Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ dieser Bestandsaufnahme noch näher entfaltet werden. Daran schließen sich Hinweise zur Geschichte der Diakonie (Kapitel zwei) und zu Stationen ihrer konzeptionellen Entwicklung (Kapitel drei) an. Mit diesen drei Themenbereichen sind gleichsam die theoretischen Grundlagen für die folgenden Themenkomplexe gelegt. Mit ihnen wird die „Diakonie“ innerhalb gesellschaftlicher Prozesse (Kapitel vier) verortet und werden ihre HandlungsfelderHandlungsfelder (Kapitel fünf) beschrieben. Eine Engführung der Thematik auf Entwicklungen innerhalb Deutschlands vermeidet der Sammelband durch einen Blick auf die „Internationale Diakonie“2 (Kapitel sechs). Überlegungen zur „Diakonie als Wissenschaft“3 (Kapitel sieben) beschließen den Band.

      1.2.5.2 Inhalt

      Für die vorliegende Bestandsaufnahme ist die Darstellung biblischer Grundlagen der Diakonik von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund werden im Folgenden die Überlegungen von Manfred Oeming1 und von Renate Kirchhoff2 skizziert.

      Oeming beginnt seine Darstellung mit der Einsicht, dass die Bibel „zahlreiche Impulse für diakonisches Handeln“3 enthalte. Er gewinnt diese Erkenntnis aus der Wahrnehmung, dass sich insbesondere das Alte Testament intensiv mit dem Schicksal armer Menschen befasse.4 Aber nicht allein arme Personen stünden im Fokus des Alten Testaments: „Die hebräische Bibel kümmert sich […] in einem für die zeitgenössische altorientalische Literatur ganz ungewöhnlichen Umfang um das Denken und Fühlen von WitwenWitwe und Waisen, von Ausländern und Fremdlingen, von kranken Menschen auch mit Behinderung und von sozial ausgegrenzten Minderheiten.“5 Grundlagen dieser außergewöhnlichen ZuwendungZuwendung, die sich mit Lev 19,18Lev 19,18 auf einen prägnanten Satz bringen ließe, seien Israels eigene Erfahrungen in Sklaverei und Exil, sein Bild eines Gottes, der für die Rechte aller seiner Geschöpfe eintrete und zu seiner imitatio aufrufe sowie „die ethische Botschaft der Tenach, vor allem der Propheten.“6 Im weiteren Fortgang seines Beitrags entfaltet Oeming die „Diakonie“ in alttestamentlicher Perspektive und etabliert sie in Bezug auf den „Kampf gegen die ArmutArmut“7, welchen er für verschiedenste Gruppen marginalisierter Personen (u.a. Alte, WitwenWitwe, Waisen, Fremde, Menschen mit Behinderung) durchbuchstabiert. In seiner Lesart verbinden sich mit dem Kampf gegen ArmutArmut als der Grundlage diakonischen Handelns in alttestamentlicher Perspektive bereits „Ansätze organisierter Diakonie“8. Oeming sieht diese Ansätze in den Institutionen des Sabbats, des Zehnten, des Schuldenerlasses, des Zinsverbots, der Freilassung von Sklaven und der „diakonische[n, JQ] Funktion des Königs bzw. des Staates“9 gegeben. Insgesamt entwickle das Alte Testament somit eine sog. theologische Pauperologie, mit welcher sich der „Ansatz eines diakonischen Programms [verbinden lasse, JQ]: nicht die ganz große Revolution, auch nicht die radikale Reform der Gesellschaft, sondern sinnvolle Veränderungen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten dieser Welt in einem moderaten, aber doch entschiedenen Ton. Die Menschen guten Willens, die Gottes Wohlgefallen haben, sollen alles ihnen nur Mögliche tun, den Armen aus ihrer elenden Situation herauszuhelfen.“10 Oeming schließt mit einem Plädoyer, die Tora im „Sinne ihrer Grundintention zu einer biblisch fundierten Armendiakonie“11 weiterzudenken.

      Im Anschluss an den Beitrag von Oeming thematisiert Renate Kirchhoff die neutestamentlichen Grundlagen diakonischen Handelns und beginnt diese mit der hermeneutischen Vorbemerkung, dass „[f]ür jede Darstellung biblischer Grundlagen gilt, dass sie auf einer kontextuell bedingten Sicht auf (wiederum ausgewählte und perspektivisch wahrgenommene) heutige LebenslagenLebenslage basiert und insofern bereits ein Ausdruck eines Vorwissens und einer Vormeinung über Welt und Text ist.“12 Mit dieser Einsicht verbindet Kirchhoff den Hinweis, dass „die Relevanz der Texte ein Ergebnis der Zuschreibung von AutoritätAutorität und der Herstellung von Bezügen zwischen Text und Lebenslage durch den Interpreten bzw. die Interpretin ist.“13 Zum Gewinn einer Art hermeneutischen Schlüssels, der zum Verständnis diakonischen Handelns im Kontext des Neuen Testaments dient, bestimmt sie dieses als „helfendes Handeln, dessen Subjekt Kirche ist.“14 Insgesamt liegt ihren „Ausführungen […] das Ziel zugrunde, mit der Deutung von LebenslagenLebenslage mittels des Bezugs auf biblische Texte und Traditionen dazu beizutragen, dass Zielgruppen sozialen Handelns sich mehr Lebensqualität erschließen können.“15 Im Anschluss an diese Zielbestimmung bietet Kirchhoff einen Überblick über die Forschungsgeschichte zum griechischen Diakonie-Begriff, der an dieser Stelle nicht wiederholt werden muss.16 Überlegungen zum „Jesus der Diakonie“17 illustrieren die enge Verbindung zwischen der „Diakonie“ und der Jesusüberlieferung, die sich nach Kirchhoff aus seiner Funktion als Repräsentant des Reiches GottesReich Gottes, aus seiner Betonung der NächstenliebeNächstenliebe und seinen Heilungen und Exorzismen ergeben würde. In diesem Zusammenhang konstatiert Kirchoff, dass LiebeLiebe und insbesondere NächstenliebeNächstenliebe als „ein Schlüsselbegriff der Selbstlegitimation christlicher helfender und solidarischer Praxis“18 anzunehmen sei und besonders „die Orientierung an der NächstenliebeNächstenliebe als ein inklusives Merkmal von Kirche und Diakonie zu verstehen ist: Sie ist ein notwendiges, aber kein exklusives Merkmal von Kirche und Diakonie.“19 Weiterhin versucht Kirchhoff zu zeigen, dass die NächstenliebeNächstenliebe im Kontext des Neuen Testaments eine vielfältige Gestalt besitzt, die sich an den Schutzbestimmungen für bestimmte Personengruppen20 ebenso zeigen würde, wie an Bestimmungen zur Gestaltung wirtschaftlicher Beziehungen21. Abgeschlossen werden ihre Ausführungen durch Hinweise zur „Organisation von Hilfe und SolidaritätSolidarität“22, in deren Rahmen u.a. das paulinische KollektenprojektKollektenprojekt Beachtung findet.23

      1.2.5.3 Kritische Würdigung

      Die beiden dargestellten Beiträge bieten einen instruktiven Einblick in den Umgang der biblischen Schriften mit marginalisierten Personengruppen und insofern einen Eindruck von der Praxis und möglichen Begründungen sozialer HandlungsvollzügeHandlungsvollzüge. Besonders gelungen erscheinen die am Ende bzw. inmitten eines jeden Beitrags abgedruckten Impulse, die zu einer Reflexion der wahrgenommenen Überlegungen einladen und die Grundlage einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema der „Diakonie“ in biblischer Perspektive bieten.1

      Im Rahmen einer Frage nach biblischen Hintergründen in diakonischen Kontexten ist kritisch wahrzunehmen, dass der Aufsatz von Oeming keinen expliziten Diakonie-Begriff bietet bzw. seiner Untersuchung zugrunde legt. Vielmehr wird der Begriff der „Diakonie“ in alttestamentlicher Perspektive auf den Umgang mit bzw. den Kampf gegen ArmutArmut fokussiert und im Rekurs auf konkrete Belegstellen entfaltet. Damit verbunden ist die Etablierung von „Ansätze[n] organisierter Diakonie“2, welche eine interessante Perspektive auf den im Alten Testament skizzierten Einsatz für arme und marginalisierte Personen eröffnet. Das Fehlen eines explizit ausgeführten Diakonie-Begriffes verhindert aber die Beantwortung der Frage, ob es weitere dieser Ansätze im Rahmen des Alten Testaments gibt und ob sie möglicherweise anders fokussiert sind als allein auf den Kampf gegen ArmutArmut. Gleichermaßen wird dadurch die Erfüllung des von Oeming formulierten Arbeitsauftrags erschwert, der die Weiterentwicklung der „Hausordnung der Tora“3 „zu einer biblisch fundierten Armentheologie“4 fordert.

      Anders als Oeming bietet Kirchhoff eine Definition von „Diakonie“ und beschreibt sie – wie bereits angemerkt – als „helfendes Handeln, dessen Subjekt Kirche ist.“5 Mit dieser Definition ergibt sich für Rezipientinnen und Rezipienten die Möglichkeit zur eigenständigen Überprüfung der vorgetragenen Erkenntnisse. Allerdings stellt sich für die Untersuchung des Neuen Testaments die Frage, ob der Begriff der „Kirche“ ihren Überlegungen zu einer neutestamentlichen Grundlegung diakonischen Handelns angemessen ist. Eine Problematisierung der verwendeten Terminologie nimmt Kirchhoff für den Hilfe-, nicht aber für den Kirchenbegriff vor. Auffällig ist ferner die für eine neutestamentliche Grundlegung zuweilen sehr starke Fokussierung auf alttestamentliche Zusammenhänge. Besonders deutlich wird dieser Fokus im Abschnitt „1.2.4.1 Bestimmungen zum Schutz bestimmter Zielgruppen“6, der dezidiert „biblische Bestimmungen“7 referieren will. Allerdings werden in den Ausführungen zu alten Menschen, Sklavinnen und Sklaven sowie Armen keine neutestamentlichen Bezüge hergestellt, die zweifellos erhoben werden könnten. Für die Gruppe der WitwenWitwe rekurriert Kirchhoff lediglich auf Mk 12,38–40Mk 12,38–40 und СКАЧАТЬ