Название: Lebensborn e.V. - Tatsachenroman
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726444735
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Auf einmal ist ihm noch kälter. Jetzt erst wird ihm bewußt, wie dicht er am Ende vorbeigegangen ist.
Am Morgen kommt ein Mistfuhrwerk. Der junge Oberleutnant ruft den Bauern an. Der Mann hält erschrocken, hilft dann dem Verletzten beim Aufsteigen. Geschafft, denkt Klaus. Mit vereinten Kräften kommt er über den Eingang der Mairie, findet ein Telefon, lacht schon wieder.
Nach einer Stunde endlich ist der Adjutant Hauptmann Albrecht in der Leitung.
»Mensch, Sie leben!« brüllt er, stellt die Ortschaft fest. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich schicke Ihnen einen Wagen.«
So fein ist die Luftwaffe noch im Herbst des Jahres 1941.
150 Kilometer sind es zum E-Hafen. Und jeden von ihnen spürt Klaus in seinem Bein. Ein französischer Zivilarzt hat ihn untersucht und verbunden. Es ist eine handfeste Stauchung, weiter nichts. Der Oberleutnant rechnet sich aus, daß er in vierzehn Tagen schon wieder fliegen kann.
Die Kameraden haben seine Rückkehr ins Leben bereits gefeiert. Am nüchternsten wirkt noch der Kommodore, der am meisten getrunken hat. Er klopft Steinbach auf die Schulter.
»Freut mich«, sagt er, »freut mich ganz außergewöhnlich!«
Neben ihm steht der Adjutant.
»Helfen Sie mir doch . . .«, wendet sich Berendsen an ihn, »da war doch etwas mit Steinbach . . . oder?«
»Ja«, erwidert Hauptmann Albrecht, »Lebensborn . . .«
Der Geschwaderchef setzt sich auf einen Stuhl neben Klaus.
»Hören Sie mal«, beginnt er, »wie groß sind Sie?«
»Einen Meter zweiundachtzig.«
»Prima . . . HJ?«
»Ja.«
»Führer?«
»Gefolgschaftsführer, Herr Oberstleutnant.«
»Partei auch?«
»Selbstverständlich, Herr Oberstleutnant.«
»Noch ’ne Gliederung?«
»Ja . . . NS-Fliegerbund.«
»Na, Mensch. Sie sind in allem drin . . . da kommt’s Ihnen doch auf einen Haufen mehr oder weniger nicht mehr an?«
»Wie meinen Herr Oberstleutnant?«
»Es wird ein überzeugter Nationalsozialist gesucht . . . schön«, fährt der Kommodore grinsend fort. »Aber er muß auch noch groß und blond und was weiß ich sonst noch sein . . . Wollen Sie, Steinbach?«
»Zu Befehl, Herr Oberstleutnant.«
»Quatsch, nicht Befehl . . . freiwillig müssen Sie sich melden!«
»Ich melde mich selbstverständlich freiwillig, Herr Oberstleutnant.«
»Das klingt prima . . . und jetzt trinken Sie einen, und unterschreiben Sie den Wisch.«
Der junge Oberleutnant, der darauf brennt, sich für Führer, Volk und Vaterland zu bewähren, tut beides.
Er unterschreibt die Beitrittserklärung zum Lebensborn.
Er ahnt nicht, daß er einen Blankoscheck für sein eigen Fleisch und Blut ausstellt . . .
Die Mädchen schufteten im Trainingsanzug. Sie hatten am Vortag der Besichtigung die Baracken zu scheuern. Sie taten es mit viel Wasser und ebensoviel Hysterie. Die Größe der Zeit machte es erforderlich, daß sie marschierten, schrubbten und sangen. Im gleichen Schritt und Tritt . . .
Am Abend tobte die Lehrgangsleiterin beim Appell, weil noch ein Müllkübel nicht geleert und ein Führerbild nicht abgestaubt war. Hundert Jungführerinnen des weiblichen Reichsarbeitsdienstes standen vor den Spinden der Führerschule und beeilten sich, in ihren Gesichtern Schuld auszudrücken. Denn sie verwechselten die Angst ihrer Chefin vor der Besichtigung mit eigenem Versagen.
Unter ihnen war die blonde Doris Korff. Sie kam vor vier Monaten zum RAD. Die ungelüfteten, engen Stuben der Baracke hatten sie den Blumenduft in der weitläufigen Villa ihrer Eltern längst vergessen lassen. Nicht ungern, denn Doris hatte das Leben der väterlichen Wohlhabenheit bereitwillig mit der Stunde der Bewährung vertauscht. Klaus stand an der Front, also hatte sie sich an eine andere Front zu begeben. Das war ihre einfache, gerade Überzeugung. Der Vater hatte vergeblich versucht, sie davon abzubringen. Aber die eigene Mütter bestärkte sie. Mit Stolz in den Augen hatte Frau Direktor Korff auf einem ihrer politischen Tees den Kränzchenfreundinnen mitgeteilt, daß ihre einzige Tochter Doris nun auch dem Vaterlande diene.
Mit Besenstiel, Unkrauthacke und Kartoffelmesser . . .
Doris schwang den Besenstiel, als wäre er ein Tanzpartner. Sie trug das grobe, braune Tuch wie eine elegante Abendrobe. Sie jätete so verbissen Unkraut, als gelte es, Deutschlands Feinde auszumerzen. Sie verdarb sich die Hände und verschnitt sich die Frisur. Sie verzichtete auf Parfüm und gewöhnte sich an den Mief. Sie wollte kein Mädchen sein, sondern eine Maid. Für Führer, Klaus und Vaterland . . .
Nach zwei Monaten schon war ihr Eifer aufgefallen. Nach vier wurde er belohnt. Man ernannte Doris außer der Reihe zur Jungführerin. Dann beorderte man sie auf die Führerschule. Sonderlehrgang. Und morgen sollte die Besichtigung sein. Keineswegs die erste, und noch lange nicht die letzte. Denn die Kommissionen waren an der Barackenordnung . . .
Erst spät in der Nacht gab sich die Lehrgangsleiterin mit dem Zustand des Lagers für den großen Tag zufrieden.
»Na, nun bin ich aber mal gespannt, was für nette Onkels uns morgen bekieken werden«, sagte Erika, eine der beiden Stubenkameradinnen von Doris, und verschränkte dabei die Arme über dem karierten Kopfkissen.
Lotte, die andere, lag still und steif in ihrem Bett.
»Ich bin müde«, sagte Doris, »nun macht endlich das Licht aus.«
»Immer so ’n Theater«, brummelte Erika, »muß das ganze Lager kopfstehen, bloß weil da ein paar Heinis kommen. Und was wolln sie besichtigen? Nichts anderes als unsere Beine . . . Ist doch jedesmal dasselbe.«
Lotte setzte sich steil in ihr Bett. Sie trug die Gretchenfrisur zur Nacht aufgesteckt, als hätten die alten Germanen die Haarnadeln erfunden.
»Ich verbitte mir das!« schrie sie ihre beiden Stubengenossinnen an, »daß ihr so . . . so gemein über unsere Führer sprecht . . .«
Die Besichtigung am änderen Tag verlief ungefähr so, wie es Erika vorausgesagt hatte. Ungefähr.
Dieses Mädchen bewies überhaupt einen Sinn fürs Praktische. Erika war nicht aus Begeisterung zum RAD gegangen, sondern aus Mangel an Begeisterungsfähigkeit. Sie hielt СКАЧАТЬ