Название: Neuer
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783730702307
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Als Manuel Neuer zehn Jahre alt ist, befürchtet Peter Neuer, dass sein Sohn unter den Bedingungen „auf Schalke“ nicht richtig vorankommt, weshalb er einen Übungsleiterkurs absolviert. Doch der Vater muss nicht selber ran, denn die Verhältnisse ändern sich, und qualifizierte Kräfte übernehmen das Training.
Bodo Menze heißt der Mann, unter dem es nun schrittweise besser wird. Menze, Jahrgang 1953, ist ein waschechter Schalker, sein Elternhaus stand im Stadtteil Schalke, die alte Glückauf-Kampfbahn war in Sichtweite. Menze ist seit seinem elften Lebensjahr Mitglied des Vereins und spielte dort in mehreren Jugendmannschaften. Anschließend studierte er Französisch und Sport und absolvierte an der Sporthochschule in Köln eine Ausbildung zum Fußballlehrer. Er wurde Trainer beim Fußballverband Niederrhein, doch 1991 holt ihn der damalige Schalker Präsident Günter Eichberg zurück in die Heimat. Fortan professionalisiert Menze die Strukturen der Schalker Nachwuchsarbeit und verpflichtet hauptamtliche Trainer: ehemalige königsblaue Profis wie Manfred Dubski und Norbert Elgert und den ehemaligen Herner Zweitligatorwart Lothar Matuschak, der nun die jungen Keeper der Königsblauen ausbildet. Menze ist auch einer der beiden Väter der Kooperation zwischen dem Verein und der Gesamtschule „Berger Feld“; der zweite ist deren Schulleiter Georg Altenkamp. Er leitet bis zum Januar 2014 das später etablierte Nachwuchsleistungszentrum des Vereins, das seit 2012 unter dem Namen „Knappenschmiede“ firmiert. Dass Schalke 04 heute in puncto Ausbildung zu den führenden Klubs in Deutschland gehört, ist ganz wesentlich das Verdienst von Bodo Menze.
„Trainer, lass mich auch mal vorne spielen“
Es gibt Kinder, die wollen nur im Tor stehen. Die wollen gar nicht im Feld spielen und hinter dem Ball herlaufen. Noch heute sind es manchmal die Großen und die Dicken, die schon im frühesten Alter im Tor landen. Und dann auch dort bleiben. Wenn sie mal mitspielen wollen, lassen die Trainer dies nicht zu.
Leider kann man dies auch noch heute beobachten. Ein Samstagmorgen irgendwo im Münsterland. Auf einem gediegenen Rasenplatz stehen sich zwei U9-Mannschaften gegenüber. Die Sonne scheint, die Temperatur liegt schon bei über 20 Grad. Aber im Tor steht ein kleiner Wicht, der gekleidet ist, als ginge es in den Schnee hinaus. Lange, gepolsterte Hose (trotz des Rasens), langärmeliges, gepolstertes Trikot, Mütze auf dem Kopf. Ein Torwart in einer Ritterrüstung, die seine Bewegungsfreiheit einschränkt. Schon von seiner Kleidung her ein Sonderling in seinem Team, kein richtiger Spieler. Während seine Mannschaft am anderen Ende des Spielfelds einen Eckstoß ausführt, bewacht der kleine Ritter die eigene Torlinie. Der Trainer lehnt am Pfosten und macht keinerlei Anstalten, ihn dazu aufzufordern, doch mal 15 Meter nach vorne zu gehen. Damit er Konter ablaufen kann. Damit er am Spiel teilhaben kann. Macht so etwas einem echten Fußballer auf die Dauer Spaß?
Manche begnügen sich damit. Viele nicht. Und haben irgendwann keine Lust mehr auf die Bude. Sie sind es leid, wenn die zuschauende Mutti den 10:0-Sieg mit den Worten kommentiert: „Du hattest ja gar nichts zu tun!“ Sie hätte auch sagen können: Du hast zum Sieg deiner Mannschaft nichts beigetragen. Einige hören dann irgendwann auf. Oder sie wollen ins Feld, um Teil des Spiels zu werden. Hier hinken sie nun aber den anderen hinterher, weil sie im Training bisher nur ins Tor durften. Höhepunkt der Bewegung war dort das zehnminütige Torschusstraining.
Der kleine Neuer gehört zu den Keepern, die sich nicht ans Tor ketten lassen wollen. Denen es nicht ausreicht, die Schüsse der anderen zu parieren, so schön das Fliegen zwischen den Pfosten auch sein mag. Neuer will auch im Feld spielen. „Trainer, lass mich auch mal vorne spielen“, bettelt er bei Siggi Hüneborn. Zum Ende der Saison spielt die Schalker E-Jugend beim Konkurrenten Beckhausen 05. Zur Halbzeit führen die kleinen Knappen mit 2:0. Neuer hat keine Lust mehr, beschäftigungslos im Kasten zu stehen. Hüneborn hat ein Erbarmen und lässt ihn ab Mitte der zweiten Halbzeit im Feld spielen. „Er wollte doch unbedingt auch mal ein Tor schießen. Das mit dem Tor wurde an diesem Tag aber leider nichts.“
Siggi Hüneborn verliert mit der Zeit die Lust am Mannschaftstraining. Nicht zuletzt wegen der überehrgeizigen (aber häufig ahnungslosen) Väter und Mütter am Spielfeldrand: „Ich hatte von den Eltern die Nase voll.“ Hüneborn erinnert sich an ein Spiel, wo er den Libero, den es damals noch gab, anwies, sich weiter nach vorne zu orientieren. „Schließlich hatten wir den Manu im Tor.“ Irgendwann stand der Junge heulend da und wusste nicht mehr, was er machen sollte. Denn von der Seitenlinie aus erteilte ihm sein Vater die Order, gefälligst hinten zu bleiben. Der Junge kam völlig von der Rolle: „Du sagst, ich soll nach vorne gehen – mein Papa sagt, ich soll hinten bleiben.“
Training auf der „Alm“
Gemeinsam mit Peter Schreiner, ebenfalls Jugendtrainer und Autor mehrerer Fachbücher, entwickelt Siggi Hüneborn die Idee, ein regelmäßiges Torwarttraining für die E- und D-Junioren anzubieten. „Ehrenamtlich. Ein spezielles Torwarttraining gab es damals in diesen Altersklassen noch nicht. Es war das erste Mal überhaupt, dass auf Schalke auch schon die ganz jungen Torhüter außerhalb des Mannschaftstrainings trainiert wurden.“
Hüneborn sattelt um auf Torwarttrainer, so dass Neuer auch in den folgenden beiden Jahren sein Schüler bleibt. Man trainierte auf der „Alm“ am Parkstadion; so wird ein kleiner Grashügel genannt, der an den Parkplatz hinter der Haupttribüne angrenzt und auf dem nun zwei Tore aufgestellt werden. In dieser Ecke wurde ansonsten wild gepöhlt. Hüneborn: „Die kleine Wiese haben wir immer nur ,die Alm‘ genannt, weil sie einen Anstieg hatte. Vor dem Beginn des Trainings mussten die Jungs erst einmal die Scherben der zerdepperten Cola-Flaschen auflesen.“ Hüneborn nimmt sich zweimal pro Woche die jungen Keeper vor. Mit dem Bau der Arena und dem angeschlossenen Trainingszentrum verschwinden später der Parkplatz und die „Alm“. Hüneborn trainiert auch schon mal unkonventionell. So setzt er einen Rugbyball ein. Dieser muss einmal aufsetzen, bevor ihn die Jungs fangen dürfen. Anders als der kugelrunde Fußball verändert das Rugby-Ei dabei seine Richtung – in einer Weise, die nicht vorhersehbar ist. Dadurch wird die Reaktion geschult. Auch Tennisbälle kommen zum Einsatz. Außerdem trainiert Hüneborn oft Eins-gegen-eins- und Zweigegen-zwei-Situationen, je nach Anzahl der Keeper, die ihm zur Verfügung stehen.
„Ein Juwel“
Immer dabei: Mutter Marita und ihr Vater Wilhelm Leitheiser, Manuel Neuers „Opa Willi“, die den kleinen Manuel zum Training chauffieren. Hüneborn: „Ihr Auto war neben meinem das einzige auf dem Parkplatz.“
Wilhelm Leitheiser war Bauleiter bei der Bundesknappschaft und ist nun ein rüstiger Rentner, der im Alter von 73 Jahren erstmals nach einem Arzt ruft. Opa Willi spielt eine wichtige Rolle im Leben des jungen Manuel Neuer. Er ist ein kluger und witziger Erzähler, wie er 2014, da ist er schon 89, bei einem öffentlichen Talk mit dem „Ruhr Nachrichten“-Chefredakteur Hermann Beckfeld eindrucksvoll demonstriert. Manuel Neuer hat seine schelmische Art wohl vom Opa Willi geerbt.
Manuels Eltern Peter und Marita besuchen jedes Spiel ihres Sohnes, bei Auswärtsturnieren mit dem Wohnmobil. Als Siggi Hüneborns Mannschaft 1995 an einem großen Pfingstturnier im münsterländischen Rheine teilnimmt, reist der Trainer schon einen Tag früher an. „Ich hatte Freunde in Rheine.“ Auch die Neuers sind mit ihrem neunjährigen Sohn schon vor Ort, was Hüneborn aber nicht weiß. „Als ich mir abends schon mal den Sportplatz angeschaut habe, sprang plötzlich ein kleiner СКАЧАТЬ