Название: Neuer
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783730702307
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1991, kurz vor seinem fünften Geburtstag, wird Neuer bei den Bambini-Kickern von Schalke 04 angemeldet. Zuvor schwankte man zwischen dem SSV Buer und Schalke – am Ende gewinnen die „Knappen“. Die Buerer Westfalia war für die Eltern keine Option. Dass Schalke dem SSV Buer vorgezogen wird, hat einen einfachen Grund: Beide Eltern sind Fans der Königsblauen. Bei Schalke 04 wird Manuel Neuer nun insgesamt 20 Jahre verbringen.
Dass er bei Schalke im Tor landet, ist nicht seine Entscheidung. „Ich wollte zunächst vorne mitspielen, Tore schießen. Als meine Eltern mich mit vier Jahren zu den Schalker Bambinis brachten, fehlte dort natürlich erst einmal der Torwart. Alle Kinder wollen spielen, nicht hinten rumstehen. Also musste der erste Doofe rein. Weil ich es dann ganz gut gemacht habe, kam ich nicht mehr raus.“ Aber das „Mitspielenwollen“ wird man ihm nicht austreiben.
Seinen ersten Auftritt hat Neuer im Alter von knapp fünf Jahren bei einem Mini-Kicker-Hallen-Turnier im benachbarten Herten-Westerholt. Bei YouTube kann man davon ein Video anschauen: Die Kleinen spielen auf Handballtore, Neuer hütet seinen Kasten in einem langärmeligen Torwarttrikot und langer, gepolsterter Hose, in der er etwas unbeweglich wirkt. Ein Knäuel von Spielern kämpft vor seinem Tor um den Ball. Der vermutlich Beste von ihnen setzt sich durch und schiebt den Ball in die linke untere Ecke des Tores, in die Manuel vergebens „abtaucht“. Der Kleine macht den Fehler, dass er zu lange auf der Linie kleben bleibt, anstatt dem Schützen den Winkel zu verkürzen. So aber ist er chancenlos. Anschließend steht er mit hängenden Armen und zu einem Pfosten gewandt auf der Linie seines Tores und weint. Das Spiel ist abgepfiffen, aber Neuer rührt sich nicht. Ein Betreuer kommt, holt den Kleinen aus seinem Tor und versucht ihn zu trösten. Ohne Erfolg, weshalb ein Zweiter herbeieilt. Man führt den kleinen Manu zum Mittelkreis, aber dann fällt ihm ein, dass er den großen Teddy, das Maskottchen der Mannschaft, im Tor hat liegen lassen, und er läuft zurück, um ihn zu holen. Immerhin dabei zeigt er einen lockeren, leicht federnden Laufstil, der schon an den heutigen Neuer erinnert.
Geschwister
Manuel Neuer bleibt der einzige herausragende Fußballer seiner Familie. Er hat drei Geschwister: Bruder Marcel sowie Halbbruder Stefan und Halbschwester Stefanie, beide aus der ersten Ehe von Peter Neuer. Marcel, ein Jahr älter als Manuel, ist heute auf dem Weg zum Lehrerberuf. An der Ruhr-Universität in Bochum hat er Geschichte und Religion studiert. Ein Fußballer ist er nicht: „Das Potenzial ist da arg beschränkt.“ In der E-Jugend spielte er noch für Schalke, aber „ich konnte die technischen Defizite durch Training nicht mehr ausgleichen“. Der Fußballer Marcel Neuer porträtiert sich selbst als „technisch schlecht, kämpferisch aber nicht aufgebend“. Freunde schenkten ihm mal zum Geburtstag ein Schalke-Trikot, auf dessen Rückseite „Wemser“ geflockt ist. Marcel Neuer: „So viel zu meiner Spielweise…“ Zum „Wemser“ passt auch seine äußerliche Erscheinung: Marcel Neuer ist kleiner als der berühmte Bruder, dafür aber kompakter gebaut.
Der „Wemser“ hat trotzdem seinen Weg in den höherklassigen Fußball gefunden: Marcel Neuer gehört zum Schiedsrichter-Kontingent von Schalke 04. Hier hat er es auf ein beachtliches Niveau gebracht. Der 30-Jährige darf in der höchsten Amateurliga und der Junioren-Bundesliga pfeifen. In der Regionalliga assistiert er regelmäßig an der Außenlinie. Marcel Neuer sieht eine gewisse Verwandtschaft zwischen seinem Job im Fußball und dem seines Bruders: „Wir mögen beide eben das Besondere, lieben Entscheidungsfreudigkeit. Feldspieler stehen 20 an der Zahl auf dem Platz. Aber es gibt eben nur einen Schiedsrichter und zwei Torhüter.“
Manuel Neuers Halbbruder Stefan ist an Fußball nicht sonderlich interessiert. Er studierte Biologie und Sozialwissenschaften und ist Lehrer an einem angesehenen Gymnasium in Gelsenkirchen. Schüler seiner Biologiekurse nehmen regelmäßig am landesweiten Wettbewerb „bio-logisch!“ teil. Halbschwester Stefanie hat auf einer der Rennbahnen des Ruhrgebiets den Beruf einer Pferdewirtin gelernt. Sie lebt bereits seit 13 Jahren in einer Kleinstadt in der Toskana. Keiner der Geschwister macht irgendein Aufheben darum, dass ihr Bruder dieser Manuel Neuer ist.
Erfolg auf Ameland
Die niederländische Nordseeinsel Ameland ist ein Mekka für Jugendgruppen. Wenn in Nordrhein-Westfalen Oster- oder Sommerferien sind, veranstalten zahlreiche Kirchengruppen und Sportvereine aus dem Münsterland und dem Ruhrgebiet ihre Jugendfreizeiten auf dieser gut erreichbaren Insel. Einschließlich der Überfahrt mit der Fähre sind es maximal viereinhalb Stunden von Gelsenkirchen bis auf die Insel.
Als Quartier dienen den Kindern und Jugendlichen zu Gruppenunterkünften umgebaute Gehöfte, die nun zur Ferienzeit mit einem provisorischen Fußballplatz versehen werden. Wer in diesen Wochen über die Insel radelt, sieht alle Nase lang bolzende Kinder und Jugendliche und abgesteckte Felder mit Fünf-Meter-Toren.
Auch die katholische St.-Urbanus-Gemeinde aus Buer veranstaltet alljährlich Ferienfreizeiten auf Ameland. Die Familie Neuer gehört dieser Gemeinde an, daher sind Manuel und sein Bruder Marcel regelmäßig im Ameland-Lager dabei. Dort beziehen sie Quartier in der Gruppenunterkunft „Duinzicht“ am Hoofdweg 3 in Buren. Manuel Neuer: „Wir hatten jedes Mal eine tolle Zeit.“ Die drei Wochen an der niederländischen Nordseeküste seien das schönste Erlebnis seiner Kindheit gewesen. Ameland ist auch der Schauplatz seines ersten Kusses: „Es passierte auf einem Anhänger, der auf einer Wiese stand.“
Auf Ameland feiern Manuel und Marcel Neuer ihren größten gemeinsamen fußballerischen Erfolg, als sie mit ihren Kumpels den „Insel-Cup“ gewinnen. Manuel steht im Tor. Noch Jahre später ist er auf Ameland dabei – nun als Betreuer der Jugendfreizeiten von St. Urbanus.
Auf Asche
Als Neuer acht Jahre alt ist, spielt er in der dritten Mannschaft seiner Altersgruppe, der „E3“. Die Mannschaft trainiert an der alten Glück-aufkampfbahn im Stadtteil Schalke – auf Asche.
Dass er eines Tages mal ein ganz Großer werden würde, ist noch nicht zu erkennen. Nur dass er ehrgeizig ist und am liebsten an jedem Tag auf dem Fußballplatz herumtobt. Auch Kopfschmerzen und andere Wehwehchen, die Kinder seines Alters plagen (oder vermeintlich plagen), können ihn nicht vom Training abhalten. Und obwohl er für sein Alter alles andere als groß gewachsen ist, will er beim Training immer ins große Tor anstatt in den Fünf-Meter-Kasten, der seinerzeit bis zur D-Jugend die Regel ist.
„Manu fiel schon damals durch seinen enormen Ehrgeiz auf. Ich kann mich nicht erinnern, dass er auch nur bei einem Training gefehlt hat.“ Der das sagt, ist Siegbert „Siggi“ Hüneborn, Manuel Neuers erster Torwarttrainer. Der heute 68-Jährige unterrichtete damals an der Gesamtschule Buer-Mitte Sport, Erdkunde, Geschichte und Politik. Heute widmet er sich an der Universität Münster einem „Studium im Alter“ und arbeitet ehrenamtlich für die Manuel Neuer Kids Foundation, der Stiftung des Welttorhüters.
Als aktiver Fußballer hatte der Torwart Hüneborn nur im Amateurbereich gespielt, u. a. beim TuS Altenberge 09 in der Nähe von Münster. Des Weiteren in der Fußballmannschaft der Universität Münster – gemeinsam mit Heribert Bruchhagen, dem späteren Vorstandschef von Eintracht Frankfurt, und Bernd Wehmeyer, der 1983 mit dem Hamburger SV den Europapokal der Landesmeister gewann. Hüneborn trainiert „auf Schalke“ zunächst von 1987 bis 1989 die B2-Junioren; 1995 übernimmt er die E3, in der auch Manuel Neuer spielt.
Dass der heute weltbeste Keeper seinerzeit nur in der 3. Mannschaft seiner Altersklasse steht, hat keine Bedeutung. Hüneborn: „Damals gab es noch keine Strukturen wie heute. Beim Spiel sah man Trainer mit der Bierflasche in der Parkatasche und einer Zigarette in der Hand.“ Viele von ihnen besitzen überhaupt keinen Trainerschein.