Название: Freifahrtschein
Автор: Mila Roth
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Spionin wider Willen
isbn: 9783967110265
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Noch einmal linste sie um die Ecke, doch nun waren alle drei Personen verschwunden. Janna schluckte und versuchte, ruhig zu bleiben. Es bestand kein Grund zur Aufregung. Sie hatte nichts zu befürchten, oder? Wahrscheinlich erinnerten sich die beiden nicht mal mehr an sie. Aber was, wenn doch? War sie in Gefahr? Das Pärchen gehörte einer terroristischen Vereinigung an, die sich Söhne der Sonne nannte. Markus Neumann hatte ihr erklärt, dass diese Gruppierung die Befreiung der Welt von allen Religionen anstrebte – nötigenfalls mit Gewalt. Dass sie es bitterernst meinten, hatte Janna im Juli erfahren müssen, als sie versehentlich mitten ins Fadenkreuz dieser terroristischen Aktivitäten geraten war. Glücklicherweise war die Sache gut ausgegangen, hauptsächlich dank Markus, der Agent war und für einen Geheimdienst arbeitete, der unter dem Deckmantel eines Meinungsforschungsinstituts in Bonn agierte. Unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte, blickte Janna zu ihren Eltern, die aber abgelenkt waren und den Zwillingen zuwinkten.
Sie musste den Geheimdienst verständigen. Was, wenn diese beiden Terroristen etwas Schlimmes im Schilde führten? Weshalb sonst trieben sie sich wohl hier auf dem Jahrmarkt herum? Vor ihrem inneren Auge zeichneten sich Horrorszenarien von explodierenden Bomben inmitten der Marktbesucher ab. Sie schluckte und kramte rasch ihr Handy hervor. Mit fliegenden Fingern blätterte sie durch das Telefonbuch, bis sie die Nummer von Markus Neumann fand.
***
Bonn, Kaiserstraße
Institut für Europäische Meinungsforschung
Samstag, 10. September, 17:00 Uhr
Nicht ganz sicher, ob er sich auf seinen bevorstehenden Feierabend freuen sollte, legte Markus den letzten Bericht in seine Ablage und schickte das dazugehörige elektronische Dokument an die E-Mail-Adresse des Leiters der Abteilung für interne Angelegenheiten. Dr. Schwartz hatte sein Büro wahrscheinlich längst verlassen, doch der Zeitstempel auf der E-Mail würde ihm anzeigen, wann Markus sie verschickt hatte. Er hatte keine Lust auf ein weiteres Zusammentreffen mit Schwartz, da nahm er lieber Überstunden in Kauf. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass er sich jetzt allmählich sputen musste. Ihm stand ein anstrengender Abend bevor, denn Alexa war mit Sicherheit entschlossen, aus dem gemeinsamen Abendessen mehr zu machen, als ihm lieb war. Er würde sich aber auf nichts einlassen, und wenn sie sich noch solche Mühe gab.
Vermutlich hatte Melanie recht – er sollte Alexa ein für alle Mal den Laufpass geben. Doch diese Frau war nicht nur anspruchsvoll und anhänglich, sondern auch extrem empfindlich. Falls er nicht aufpasste, konnte er einen Krieg vom Zaun brechen, der die Atmosphäre in seiner Abteilung vergiften würde. Da ging er besser den Weg des geringsten Widerstands und reichte ihr den kleinen Finger, musste jedoch auf der Hut sein, dass sie nicht gleich wieder nach der ganzen Hand griff – und nach dem Rest von ihm.
Während er noch überlegte, wie er den Samstagabend viel lieber verbringen würde, nahm er seine schwarze Lederjacke von der Stuhllehne und warf sie sich über. Auf dem Weg zum Aufzug entfernte er die in Plastik gehüllte ID-Karte, die er am Kragen seines Hemdes befestigt hatte. Er steckte sie in die Innentasche seines Jacketts, hielt jedoch inne, als sein Handy klingelte.
Als er den Namen auf dem Display des Smartphones las, runzelte er überrascht die Stirn. Mit der freien Hand drückte er den Knopf, um den Aufzug anzufordern. »Neumann?«, meldete er sich.
»Oh, gut, dass ich Sie erreiche!«, rief Janna Berg am anderen Ende der Leitung. Markus hatte den Eindruck, dass sie unter Stress stand. Im Hintergrund hörte er scheppernde Technomusik, Bässe und weitere Jahrmarktgeräusche. »Sie müssen mir helfen. Können Sie herkommen? Sie sind hier und ich weiß nicht, was ich machen soll.«
Die Furchen auf seiner Stirn vertieften sich eine Spur. »Frau Berg? Immer mit der Ruhe. Wohin soll ich kommen und wer ist dort?«
»Ich bin auf Pützchens Markt. Die zwei ... dieses Pärchen aus Herrn Wolhagens Wohnung – wissen Sie noch? Die sind hier. Ich habe sie hinter dem Autoscooter gesehen, und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Vielleicht erkennen sie mich ja, und was dann? Und was, wenn die beiden irgendwas vorhaben? Ich meine, das sind doch«, sie senkte die Stimme, sodass er sie bei dem Hintergrundlärm kaum noch verstehen konnte, »das sind doch Terroristen, oder nicht?«
Inzwischen war der Aufzug gekommen und Markus hatte bereits die Tiefgarage angewählt. Sämtliche Alarmglocken schrillten in seinem Kopf. »Das stimmt«, bestätigte er. »Wo genau befinden Sie sich jetzt, Frau Berg?«
»Am Kassenhäuschen von Raths Autoscooter. Meine Eltern sind auch da und die Kinder. Ich muss gleich zu ihnen, sonst wundern sie sich, wo ich abgeblieben bin. Aber was, wenn diese beiden ... wenn sie mich mit meiner Familie sehen? Sind wir dann alle in Gefahr?«
»Bleiben Sie ganz ruhig«, antwortete Markus. Kaum hatte sich die Tür geöffnet, war er auch schon aus dem Aufzug heraus und eilte zu seinem schwarzen Z3. »Ich bin in ein paar Minuten bei Ihnen. Lassen Sie sich nichts anmerken, aber entfernen Sie sich nicht vom Autoscooter. Solange Sie sich in einer Menschenmenge aufhalten, sind Sie in Sicherheit.«
»Aber was, wenn die beiden etwas im Schilde führen?« Jannas Stimme zitterte leicht und er fürchtete schon, sie könnte in Panik ausbrechen.
»Ich kümmere mich darum«, sagte er in beruhigendem Ton. »Behalten Sie einfach die Ruhe.« Er unterbrach die Leitung, sprang in seinen Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen an. Gleichzeitig wählte er die Nummer seines Vorgesetzten Walter Bernstein, der sich in seinem verdienten Feierabend befand.
Als Walter sich meldete, schoss Markus bereits mit überhöhter Geschwindigkeit hinaus auf die Kaiserstraße. »Walter, wir haben ein Problem. Frau Berg hat auf Pützchens Markt zwei Mitglieder der Söhne der Sonne entdeckt. Was meinen Sie? – Weiß ich nicht. Ich hatte noch keine Zeit, mit ihr darüber zu sprechen. Ich bin aber schon auf dem Weg zu ihr. Geben Sie den Kollegen vor Ort Bescheid, dass sich möglicherweise etwas tun könnte. Wir brauchen eine Code-Gelb-Alarmierung. – Ja, ich melde mich, sobald ich mehr weiß.« Markus warf das Handy auf den Beifahrersitz und konzentrierte sich darauf, den Jahrmarkt durch den Samstagabendverkehr auf schnellstem Wege zu erreichen.
4
Bonn-Beuel
Pützchens Markt
Samstag, 10. September, 17:18 Uhr
»Stimmt etwas nicht, Janna? Du wirkst ein bisschen blass. Geht es dir nicht gut?« Besorgt legte Linda ihrer Tochter eine Hand auf die Stirn. »In solchen Menschenmengen kann man leicht ...«
»Nein, schon gut, Mama. Es ist alles in Ordnung.« Mit einem gezwungenen Lächeln wehrte Janna die tastenden Finger ihrer Mutter ab. »Ich glaube, ich muss nur einen Schluck trinken und vielleicht auch einen Happen essen.« Sie schaute zu den Kindern hinüber, die noch immer mit Feuereifer ihre Runden drehten. »Ich schaue mal, was es hier Leckeres gibt. Möchtet ihr auch etwas?«
Linda wechselte einen fragenden Blick mit ihrem Mann, der den Kopf schüttelte. »Nein, danke, mein Schatz. Wir wollen ja nachher mit den Kindern in die Pizzeria. Bist du sicher, dass du jetzt essen willst? Damit verdirbst du dir doch den Appetit.«
»Ich, äh ...« In diesem Moment sah Janna Markus auf sich zukommen. Er suchte ihren Blick und deutete unauffällig in Richtung eines anderen Karussells. Ihre Erleichterung war so groß, dass СКАЧАТЬ