Название: Rosenhain & Dschinnistan
Автор: Christoph Martin Wieland
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027225477
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Rosalie erkannte sogleich den holden Alberich, der sich mit Unterhaltung einiger Schönen, die ihn umringten, zu beschäftigen schien, aber, sobald er die Dame seines Herzens erblickte, auf sie zueilte und ihr sein Entzücken, sie hier zu finden, in den lebhaftesten Figuren und Wendungen ausdrückte. Rosalie fühlte sich unter einer Art von Zauber, dem sie nicht widerstehen konnte, vielleicht weil es ihr an – Willen zum Widerstehen fehlte. Ihr war, als ob sie nicht ganz dieselbe sei, die sie immer gewesen: sie suchte sich in sich selbst und erstaunte über die neuen Gefühle, die sich in ihr regten und ihr zwar fremd, aber zu angenehm waren, um sich ihnen nicht sorglos zu überlassen. Noch nie hatte Alberich ihr so liebreizend geschienen, nie die zärtlichen Schmeicheleien, die er ihr sagte, nur halb soviel Eindruck auf sie gemacht, und sie mußte sich Gewalt antun, um es ihm nicht auf die lebhafteste Art zu erkennen zu geben. Kein Wunder, daß der arme Hulderich (der, mit seiner gewohnten Schüchternheit, um nicht bemerkt zu werden, hinter einem mit Kränzen umwundenen Pfeiler stand und ganz in ihrem Anschauen verloren schien) kaum eines von ungefähr sich zu ihm verirrenden flüchtigen Blicks gewürdiget wurde.
Eine durch den Saal erschallende und zum Tanz einladende Musik stimmte sie plötzlich auf einen andern Ton. Sie ergriff Alberichs Arm und flog mit der Leichtigkeit einer Nymphe, kaum den Boden berührend, durch den Saal mit ihm dahin. Ermüdet sanken sie endlich auf die weichen, hoch aufgeschwellten Polster, womit eine von reichen Tapeten schimmernde Estrade belegt war. Die blendende Beleuchtung des Saals verlor sich in ein allmählich immer matter werdendes Dämmerlicht und die rauschende Musik in die sanft verschwebenden Töne eines sich selbst immer leiser nachahmenden Echo. Rosalie erschrak, da sie sich plötzlich mit Alberichen allein und von einem seiner Arme umschlungen sah. Vergebens suchte sie sich von ihm loszuwinden, als plötzlich eine große, majestätische Frau, mit einer kleinen goldnen Krone auf ihrem zusammengeflochtnen Haar und einem schwarzen Stäbchen in der Hand, vor ihnen stand. »Folge mir, Rosalie«, sagte sie, Alberichen mit ihrem Stabe berührend. Sogleich schwand er aus Rosaliens Augen, und sie stand auf und folgte der Dame.
Eine große elfenbeinerne Pforte tat sich vor ihnen auf. »Gehe vorwärts«, sagte die Feenkönigin; »entsetze dich vor nichts, das dir begegnen wird, und vertraue auf meinen Beistand.« Sowie Rosalie über die Schwelle der elfenbeinernen Pforte geschritten war, fuhr ihr die Fee mit leiser Hand über das Gesicht und verschwand. Eine kaum sichtbare Flamme, die aus der Hand der Fee zu fahren schien, verbreitete auf einen Augenblick eine fliegende Hitze über ihr ganzes Gesicht; aber alle ihre Sinnen beruhigten sich, und sie glaubte sich auf einmal selbst wiedergefunden zu haben, wiewohl sie eine kleine Weile in die dickste Finsternis eingehüllt stand. Sobald diese verschwunden war, sah sie sich wieder auf eben der Stelle des Gartens, wo ihr die Fee mit den goldnen Haaren erschienen war.
Von einer seltsamen Mattigkeit befallen, warf sie sich auf die nächste Bank, als sie Alberichen ganz nahe vor ihr vorbeigehen sah. Er schielte einen flüchtigen Blick auf sie und ging vorüber. Rosalie rief ihn zurück. »Was wollen Sie meiner?« fragte er.
»Welche Frage! Wer bin ich denn? Seit wann kennen Sie mich nicht mehr, Herr Alberich?« – Alberich erschrak itzt, da er sie genauer ansah, so heftig, daß er die Sprache nicht gleich wiederfinden konnte.
»Verzeihen Sie, Fräulein«, stammelte er endlich in größter Verwirrung; »ich muß bezaubert sein – ich höre Ihre Stimme, ich sehe Ihre Gestalt, Ihre Kleidung; aber Ihr Gesicht ist so wenig Ihr eigenes, daß ich zehnmal bei Ihnen hätte vorbeigehen mögen, ohne Fräulein Rosalie von Eschenbach in Ihnen zu erkennen.«
»In der Tat, Herr Alberich, Sie sind bezaubert – oder etwas noch Schlimmeres. Vor wenigen Minuten sagten Sie mir noch die schmeichelhaftesten, zärtlichsten Sachen von der Welt... Was ist mit Ihnen vorgegangen? Ich besorge sehr, es steht nicht ganz mit Ihnen, wie es sollte, Herr Alberich!«
»Ich fürchte vielmehr...«, sagte dieser hielt aber plötzlich inne. »Beim Himmel, Fräulein, es ist etwas Unbegreifliches in dieser Sache«, fuhr er fort, indem er einen kleinen Taschenspiegel hervorzog und ihr hinreichte; »aber sehen Sie selbst, und Sie werden mir Gerechtigkeit widerfahren lassen.«
Rosalie blickte in den Spiegel und erschrak nicht viel weniger als Alberich; denn die Spuren, die der elektrische Schlag, so sie von der Fee empfangen, zurückgelassen hatte, waren in der Tat auffallend. Alle Lilien und Rosen ihres Gesichts waren verschwunden, und statt eines Paars holdseliger Grübchen, die ihrem Lächeln einen unwiderstehlichen Zauber gegeben hatten, waren ihre feinen Gesichtszüge von einer Menge tiefer, Pockengruben ähnlicher Furchen und braunroter Flecken so entstellt, daß ein Liebhaber wie Alberich wirklich zu entschuldigen war, wenn er sie auf den ersten Blick für eine andre ansah. Aber es sei nun, daß das Wort der Feenkönigin ihr wieder zu Sinne kam oder daß, durch eine natürliche Täuschung der Eigenliebe, auch die Häßlichste sich selbst immer schöner vorkommt als alle andern Menschen – genug, Rosalie faßte sich sogleich wieder und sagte zu Alberich, indem sie ihm seinen Spiegel zurückgab: »Wenn Ihr Spiegel mich nicht verleumdet, so ist in der Tat etwas mit mir vorgegangen, das ich nicht begreife. Aber Sie, Herr Alberich, Sie, der mir vor wenig Augenblicken noch die feurigste Liebe zuschwor, der mich mit den Augen der Liebe sehen sollte, Sie hätten diese Veränderung gar nicht gewahr werden sollen.«
»Ich verstehe Sie nicht, gnädiges Fräulein«, erwiderte Alberich, der sie mit immer größerer Bestürzung anglotzte, weil er sich in dem Gedanken bestätigt sah, daß ihr Kopf bei dieser unerklärbaren Verwandlung gelitten haben müsse; »erlauben Sie, daß ich zu einem Arzt eile, der hier, wie es scheint, ganz allein Rat schafften kann.« – Mit diesen Worten entfernte sich der getreue Schäfer, so schnell er konnte, nicht um einen Arzt aufzusuchen, sondern sich in der Stille mit sich selbst zu beraten, was für einen Entschluß er bei diesem seltsamen Unfall zu nehmen habe.
Das Fräulein hatte ihn kaum aus den Augen verloren, so kam Hulderich (den die alte Dame seit kurzem zum Aufseher über ihre Gärten bestellt hatte), mit einem prächtigen Blumenstrauß in der Hand, von einer andern Seite heran und schien einen Augenblick zweifelhaft, ob er sich nähern und Rosalien die Blumen, die er alle Morgen für sie zu pflücken pflegte, selbst überreichen oder (nach bisheriger Gewohnheit) durch ihr Mädchen auf ihren Putztisch legen lassen sollte.
Sobald ihn Rosalie erblickte, erinnerte sie sich der Stellung, worin sie ihn im Palast der Feenkönigin gesehen, und befahl ihm in einem freundlichen Tone, näher herbeizukommen. Ein milder, gütiger Blick schien ihm die Erlaubnis zu geben, ihr seine Blumen selbst zu überreichen, und er tat es mit einer so ehrerbietigen und bescheidenen Art, daß sie ihm, in der Stimmung, worin sie war, beinahe Dank dafür wußte. Der Schleier, den sie über ihren Kopf gezogen hatte, ließ von ihrem Gesichte wenig mehr als die Augen sehen, und der einzige Blick, den der bescheidene Jüngling zu ihr zu erheben gewagt hatte, entdeckte ihm nichts an ihr, was ihn hätte befremden können. Aber itzt schlug das Fräulein den Schleier zurück, sah ihm scharf ins Gesicht und sagte: »Wir sind alte Bekannte, guter Hulderich; betrachte mich wohl und sage mir, wie ich dir vorkomme.« – »Sie haben, wie ich sehe, während ich von Eschenbach abwesend war, die Blattern gehabt, gnädiges Fräulein; gottlob! daß es so glücklich abgegangen und daß Ihre schönen Augen nichts dabei gelitten haben!«
»Rede, wie dir's ums Herz ist; du findest mich also nicht so gar häßlich?«
»Häßlich?« rief Hulderich. »Das verhüte der Himmel, gnädiges Fräulein! In meinen Augen können Sie nie häßlich werden, das ist unmöglich.« – Er wurde feuerrot, wie dies Wort über seine Lippen gekommen war, weil er fürchtete, etwas gesagt zu haben, das ihm nicht gezieme.
Rosalie dankte ihm für seine Blumen und seinen guten Willen gegen sie und entließ ihn mit einem Lächeln, wobei ihm war, als ob sich der Himmel auftue und aus jeder Grube ihres Gesichts ein Engelsköpfchen hervorlächle.
Das Fräulein kehrte ins Schloß zurück, СКАЧАТЬ