Der Fall Özil. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: Der Fall Özil

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783730704332

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СКАЧАТЬ ich mich als Türke.“ Außerhalb des Elternhauses sei er aber in der deutschen Kultur aufgewachsen: „Mit vier Jahren bin ich in den Fußballverein gegangen, ich war im Kindergarten, in der Grundschule und auf dem Gymnasium, wo nur wenige Türken waren. Mit zwölf habe ich angefangen, mit Borussia Dortmund zu reisen, da habe ich viel mitbekommen von Deutschland und Europa. Ich ziehe das Beste aus beiden Kulturen.“ Im Hause seiner Eltern sei deutsch und türkisch geredet worden, „eigentlich sogar mehr deutsch“. Die Eltern hätten darauf bestanden, dass die Kinder die deutsche und die türkische Sprache beherrschten. Sie hätten ihnen mitgeteilt, dass die türkische ihre Muttersprache sei und die deutsche die Sprache des Landes, in dem sie lebten. Sahin kritisierte Ausländer, „die seit sechs, sieben Jahren in Deutschland spielen, aber die Sprache nicht beherrschen“.

      Die Altintops und Sahin sprechen fließend deutsch, besser als mancher „Bio-Deutsche“. Trotz ihrer Entscheidung für die Türkei behauptete kaum jemand, sie seien nicht integriert. Aus westdeutscher Sicht waren sie integrierter als so mancher Sachse.

      So richtig traf nur Sahins Entscheidung auf Bedauern und Widerspruch. Denn er galt als großes Talent, für einige war er das größte in Europa. Mit der Türkei hatte er 2005 die U17-EM gewonnen und war anschließend als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet worden. Am 6. August 2005 feierte er beim Spiel des BVB in Wolfsburg sein Bundesligadebüt – im Alter von nur 16 Jahren und 335 Tagen. Sahin war damit der jüngste Debütant in der Geschichte der Liga.

      Das größte Talent des deutschen Fußballs

      Mesut Özil wurde am 15. Oktober 1988 in Gelsenkirchen geboren. Die Großeltern waren von der türkischen Schwarzmeerküste ins Ruhrgebiet ausgewandet. Özils Vater Mustafa war damals zwei Jahre alt gewesen. Im Alter von sieben Jahren trat Mesut Özil, ein echter Straßenfußballer, der DJK Westfalia Gelsenkirchen bei, einem Sportverein der katholischen Sportbewegung. Als Özil 14 war, nahm ihn Schalke 04 unter seine Fittiche, 2008 wechselte er zu Werder Bremen.

      Am 11. Februar 2009 lief der nun 20-jährige Mesut Özil erstmals in der deutschen A-Nationalelf auf, als diese in Düsseldorf ein Testspiel gegen Norwegen bestritt, das mit 0:1 verloren ging. Özil wurde in der 78. Minute für Piotr Trochowski eingewechselt.

      Özils Debüt in der A-Elf geriet zum Startschuss für eine politische Instrumentalisierung des Spielers. Er wurde zum großen Hoffnungsträger der Integrationspolitik erkoren und sollte nebenbei auch noch weitere Spieler mit türkischen Wurzeln für die DFB-Elf erwärmen. Der Spieler wurde auf ein Podest gehoben, das er selber gar nicht erklimmen wollte. Und bekam einen Auftrag, um den er nicht gebeten hatte. Wenige Wochen nach Düsseldorf erzählte der Grünen-Politiker Cem Özdemir, selber ein Deutscher mit türkischen Wurzeln, der „taz“: „Ich werbe aktiv dafür, dass sich hier aufgewachsene türkischstämmige Fußballer für eine sportliche Karriere in Deutschland entscheiden. Dafür ist es auch wichtig, dass es die ersten Eisbrecher wie Mesut Özil gibt. So wird in ein paar Jahren die Diskussion beendet sein, ob die deutsche Nationalmannschaft auch die Nationalmannschaft von Deutschtürken oder anderen Migrantengruppen ist.“

      Mesut Özil hatte zuvor elf Spiele für die U19 und 16 für die U21 des DFB absolviert und dabei neun Mal getroffen. Der offensive Mittelfeldspieler hatte in den Nachwuchsteams des DFB erst relativ spät debütiert, nämlich am 5. September 2006 beim Auswärtssieg der U19 gegen Österreich. Da waren es nur noch wenige Wochen bis zum 18. Geburtstag des Talents.

      Im Jahr 2006 hatte der nun volljährige Özil seine Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft beantragt, was notwendig war, um das deutsche Papier zu erlangen. Im türkischen Konsulat in Münster trafen Özil und sein Vater Mustafa auf einen zornigen Beamten, der ihnen vorwarf, sie hätten „überhaupt keinen Stolz“ und würden die Türkei nicht lieben.

      Der türkische Nationaltrainer Fatih Terim warb zunächst weiterhin um Özils Dienste, weshalb mit Spannung erwartet wurde, für welches Land sich das Talent entscheiden würde. Im Februar 2009 wollte Terim ihn für ein Spiel der A-Elf der Türkei gegen die Elfenbeinküste nominieren. Der türkische Verband schickte Hamit und Halil Altintop zu Özil, um diesen für die türkische Nationalelf zu überzeugen. Aber Özil gab Terim einen Korb, da er sich auf die U21 des DFB und die U21-Europameisterschaft konzentrieren wolle. Der DFB war an Özil extrem interessiert, zumal in der A-Elf mittelfristig die Rolle des Spielmachers neu zu besetzen war. Özil galt mittlerweile als talentierteste Nachwuchskraft im deutschen Fußball.

      Am 29. Juni 2009 wurde die deutsche U21 durch einen 4:0-Sieg über England Europameister. Der Spielmacher Mesut Özil bereitete zwei Tore vor, erzielte das 2:0 selber und wurde anschließend zum „Man of the Match“ gekürt. Der „Kicker“ gab Özil als einzigem Finalteilnehmer eine glatte „1“: „Besonders stark präsentierte sich Mesut Özil, der gleich an drei Treffern beteiligt war.“ Die Seite Spox.com schrieb in Özils Turnierzeugnis: „Özil war mit vier Assists der Top-Vorbereiter des Turniers, hätte aber deutlich mehr als nur ein Tor erzielen können. Dennoch das Hirn der deutschen Offensive, wenn sich seine genialen Momente auch mit einigen Phasen der schöpferischen Ruhe abwechselten. Hat die Stärken am Ball und nicht vor dem Mikrofon.“

      Am 12. August gab Özil auch sein Pflichtspieldebüt in der A-Nationalmannschaft, als diese in der Qualifikation für die WM 2010 gegen Aserbaidschan spielte. Deutschland gewann in Baku mit 2:0. Özil kam erst in der 83. Minute aufs Feld, als er Mario Gomez ablöste. Aber mit dem ersten Pflichtspieleinsatz war Özil nun nur noch für Deutschland spielberechtigt.

      „Es gibt nur schwarz oder weiß“

      Viele türkische Fans nahmen Özil seine Pro-DFB-Entscheidung übel, wie er in seiner 2017 veröffentlichten Autobiografie „Die Magie des Spiels“ erzählt: „In den Tagen vor meinem ersten Länderspiel mussten wir meine Homepage sogar für eine Zeit schließen, weil mich ein paar Verständnislose aufs Übelste beleidigten. Weil sie sich hinter Pseudonymen verstecken konnten, waren ihre Vorwürfe noch viel heftiger als die Unterstellungen, die der Beamte im türkischen Konsulat mir und meinem Vater gemacht hatte.“

      Fragen der Journalisten nach seiner „nationalen Zugehörigkeit“ nervten Özil: „Man wird von den Medien oftmals dazu gedrängt, sich ausschließlich auf etwas festzulegen. Nach dem Motto: Los, sag schon! Was bist du? Deutscher oder Türke? Wo gefällt es dir besser? In Deutschland oder in der Türkei? Du musst dich für eines entscheiden. Los, leg dich fest! Beides geht nicht. Es gibt nur schwarz oder weiß. Es gibt nur Türken und Deutsche. (…) Ich habe in meinem Leben mehr Zeit in Spanien als in der Türkei verbracht – bin ich dann ein deutsch-türkischer Spanier oder ein spanischer Deutschtürke? Warum denken wir immer so in Grenzen? Ich will als Fußballer gemessen werden – und Fußball ist international, das hat nichts mit den Wurzeln der Familie zu tun. (…) Ich bin stolz, mich trotz des Drucks für die deutsche Nationalmannschaft entschieden zu haben. Und ich bin froh, der Türkei dabei nie den Rücken gekehrt zu haben.“

      Hamit Altintop, wie Özil in Gelsenkirchen geboren, kritisierte Özils Entscheidung: „Ich bin ein toleranter Mensch und respektiere Mesuts Weg, aber unterstützen kann ich ihn nicht.“ Nuri Sahin kommentierte Özils Pro-Deutschland-Entscheidung anders, nämlich pragmatischer: „Ich bin mit Mesut, Serdar (Tasci) und Jérôme (Boateng) befreundet, aber ich habe von der U15 an für die Türkei gespielt. Mesut, Serdar und Jérôme haben in den U-Mannschaften für Deutschland gespielt.“ Es hätte „nicht gepasst“, wenn er sich dann für Deutschland entschieden hätte, und umgekehrt auch nicht. „Die Jungs haben es nicht bereut, und ich habe es auch nicht bereut. Und das Wichtigste ist, dass man sich wohlfühlt.“

      Auch in der Familie Özil war die Pro-Deutschland-Entscheidung umstritten. Mutter Gulizar hätte Mesut lieber im Trikot der Türkei gesehen, Onkel Erdogan ebenfalls. Der Onkel erzählte ihm von den Gefühlen, die ein Besuch im Heimatort Zonguldak auslöse, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz an der türkischen Schwarzmeerküste. Mesut Özil: „Ich konnte seine Gefühle СКАЧАТЬ