Название: Der Palast des Poseidon
Автор: Thomas Thiemeyer
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Die Chroniken der Weltensucher
isbn: 9783948093327
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Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Wo willst du hin?«
»Raus«, sagte Oskar. »Die Luft hier drinnen ist zu schlecht.«
Er griff nach seiner Jacke und wollte gehen, als er von einer eisernen Hand am Kragen gepackt wurde. »Du willst raus?«, zischte Behringer. »Von mir aus. Was dagegen, wenn ich mich dir anschließe?« Er schleifte Oskar an den Gästen vorbei durch das Lokal. Die Leute murmelten ungehalten, wagten aber nicht, sich einzumischen. Diese verdammten Feiglinge! Alle hatten sie Schiss vor Behringer.
Draußen vor der Tür schüttete es immer noch wie aus Kübeln. Der Geldverleiher blickte missmutig gen Himmel. »Dreckswetter!«, fluchte er, dann stieß er Oskar unsanft auf die Straße. Oskar stolperte, konnte aber gerade noch verhindern, dass er hinfiel. Im Nu war Behringer bei ihm und rammte ihm die Faust in den Magen. Er rang nach Luft.
»Du scheinst aus unserer letzten Unterhaltung nichts gelernt zu haben«, sagte der Geldverleiher. »Wie lange ist es her, seit ich dir die letzte Abreibung verpasst habe, zwei Monate? Wann wirst du endlich begreifen, dass man mir nicht einfach den Rücken kehrt?«
Der nächste Schlag traf Oskar auf den linken Wangenknochen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, dann ein Gefühl plötzlicher Taubheit. Er schmeckte Blut in seinem Mund. Oskar versuchte stehen zu bleiben, aber seine Beine fühlten sich an wie Gummi. Er sackte vornüber auf die regennasse Straße. Ein Tritt in die Magengrube ließ ihn vollends zusammenbrechen. Behringers Leute zogen einen Kreis um ihn und machten jeden Gedanken an Flucht zunichte.
»So«, sagte der Geldverleiher, während er sich über ihn beugte und Oskars Kopf an den Haaren nach hinten zog. »Und jetzt möchte ich eine andere Antwort hören.«
»Leck mich am Arsch!«, fluchte Oskar und spuckte Blut.
Behringer blickte erstaunt. Dann lachte er.
»Eins muss man dir lassen. Du hast Schneid. Einen wie dich könnte ich in meiner Bande gut gebrauchen.«
»Eher friert die Hölle zu, als dass ich für Sie arbeite!«, keuchte Oskar.
»Falsche Antwort.« Behringer richtete sich drohend über ihm auf, die Faust zum Schlag erhoben. Oskar bereitete sich innerlich auf den nächsten Treffer vor, schloss die Augen und spannte die Muskeln an. Als nichts geschah, öffnete er vorsichtig ein Auge. Behringer stand immer noch genau so da. Dieselbe Haltung, derselbe Gesichtsausdruck. Alles schien unverändert – bis auf einen dünnen Blutsfaden, der seine Schläfe hinablief. Sein Mund war offen, als wollte er etwas sagen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Ein paar Sekunden stand er so da, dann taumelte er vornüber aufs Pflaster. Oskar konnte sich gerade noch zur Seite rollen, als der schwere Körper neben ihm auf den Boden schlug. Plötzlich ertönte aus der Gruppe der Halsabschneider ein Schmerzensschrei. Dann folgte ein zweiter. Einer von Behringers Kumpanen hielt sich den Ellenbogen, ein anderer den Bauch. Ein dritter sackte unter Stöhnen auf die Knie, die Hände über dem Kopf verschränkt.
Was war hier bloß los?
Über das Rauschen des Regens hinweg hörte Oskar ein Zischen. Irgendetwas sauste durch die Luft, gefolgt von einem trockenen Aufschlag. Diesmal hatte es den Fährmann erwischt. Mit einem Schrei fasste er sich an den Hals und stolperte zurück. Etwas Kleines kullerte vor Oskar in den Rinnstein. Ein Kiesel.
Unter den Mitgliedern der Gruppe brach Panik aus. Wer immer da auf sie schoss, er hatte ein gutes Versteck gewählt. Bei diesem Wetter und in dieser Dunkelheit war beim besten Willen nichts zu erkennen. Immer mehr von Behringers Kumpanen trugen Verletzungen davon.
Mit heiserer Stimme und gehetztem Blick befahl der Fährmann den Rückzug. Er packte Behringer bei den Füßen und schleifte ihn wie einen nassen Sack die Straße entlang. Unter Fluchen und Wehklagen folgte der Rest der Bande. Irgendwann waren sie so weit entfernt, dass die Geschosse sie nicht mehr erreichen konnten. Wüste Drohungen und Beschimpfungen ausstoßend, verschwanden sie hinter der nächsten Ecke. Es dauerte noch eine ganze Weile, ehe das Zetern und Wimmern im Rauschen des Regens verhallte.
Oskar rappelte sich hoch. Seine Kleidung war patschnass. Jeder Knochen tat ihm weh. Sein Mund fühlte sich taub an. Er blickte sich um. Oben auf dem Dach war eine Bewegung zu sehen. Auf der gegenüberliegenden Seite noch eine. Links aus einem Hauseingang löste sich eine schattenhafte Erscheinung. Mit schnellen Schritten eilte sie zu ihm herüber und packte ihn unter den Armen.
Oskars Augenbrauen hoben sich vor Erstaunen. »Maus!«
»Alles klar, mein Alter?« Unter der Schmutzschicht war ein Grinsen zu erkennen.
»Was tust du denn hier …?«
»Wir haben auf dich gewartet, was denn sonst?«
Wie aus dem Nichts tauchten weitere Gestalten auf. Lena, Willi und Bert. Sie trieften vor Nässe, aber in ihren Augen leuchtete der Triumph. Nur Lena machte ein besorgtes Gesicht. Das kleine braunhaarige Mädchen zog ein schmutziges Taschentuch aus seiner Hose und begann, Oskar das Blut von der Lippe zu tupfen. »Tut es sehr weh?«
»Geht schon. Bloß ein paar Prellungen und eine Platzwunde. Nichts, was man nicht mit ein bisschen Spucke und einem Pflaster verarzten könnte.« Er versuchte zu lächeln, aber der Schmerz ließ ihn zusammenfahren. »Wo kommt ihr auf einmal her? Ich dachte, ihr wärt längst wieder zu Hause.«
»Wir konnten dich doch nicht kampflos diesem Halsabschneider überlassen.« Willis kurze Stoppelhaare schimmerten im Licht der Straßenlaterne. »Als wir den Holzfäller verlassen haben, sind wir gleich in Position gegangen. Wir wussten, dass Behringer dich nicht vor versammelter Mannschaft vermöbeln wird. Solche Sachen erledigt er lieber im Stillen. Wir haben uns noch schnell in den Hinterhöfen die Taschen mit Geschossen vollgestopft und sind dann rauf auf die Dächer.«
»Zu dumm, dass wir nicht eher eingreifen konnten«, sagte Bert und zog seine Steinschleuder heraus. »Wir mussten erst warten, bis du aus dem Schussfeld warst.«
»Ihr habt ihnen richtig eingeheizt«, sagte Oskar anerkennend. »Eine Steinschleuder ist eine gefährliche Waffe, wenn man damit umgehen kann.«
»Und wir sind die besten Schützen nördlich der Spree.« Bert lächelte grimmig. »Die sind gehüpft wie die Hasen.«
»Alle außer Behringer«, warf Maus ein. »Der wacht so schnell nicht wieder auf. Wessen Schuss war das?«
»Meiner«, murmelte Lena. »Ich hatte eigentlich auf seine Schulter gezielt …«
»Sauberer Treffer!«, lobte Willi. »Ich glaube, einen solchen Hieb hat er in seiner gesamten Karriere nicht abbekommen.«
»Ich hoffe, dass er euch keine Schwierigkeiten macht«, sagte Oskar und runzelte die Stirn. »Er konnte euch zwar nicht sehen, aber wenn er eins und eins zusammenzählt, wird er schon darauf kommen, wer ihn da in die Flucht geschlagen hat.«
»Und wenn schon.« Maus spuckte auf das Pflaster. »Nachweisen kann er uns nichts, und wenn er den Dicken markiert, streiten wir einfach alles ab. Mach dir mal um uns keine Sorgen. Du bist es, den er auf dem Kieker hat. Der lässt nicht locker, bis er sein Geld hat.«
»Das habe ich ihm längst gegeben.«
»Hast du?«
»Bis СКАЧАТЬ