Der Palast des Poseidon. Thomas Thiemeyer
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Название: Der Palast des Poseidon

Автор: Thomas Thiemeyer

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия: Die Chroniken der Weltensucher

isbn: 9783948093327

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СКАЧАТЬ zuvor gesehen hatte. Vier riesige Klauen ragten wie Finger aus dem Wasser. Sie waren gewaltig und überragten die Kornelia um mindestens zwanzig Meter. Vogiatzis erkannte, dass ihre Oberfläche wie die eines Riesenkraken alt und vernarbt aussah. Die Fingerknochen waren dick und verknorpelt und die Gelenke knarrten wie verrostete Scharniere. Das Wesen musste unglaublich alt sein. Ein Titan aus der Tiefsee, schoss es Vogiatzis durch den Kopf. Aufgestiegen, um sie zu vernichten. An den Enden der Krakenarme leuchteten feurige Augen, die bösartig auf ihn heruntersahen.

      Über das Brausen des Windes hinweg ertönte ein bedrohliches Rauschen. Die Arme kamen auf das Schiff zu. Als sie sich bis auf zehn Meter genähert hatten, beugten sie sich herab. Die monströsen Krallen schossen nach unten, dann schlugen sie auf dem Oberdeck ein. Ein furchtbares Krachen ertönte. Funken sprühten, dann verloschen die Lichter.

      Die Kornelia sackte zum Bug hin ab. Vogiatzis wurde von den Beinen gefegt. Er konnte sich nicht festhalten und schlitterte mit den Füßen voraus über das klatschnasse Deck. Kisten und Fässer lösten sich und rutschten hinterher. Wie durch ein Wunder wurde er nicht getroffen. Er prallte gegen die Ankerwinde und wurde in hohem Bogen über Bord geschleudert. Der Aufprall presste ihm die Luft aus der Lunge. Ein brennender Schmerz fuhr ihm in die Schulter. Irgendetwas war mit seinem Arm.

      Panisch schlug er um sich.

      Ehe er begriff, was mit ihm geschah, befand er sich im schäumenden und tosenden Meer. Um ihn herum trieben Holzteile und Bruchstücke von Schiffsaufbauten.

      Nicht weit von ihm entfernt entdeckte er einen Rettungsring. Mit letzter Kraft gelang es ihm, ihn zu packen und sich festzuhalten.

      Halb ohnmächtig klammerte er sich fest und beobachtete, wie die Kornelia von dem riesigen Meeresungeheuer in die Tiefe gezogen wurde. Bug voraus verschwand sie in der kochenden See. Ihr Todeslied klang wie der Schrei eines verendenden Wals. Es schäumte und blubberte, dann war von seinem Schiff nichts mehr zu sehen. Unter Wasser war noch ein Licht zu erkennen, dann erlosch auch das.

      Vogiatzis starrte in die Fluten. Die Kornelia war mit Mann und Maus untergegangen.

      Teil 1

      Der Auftrag

      1

      Berlin, 10. Juni 1893 …

      Kurz hinter dem Magdalenenstift begann es zu regnen. Zuerst nur einzelne Tropfen, dann immer heftiger. Als Oskar das Alexanderufer erreichte, schüttete es wie aus Kübeln. Er zog die Mütze ins Gesicht und rannte zwischen den immer größer werdenden Pfützen in Richtung Karlstraße. Von dort fuhr er eine kurze Strecke mit der Straßenbahn, lief noch ein Stück zu Fuß und war wieder in seinem alten Revier. Hier war er früher auf Beutezug gegangen, hatte Taschen leer geraubt und Leute um ihre Wertsachen erleichtert.

      Eigenartig, seine alte Gegend wiederzusehen. Dabei war es erst zwei Monate her, dass er in die Dienste des Forschers Carl Friedrich von Humboldt getreten war. Eine abenteuerliche Reise nach Peru lag hinter ihm. Eine Reise, die so unvorstellbar gewesen war, dass sie ihm, im Nachhinein betrachtet, wie ein Traum vorkam. Doch jetzt hatte er wieder vertrauten Boden unter den Füßen. Er konnte es kaum erwarten, seinen Freunden zu erzählen, was er erlebt hatte.

      Die Menschen huschten wie graue Schatten von Hauseingang zu Hauseingang, wichen Pferdeäpfeln aus und zogen die Köpfe ein. Bei diesem Wetter mochte man wirklich keinen Hund vor die Tür jagen. Oskar beeilte sich, ins Trockene zu kommen. Eine Ausgabe der Berliner Morgenpost unter den Arm geklemmt, rannte er weiter.

      Es dauerte nicht lange, da erblickte er das vertraute Schild seiner Stammkneipe. Es war Freitagabend und die Gasthäuser waren brechend voll. Der Holzfäller bildete da keine Ausnahme. Gelächter und Musik drangen auf die Straße. Durch die Bleiglasfenster fiel anheimelndes Licht. Oskar nahm die Mütze vom Kopf und strich durch seine schwarzen strubbeligen Haare, öffnete die Tür und trat ein.

      Lärm und Gestank schlugen ihm entgegen. Die Luft war geschwängert vom Geruch nach Tabak und Fettgebratenem. Säuerliche Bierschwaden umwehten seine Nase und vermischten sich mit dem Geruch nach Schweiß und Erbrochenem. Ja, das war der Holzfäller, so wie er ihn in Erinnerung hatte. So vertraut und dennoch so weit weg. Fast wie aus einem anderen Leben.

      »Wen haben wir denn da?«, hörte er eine Stimme von links. »Ick glob, mich trifft der Schlag. Det is’ ja unser Oskar.«

      »Grüß dich, Kurt.«

      Der Alte war einer der Stammkunden des Holzfällers. Einer, den man Tag und Nacht hier antreffen konnte. Kurts breites Grinsen entblößte einige schwarze Zähne. Wie immer hockte er über seinem Bockbier, einem dunklen Gesöff, das gleichzeitig seinen Durst und seinen Hunger zu stillen schien. Oskar hatte ihn jedenfalls noch nie etwas essen sehen.

      »Na, wieder zurück von den Toten?«

      »Wieso tot?«, fragte Oskar. »Mir geht’s bestens.«

      »Da hab ick aber was anderes jehört.«

      Oskar winkte ab und quetschte sich durch die Menschenmenge. Sein Ziel war der hintere Teil der Wirtschaft. Ein kleiner Ecktisch, der seit jeher Treffpunkt seiner Bande war.

      Er war noch nicht weit gekommen, als er auf den Schwarzen Fährmann stieß, einen ungehobelten, knapp zwei Meter großen Kerl, der so hieß, weil er früher mal auf einem Lastkahn gearbeitet hatte. Der Fährmann drehte sich um. Seine Augen verengten sich. »Du?«

      »Ja, ich«, gab Oskar zurück.

      »Das is’ ja ’ne Überraschung.«

      »Finde ich auch. Von den Toten zurück und so weiter. Darf ich mal …?«

      »Weiß Behringer, dass du wieder im Lande bist?«

      »Keine Ahnung. Muss ich mich neuerdings bei jedem zurückmelden?« Er schob sich mit Gewalt an der Bohnenstange vorbei und gelangte endlich dahin, wo er hinwollte.

      Zumindest einer von seiner Bande war anwesend. Ein junger Bursche mit zerzausten Haaren und abstehenden Ohren. Ein Grinsen erschien auf Oskars Gesicht. »Maus!«

      Der Junge hob seinen Blick vom Glas. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Oskar?«

      »Wie er leibt und lebt.«

      Maus sah aus, als habe er ein Gespenst gesehen. »Mensch, wenn das mal keine Überraschung ist! Du lebst ja!« Er stand auf und fiel Oskar um den Hals. Er drückte ihn, dass ihm die Luft wegblieb.

      »Jetzt mach mal halblang, Kumpel«, sagte Oskar. »Wieso tut denn hier jeder so, als wär ich gestorben?«

      »Weil es genau das ist, was jeder gedacht hat«, erwiderte Maus. »Wo warst du nur so lange?«

      »Erzähl ich dir gleich. Was ist mit den anderen? Ist heute nicht Bandentreffen?«

      »Normalerweise schon«, grinste Maus, »aber das schlechte Wetter treibt sie in ihre Löcher. Doch das werde ich ändern, verlass dich drauf. Ich mach mich mal kurz vom Acker und trommele alle zusammen. Du wartest hier, in Ordnung?«

      »Klar, mach ich.«

      »Rühr dich nicht vom Fleck, ich bin gleich wieder da!«

      Während Maus durch die Menschenmenge in Richtung Ausgang eilte, rief er zum Wirt hinüber: »He СКАЧАТЬ