Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
isbn:
Er stand auf und sagte mit bebenden Lippen:
»Schweig, oder ich werfe dich hinaus!«
Sie stammelte:
»Mich hinauswerfen … mich hinauswerfen … du willst mich von hier hinauswerfen … von hier … du … du?«
Sie konnte nicht weitersprechen, sie erstickte direkt vor Zorn, und auf einmal schrie sie in einem jähen Wutausbruch hervor:
»Hinauswerfen? Du vergisst, dass ich das hier seit dem ersten Tage bezahlt habe. Ah! Du hast sie ab und zu auf deine Rechnung übernommen. Aber wer hat sie gemietet … ich war es … Wer hat sie behalten? … Ich … Und du willst mich hinauswerfen? Schweige, du Taugenichts. Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, wie du Madeleine die Hälfte ihrer Vaudrecschen Erbschaft gestohlen hast. Glaubst du, dass ich nicht weiß, wie du mit Suzanne geschlafen hast, um sie zu zwingen, dich zu heiraten.«
Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie:
»Sprich nicht von der. Ich verbiete es dir!«
Sie schrie:
»Du hast doch mit ihr geschlafen, ich weiß es.«
Er hätte vieles sich gefallen lassen, doch diese Unwahrheit brachte ihn außer sich. Die Wahrheiten, die sie ihm schreiend ins Gesicht geschleudert hatte, ließen für den Augenblick sein Herz vor Zorn erbeben, aber das, was sie fälschlich über das kleine Mädchen sagte, die seine Frau werden sollte, ließ seine Hand zusammenzucken, in dem wütenden Verlangen, zu schlagen.
Er wiederholte:
»Schweig … nimm dich in acht …! Schweige du! …«
Und er schüttelte sie hin und her wie man einen Baumzweig mit Früchten rüttelte.
Mit verwirrtem Haar und irrem Blick, den Mund weit aufgerissen, heulte sie:
»Du hast mit ihr geschlafen!«
Er ließ sie los und gab ihr solch einen Schlag ins Gesicht, dass sie gegen die Wand taumelte. Doch sie wandte sich gegen ihn, hob die geballten Fäuste und schrie von Neuem mit aller Kraft:
»Du hast mit ihr geschlafen!«
Da stürzte er sich über sie, und während sie unter ihm lag, schlug er auf sie los wie auf einen Mann. Jetzt wurde sie plötzlich still und stöhnte nur unter seinen Schlägen.
Sie rührte sich nicht mehr. Sie hatte ihr Gesicht in der Ecke zwischen Wand und Parkett versteckt und stieß klagende Schreie aus.
Endlich ließ er sie los und richtete sich auf. Dann machte er ein paar Schritte durch das Zimmer, um seine Kaltblütigkeit wiederzugewinnen. Es fiel ihm etwas ein, er ging ins Schlafzimmer, goss kaltes Wasser in das Waschbecken und tauchte seinen Kopf hinein. Nachher wusch er sich die Hände und ging zurück, um zu sehen, was sie nun machte. Währenddessen trocknete er seine Finger sorgfältig mit dem Handtuche ab.
Sie rührte sich nicht. Sie blieb am Boden ausgestreckt liegen und weinte leise.
Er fragte:
»Bist du bald mit deiner Heulerei fertig?
Sie antwortete nicht. Er stand mitten im Zimmer, fühlte sich etwas verlegen und beschämt neben diesem ausgestreckten Körper.
Dann fasste er plötzlich einen Entschluss, nahm den Hut vom Kamin und sagte:
»Guten Abend. Übergib den Schlüssel dem Portier, wenn du fertig bist. Ich kann nicht deiner Laune wegen ewig warten.«
Er ging hinaus, schloss die Tür und suchte den Portier auf.
»Madame ist noch in der Wohnung«, sagte er; »sie wird auch gleich gehen. Sagen Sie dem Hausbesitzer, dass ich zum 1. Oktober kündige. Wir haben den 16. August, es ist also noch vor dem Termin.«
Er entfernte sich schnell, denn er hatte verschiedene dringende Besorgungen zu erledigen und die letzten Einkäufe für die Ausstattung zu machen.
Der Hochzeitstag war auf den 20. Oktober festgesetzt, nach der Wiedereröffnung der Kammern. Die Trauung sollte in der Madeleinekirche stattfinden. Es wurde viel hin und her geredet, ohne dass man die Wahrheit genau wusste. Verschiedene Geschichten liefen umher. Man erzählte von einer Entführung, aber es waren nur vage und unbeweisbare Gerüchte. Nach Angabe der Dienstboten sprach Frau Walter überhaupt nicht mehr mit ihrem zukünftigen Schwiegersohn; sie sollte an dem Abend, wo die Ehe beschlossen war, nachdem sie ihre Tochter um Mitternacht in ein Kloster bringen ließ, vor Zorn einen Schlaganfall bekommen haben.
Man hatte sie halbtot aufgefunden, und es bestand keine Aussicht, dass sie jemals ganz gesund sein würde. Sie sah jetzt aus wie eine alte Frau, ihre Haare wurden grau. Sie war sehr fromm geworden und nahm jeden Sonntag das Abendmahl.
In den ersten Septembertagen meldete die Vie Française, dass der Baron Du Roy de Cantel Chefredakteur geworden sei, während Herr Walter den Titel des Direktors behalte.
Jetzt wurde ein ganzer Stab bekannter Feuilletonisten, politischer Redakteure, Kunst- und Theaterkritiker den bekannten großen Zeitungen durch schweres Geld gewaltsam entrissen und bei der Redaktion als neue Mitarbeiter angestellt.
Die älteren, achtbaren, ernsten Journalisten zuckten nicht mehr mit den Achseln, wenn man von der Vie Française sprach.
Der schnelle und durchgreifende Erfolg hatte die Missachtung erstickt, die ernste Schriftsteller anfangs gegen dieses Blatt gehegt hatten.
Die Hochzeit des Chefredakteurs war ein sogenanntes großes Pariser Ereignis. Georges Du Roy und Walter hatten seit einiger Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit und Neugier auf sich gelenkt. Alle Leute, deren Namen in den Zeitungen erwähnt werden, sollten zur Trauung erscheinen.
Dieses Ereignis fand an einem sonnigen Herbsttage statt. Um acht Uhr morgens beschäftigte sich das gesamte Kirchenpersonal damit, einen breiten roten Teppich über die Stufen der hohen Freitreppe auszubreiten, die von der Rue Royal zur Kirche hinaufführt. Die Passanten waren stehengeblieben, СКАЧАТЬ