Die Sehnsucht der Kormorane. Silvija Hinzmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Sehnsucht der Kormorane - Silvija Hinzmann страница 10

Название: Die Sehnsucht der Kormorane

Автор: Silvija Hinzmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: wtb Wieser Taschenbuch

isbn: 9783990471104

isbn:

СКАЧАТЬ

      Prohaska lachte. »Keine Ahnung. Vielleicht war es nur ein Impuls, eine Mischung aus Erfahrung und Intuition. Der Polizistenblick, was weiß ich. Sie trugen dicke Goldringe und Goldkettchen, redeten wenig und wenn, dann leise, starrten auf ihre Smartphones, rauchten und schauten sich immer wieder um. Einer wippte auf dem Sessel, der andere wackelte mit dem Knie, als würde er am liebsten abhauen.«

      »Dass du dich daran erinnerst?«

      »Als der Kellner ihnen den Kaffee brachte, bat ich ihn um die Rechnung. Da kam ein Mann aus dem Lokal und setzte sich so zu den beiden, dass ich ihn genau im Blick hatte. Er hatte eine Figur wie ein Bodybuilder, hatte gerötete Augen und wirkte irgendwie aggressiv.«

      »Wieso haben die nach einem Fritz gefragt? Ich dachte, er heißt Miroslav.«

      »Das ist die kroatische Fassung von Friedrich.«

      »Ah, dann ist Miro ein Fritz? Was du so alles weißt?«, witzelte Ivo. »Und was wollten die?«

      »Das weiß ich nicht, aber so frostig, wie die sich begrüßt haben, war es kein Freundschaftsbesuch.«

      »Tja, und nun ist Miroslav H. tot.«

      Prohaska schnippte mit den Fingern. »Er hieß Haller. Die haben ihn gesiezt.«

      »Du hast ein erstaunliches Gedächtnis.«

      »Es war schon mal besser.«

      »Haller ist aber ein deutscher Name«, sagte Ivo.

      »Ja, aber Miroslav kann genauso gut Österreicher, Schweizer, Kroate oder sonst was gewesen sein. Das muss ich dir jetzt nicht erklären, oder?«

      »Nur, wenn der Herr Lehrer es wirklich möchte«, sagte Ivo und grinste. »Vielleicht waren die beiden seine Geschäftsfreunde, oder Verwandte.«

      »Keine Ahnung«, murmelte Prohaska und wusste auf einmal, dass er dieser Frage nachgehen würde, auch wenn er sich den Grund nicht erklären konnte. Aber wo anfangen? Er könnte Inspektor Giovanni Rossi fragen. Doch das wollte er lieber nicht in Ivos Gegenwart tun. Der würde sich nur unnötige Sorgen machen. »Ach, lassen wir das Thema. Was hast du über diese Firma herausgefunden, die mich engagieren wollte?«

      »Nicht viel. Wie es aussieht, sind die neu im Geschäft, wollen weltweit Ferienhäuser und Villen vermitteln, das Feinste vom Feinsten. Soll ich den Laptop holen?«

      »Das mache ich später.« Prohaska drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und stand auf. »Ich muss noch einkaufen. Danke für den Kaffee.«

      Bello flitzte in den Laden und setzte sich vor die Tür.

      »Vielleicht kannst du nachher nach Ičići fahren«, sagte Ivo, als er ihn nach draußen begleitete.

      Prohaska setzte die Sonnenbrille auf und grinste.

      »Mal sehen, ich melde mich. Ciao!«

      Acht

      Auf dem Weg zum Markt an der Valdibora kam ihm eine Gruppe asiatischer Touristen entgegen. Die Einheimischen waren stolz darauf, dass ihre Stadt zu einem Sehnsuchtsort von Menschen aus aller Welt geworden war und im gleichen Atemzug mit Rom und Venedig genannt wurde. Die Stadtführerin schwenkte ein Plastikfähnchen und lächelte Prohaska an, reflexartig wie die Menschen, die ihr folgten. Ihr Kreuzfahrtschiff wartet bestimmt im Nordhafen und schon morgen werden sie durch Venedig latschen, dachte Prohaska, als er an einer Backstube Brot kaufte.

      Auch auf dem Markt wimmelte es von Urlaubern. Sie machten Fotos oder kauften eine Kleinigkeit ein. Vor dem Eingang einer Wirtschaft standen vier ältere Männer, ihrem Aussehen nach Fischer oder Handwerker, um ein Weinfass herum und genehmigten sich ein Bier oder eine Bevanda. Die Statue der heiligen Fuma hoch oben auf dem Campanile schaute aufs Meer. Es wurde immer wärmer, der Himmel war blau und wolkenlos.

      Bello untersuchte die vielen Duftmarken am Straßenrand. Prohaska zog seine Wildlederjacke aus und legte sie über die Schulter. An einem Stand kaufte er ein Glas Honig, an einem anderen zwei Handvoll Kirschen und etwas Gemüse, und holte am Kiosk eine Tageszeitung und Tabak für Enzo.

      Auf dem Spielplatz beim Denkmal für gefallene Soldaten im Zweiten Weltkrieg sprangen Kinder herum, die Souvenirhändler boten die übliche Billigware aus Fernost feil, Möwen flogen kreischend einem Fischerboot hinterher und kreisten über den Dächern auf der Suche nach Futter. Kurz vor dem Parkplatz kam Prohaska die alte Romni entgegen, die er hier schon oft gesehen hatte. Sie war längst über siebzig, klein und zierlich. Er wusste nicht, wo sie wohnte, aber es war ihm klar, dass sie und ihre Familie nicht immer genug zu essen hatten, am Rand der Gesellschaft standen und mit Misstrauen oder auch offener Ablehnung zu kämpfen hatten. Für die Roma hatte sich in den letzten Jahrzehnten in Europa zwar einiges gebessert, sie waren offiziell eine anerkannte und gleichberechtigte Volksgruppe, aber die hartnäckigen Vorurteile und der Rassismus waren leider die alten geblieben. Und da das Betteln in der Stadt verboten war, las sie den Leuten die Zukunft aus der Hand.

      Heute war sie in Begleitung einer bildschönen jungen Frau, die einen Kinderwagen schob, in dem ein kleiner Junge döste. Bello kannte die alte Frau und fing zu kläffen an. Prohaska beugte sich zu ihm hinunter und redete auf ihn ein, still zu sein. Als er sich aufrichtete, stand die Frau vor ihm und lächelte. Die junge ging ein paar Schritte weiter, blieb stehen und widmete sich dem Kind.

      »Gute Tag, Herr Joe, wie geht’s dir?«

      Sie hatte ihm schon einmal aus der Hand gelesen und wusste, dass er an ihre Weissagungen eigentlich nicht glaubte.

      »Danke, gut, Ihnen hoffentlich auch.« Prohaska griff nach seinem Geldbeutel, aber die Frau lächelte und schüttelte den Kopf.

      »Nein, nein, du willst nicht wissen, was dir die Zukunft bringt, also kann ich auch nichts nehmen.«

      »Aber essen und trinken muss man ja trotzdem«, sagte Prohaska, zog einen Geldschein aus der Geldbörse und drückte ihn der Frau in die Hand.

      »Vergelt’s Gott.« Sie deutete mit dem Kinn zu ihrer Begleiterin. »Das ist meine Enkelin Mira und ihr Sohn Angelo.«

      Prohaska nickte der jungen Frau zu. Sie lächelte zurück und sah schnell weg.

      »Ach, die Ärmsten«, seufzte die Frau. »Sie wohnt jetzt bei uns. Es ist nicht einfach. Wir haben ja selber kaum genug, die Wohnung ist klein, alles ist so teuer, aber fürs Erste muss es gehen.«

      »Was ist denn passiert?«

      »Mira und ihr Mann haben drüben in Italien gelebt und als sie sechzehn und er zwanzig war, haben sie nach unserem Brauch geheiratet. Der kleine Angelo ist dort geboren. Ihr Mann war gut wie Brot, schön, anständig, fleißig. Er hatte eine wunderbare Stimme, spielte Gitarre zusammen mit seinen Brüdern und Onkeln bei Hochzeiten. Er war sehr beliebt, konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Und jetzt ist Mira achtzehn und leider schon Witwe.«

      »Oje, mein Beileid.«

      »Danke«, flüsterte die Frau und kam etwas näher. »Es ist so traurig. Er war Hilfsarbeiter am Bau, und ist vor zwei Monaten verunglückt.«

      Prohaska nickte, sah zu Mira, die sich von ihnen abgewandt hatte. Ihr langer Zopf fiel ihr über den schmalen Rücken bis zur Hüfte. Sie trug ein schwarzes T-Shirt und СКАЧАТЬ