Weg in die Zukunft nur aussehen?

      Fast alle sind sich ja einig, dass der Pfad eines weiter wie bisher nicht funktioniert, Umweltkrise, soziale Ungerechtigkeiten, Ressourcenausbeutung, das geht nicht mehr lange gut. Also ja, das müssen wir ändern, bloß wie? Vielleicht sollten wir einfach dort reagieren, wo die Probleme schon ziemlich weh tun? Etwa indem wir Küstendämme höher bauen, ganze Gebiete aufgeben, bevor das Meer immer wieder über uns kommt? Oder Müll, CO2 und sonstige Verschmutzungen versteuern, weniger Essen wegwerfen, neue, an den Klimawandel angepasste Züchtungen kreieren? Dies wären einige Beispiele eines reaktiven Pfads in die Zukunft.

      Wir könnten aber auch gleich ein Leben des „weniger ist mehr“ pflegen. Nur lokale und saisonale Lebensmittel verwenden? Viel weniger Fleisch verzehren oder gleich vegan werden? Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel, die wir dann auch ausbauen müssten, statt Auto? Überhaupt viel weniger produzieren und transportieren? Diesen suffizienten Pfad finden viele gut, für andere ist er aber nur schwer vorstellbar.

      Oder können wir nicht einfach von der Natur lernen? Uns „bioadaptieren“, alles wiederverwenden, Kreislaufwirtschaft betreiben? Manche sehen hier bereits eine neue, wachstumsstarke Überflussgesellschaft kommen. Alle Ressourcen werden dann aber immer wieder verwendet, die Energie, um sie immer wieder zu zerlegen und neu zusammenzubauen, stammt dann natürlich nicht aus fossilen Quellen, Verpackungen sind kompostierbar oder gar essbar. Apropos Essen, wie wäre es für Nicht-Vegetarier mit Insekten als Nahrung? Gesund, schmackhaft, leicht züchtbar, sehr kleiner ökologischer Fußabdruck, und zwei Milliarden Menschen essen sie. Ja, unsere kulturelle westliche Prägung macht dies für viele schwer vorstellbar. Aber insgesamt hat dieser bioadaptive Pfad – wenn wir nicht gleich alle Insekten essen müssten, sondern diese vielleicht eher in der Fischzucht verwenden – viele Befürworter. Auch die Verkehrswende gehört dazu. Elektromobilität in Verbindung mit CarSharing, und natürlich insbesondere auch Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel.

      Und noch einen Pfad kann ich mir vorstellen, den Hightech-Pfad. Die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen wird in Zukunft in Städten leben. Warum lassen wir dann nicht die Natur viel stärker in Ruhe und produzieren alles, was wir brauchen, in den Städten, auch die Nahrung, etwa in Farmhochhäusern, СКАЧАТЬ