Neuer. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: Neuer

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783730702307

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СКАЧАТЬ die besseren Gegenden eher im Süden der Städte befinden, ist es in Gelsenkirchen wie auch im Rest der Emscherzone umgekehrt. Dort bilden Emscher und Rhein-Herne-Kanal eine soziale und geographische Binnengrenze. Die schon ins Münsterland übergehenden Gebiete nördlich davon gelten als „besser“. Hier liegt auch Buer, das zwar nicht vergleichbar ist mit den gediegenen Gegenden im Süden Essens und Dortmunds und schon gar nicht mit München oder Monaco. Aber Buer ist anders als andere Stadtteile Gelsenkirchens.

      Ursprünglich war es ein altes südmünsterländisches Handwerker- und Bauerndorf, das über eine gewisse Tradition der Selbstverwaltung und damit auch über ein tradiertes lokales Selbstbewusstsein verfügte. Buer wäre vermutlich noch heute ein unbedeutendes Dorf, wenn der Bergbau im 19. Jahrhundert nicht auch das Gebiet nördlich der Emscher erfasst hätte. Schon 1858 hatte der irische Unternehmer William Thomas Mulvany die erste Gelsenkirchener Zeche „Hibernia“ (lateinisch für „Irland“) abgeteuft, und innerhalb von 20 Jahren war das gesamte Gebiet südlich der Emscher bergbautechnisch erschlossen. Zu Beginn dieser Industrialisierung war Gelsenkirchen noch ein kleines Dorf, ebenso wie die angrenzende Gemeinde Schalke, wo die Zeche „Consolidation“ entstand, die 50 Jahre später für den FC Schalke 04 eine wichtige Rolle spielen sollte.

      Nördlich der Emscher begann der Bergbau später, weil dort das Deckgebirge über der Kohle und damit auch die Abbaukosten höher waren. Als erste nahm 1875 Zeche „Hugo“ in Beckhausen ihren Betrieb auf, und bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden in den bislang kaum besiedelten Bauernschaften rund um Buer weitere Schachtanlagen. Um die Arbeiter unterzubringen, wurden Wohngebiete hochgezogen. Daraus entwickelten sich die Orte Hassel, Resse, Erle, Beckhausen, Schaffrath und Scholven, die sich fortan wie Satelliten um die „Sonne“ Buer, dem heutigen Stadtteil Buer-Mitte, gruppierten. Ab 1911 nannte sich das ganze Gebilde stolz „Buer in Westfalen“.

      In Buer-Mitte selbst wurden keine Zechen oder andere Industrieanlagen errichtet, so dass es im Gegensatz zu seinen überwiegend proletarisch geprägten Ortsteilen seinen Charakter als kleinbürgerlich geprägte westfälische Kleinstadt erhalten konnte. In keinem anderen Teil Gelsenkirchens ist der westfälische Pohlbürger mit seiner konservativen Mentalität so stark vertreten. Als der Ort 1928 mit der Stadt Gelsenkirchen und der Gemeinde Horst-Emscher zur neuen kreisfreien Stadt Gelsenkirchen-Buer zusammengelegt wurde, steuerte Buer fast 100.000 Bürger bei, ein Drittel der neuen Einwohnerzahl, dennoch wurde schon zwei Jahre später der Städtename auf „Gelsenkirchen“ reduziert. Im Boom der Nachkriegszeit erreichte Gelsenkirchens Einwohnerzahl 1959 mit 391.745 den historischen Höchststand. Mit dem Niedergang der Montanindustrie begann die Bevölkerung zu schrumpfen, bis heute um mehr als ein Drittel auf ca. 256.000.

       Eine bipolare Stadt

      Buer-Mitte hatte unter den städtebaulichen Sünden der Industrialisierung wie auch unter den Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs weniger zu leiden als das übrige Gelsenkirchen. Bis heute ist der Stadtteil umgeben von kleineren Waldgebieten und sogar von Ackerland. Es gibt Grünzonen und Parkanlagen mit Teichen und Seen, sogar eine Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert mit französischem Schlossgarten. Und auch die Hinterlassenschaften der längst geschlossenen Zechen fügen sich mittlerweile in dieses Bild. Die Abraumhalde Rungenberg der Zeche Hugo ist begrünt und ein Naherholungsgebiet. Zu Füßen des Rungenbergs liegt die alte Arbeitersiedlung Schüngelberg, die 1989 denkmalgerecht saniert wurde.

      Frank Baranowski, der sozialdemokratische Oberbürgermeister Gelsenkirchens, spricht von einer bipolaren Stadt: „Wir sind heute eine Großstadt, die aus zwei Großstädten mit ihren jeweiligen Stadtteilen entstand und eben über zwei Zentren verfügt. (…) Gerade Buer war und ist dabei in unserer Stadt immer ein Teil gewesen, mit dem sich die Bewohner besonders identifiziert haben. Und Buer hat sich seinen kleinteiligen Kern bewahren können – das macht es attraktiv für viele Besucher. Hinzu kommen die zahlreichen Einzelhandelsgeschäfte und der Markt: Buer ist eine sehr geschätzte Einkaufsstadt.“

      Was er nur verklausuliert umschreibt, ist die Tatsache, dass der Gelsenkirchener Süden noch heute proletarischer geprägt und sozial schwächer ist, wogegen im Raum Buer und insbesondere in Buer-Mitte ein Großteil der Besserverdienenden, des Mittelstandes und der Lehrerschaft wohnt. Während Gelsenkirchen südlich des Rhein-Herne-Kanals Bevölkerung verliert, ist Buer und besonders Buer-Mitte noch ein Gebiet, wo Wohnungen und Häuser gesucht werden.

      „Buer in Westfalen“ sagen manche Bueraner noch heute gerne. Manche antworten, wenn man sie nach ihrer Herkunft fragt, nicht mit „Gelsenkirchen“ oder wenigstens „Gelsenkirchen-Buer“, sondern nur mit „Buer“. Für Gelsenkirchener Verhältnisse – aber auch nur für diese – gelten die Bueraner deshalb als etwas dünkelhaft. Aber Buer ist wirklich nur das Monaco Gelsenkirchens.

       Die Wurfkraft des Vaters

      Buers soziale Vielschichtigkeit manifestiert sich auch im Fußball. Der SSV Buer 07/28 ist ein eher bürgerlicher Verein und das Resultat einer 1964 erfolgten Fusion von Ballspielverein Buer 07 – kurz: BVB (!) 07 – und den Sportfreunden Buer 1928. Der BVB 07 war eine Anlaufadresse fußballbegeisterter Bueraner Gymnasiasten, die Sportfreunde gehörten zur katholischen Sportbewegung DJK. Der Stadtteilrivale Spvgg. Westfalia war hingegen ein Zechenverein.

      Auch Manuels Vater Peter Neuer spielte Fußball, allerdings in keinem der Buerschen Vereine. Bis 1979 lebte er noch in der südlich am Hauptbahnhof anschließenden Gelsenkirchener Neustadt und spielte dort in der Jugend von Eintracht Gelsenkirchen, deren Heimat das Südparkstadion war. Die Eintracht war einige Jahre hinter Schalke der zweite Verein in der Stadt. In den 1960ern und 1970ern spielte der Klub acht Jahre in der Regionalliga West, der damals zweithöchsten Spielklasse. Letztmalig in der Saison 1973/74, in der man die Qualifikation für die neue 2. Bundesliga verpasste, trotz vorausgegangener Fusion mit der STV Horst-Emscher zum STV Eintracht Gelsenkirchen-Horst. Aus der Eintracht gingen eine Reihe späterer Bundesligaspieler hervor, u. a. Heinz Hornig, der mit dem 1. FC Köln 1964 erster Bundesligameister wurde, Willi Koslowski, genannt „der Schwatte“, der in der Bundesliga für Schalke und Rot-Weiss Essen vor den Ball trat und auch in die Nationalelf berufen wurde, Hans Nowak, der mit dem FC Bayern München 1966 den DFB-Pokal und ein Jahr später den Europapokal der Pokalsieger gewann. Und Jürgen Rynio – ein guter Keeper, der aber das Pech hatte, dass er viermal aus der Bundesliga abstieg: mit dem Karlsruher SC (1968), dem 1. FC Nürnberg (1969), Borussia Dortmund (1972) und dem FC St. Pauli (1978).

      In der Eintracht-Jugend kommt Peter Neuer allerdings nie über die 2. Mannschaft der jeweiligen Altersklasse hinaus. Zwischenzeitlich spielt er auch mal in der Jugend bei Schalke. Im Seniorenalter tritt er für Schwarz-Weiß Neustadt vor den Ball. Dort wechselt er nach einiger Zeit jedoch die Sportart: Statt Fußball spielt er nun Handball. Peter Neuer besitzt auch leichtathletische Qualitäten. Als Zehnjähriger wirft er den Schlagball fast 50 Meter weit und landet beim Weitsprung bei etwas über vier Metern – die weiten Abwürfe und die Sprungkraft seines Sohnes Manuel kommen einem da in den Sinn.

       Mit zwei Jahren den ersten Ball

      Es ist schon früh erkennbar, dass Manuel Neuer im Umgang mit dem Ball Talent besitzt. Mit zwei Jahren bekommt Manuel seinen ersten Fußball geschenkt. Er selber erzählt später dem „FAZ“-Journalisten Michael Horeni von seiner frühen Fußballbegeisterung: „Selbst beim Sonntagsspaziergang mit der Familie habe ich den Ball immer dabeigehabt. Das machst du doch normal nicht, wenn du mit fünf, sechs Jahren schon dreimal die Woche trainierst, auf dem Schulhof in den Pausen spielst und dann noch zum Tennis gehst. Als Kind denkst du aber nicht so. Da macht man, was einem Spaß macht. Ich war besessen davon. Ohne Ball konnte ich nirgendwo hingehen. Auch zum Skifahren habe ich den Ball mitgenommen, selbst im Tiefschnee musste mein Vater mit mir Fußball spielen.“

      Auf dem Bolzplatz steht СКАЧАТЬ