Geschichten aus Nian. Paul M. Belt
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Название: Geschichten aus Nian

Автор: Paul M. Belt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Nian Zyklus

isbn: 9783947086641

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СКАЧАТЬ sie sich an Lutz, der nun endlich wissen wollte, woher Malu dies alles wusste. Er fragte sie danach, woraufhin sie mit erstickter Stimme flüsterte: „Habe ich es dir gar nicht erzählt? Ich stamme aus dieser Gegend. Meine Stiefeltern haben hier früher mit mir gelebt, bis es nicht mehr ging.“

      Nun zog Lutz die Augenbrauen hoch und sah Herk an. „Solche grausamen Geschichten gehen hier um? Und dennoch schlägst du vor, es dort entlang zu probieren? Warum?“

      „Zum einen“, erwiderte Herk ruhig, „ist dies ein sehr altes Gedicht. Von der Sprache her würde ich sagen, mehrere Dekazyklen. Zu diesen Zeiten wurden viele Schauermärchen und ähnlicher Unfug geschrieben, um beispielsweise Kinder von gefährlichen Abenteuern abzuhalten. Oder Trugkerle wollten sich mit solchen Spukgeschichten vor allzu neugierigen Zeitgenossen schützen, um in Ruhe ihren dunklen Geschäften nachgehen zu können. Dummerweise geht solcher Blödsinn dann manchmal in den Volksmund über und verweilt im Gedächtnis der Menschen, obwohl die zugehörige Begebenheit längst der Vergangenheit angehört. Kurz gesagt, ich glaube nicht an diesen Stuss. Zum anderen schlage ich dies nicht leichtfertig vor. Auch ohne solche Mären zum Bangemachen ist der Weg über das Trenngebirge mit Sicherheit deutlich mühsamer als durch Wesenburg. Leider gibt es ansonsten nur zwei Alternativen: warten, bis der Weg über die Landenge wieder freigegeben wird, oder aufgeben.“

      Lutz zog die Stirn in Falten. Nach allem, was er über die Westliche Ebene gehört hatte, war mit Schwierigkeiten zu rechnen gewesen. Dass sich aber nun bereits welche ergaben, ohne dass sie auch nur in die Nähe der Ebene gekommen waren, erleichterte ihr Vorhaben keinesfalls. Hier auf dem Feld bleiben und einen Reiseabend verschenken, das konnten sie sich aber so oder so nicht leisten. „Ich möchte gern, dass Malu entscheidet, wie wir weiter vorgehen“, sagte er daher.

      Malu schaute ihn aus verquollenen Augen überrascht an. „Ich?“, stammelte sie. „Warum ich?“

      „Weil es das Größte ist, was ein Mensch tun kann, wenn er sich aus welchen Gründen auch immer seinem inneren Schatten, seinen Ängsten, stellt, um ein Werk der Liebe zu vollbringen. Herk und mich scheint dieses Gedicht nicht so zu beeindrucken wie dich – er glaubt nicht daran und für mich hat es auch keine tiefe Bedeutung, das Ganze erscheint mir eher wie eine dumme Spukgeschichte. Der Punkt ist aber: Es ist unwichtig, ob etwas davon wahr ist oder nicht. Es geht darum, inwieweit man bereit ist, seiner inneren Furcht ins Angesicht zu sehen und sie zu überwinden, egal ob andere sie nachvollziehen können oder nicht.“

      Darüber musste Malu erst einmal nachdenken. Schweigen senkte sich über den Feldrand, nur das leise Rascheln der Gräser im Wind war zu hören. Nach ein paar Mittelzeiten sprang die Federin plötzlich unvermittelt auf, stellte sich mit in die Hüften gestemmten Armen und schief gelegtem Kopf vor Lutz hin und sagte in herausforderndem Ton: „Sag mal, wie zum Worger machst du es eigentlich, immer im richtigen Moment solche neunmalschlauen Reden zu schwingen? Mann, wenn ich dieser Grusling da auf dem Pass wäre, dir möchte ich da oben nicht begegnen!“ Dann fiel sie dem überraschten Mann um den Hals, der daraufhin Herk in dessen ebenso verdattertes Gesicht blickte.

      Eine Zeit lang war es nun wieder still, bis schließlich Herk leise sagte: „Ich glaube, wir haben hier einen wirklich sehr, sehr mutigen Menschen bei uns.“

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      Brennergemeinschaft

      Zeg rieb sich verwundert die Augen. Was hatte denn diese rot blinkende Lampe an seinem Nachttisch zu bedeuten? Die hatte doch vorher nicht geleuchtet? Nachdenklich ließ sich der Brenner auf seinem bequemen Bett nieder.

      In der letzten Zeit hatten sich die Ereignisse geradezu überschlagen. Erst wenige Tage zuvor war Zeg überhastet in die Brennstätte C gerufen worden und hatte erleben dürfen, dass der dort arbeitende Lorn Gerland, der aus dem nördlichen Mittelland stammte, ebenfalls ein Brenner war. Er hatte ihm daraufhin nach Feierabend die Grundlagen des Brennens erklärt, die er selbst erst vor kurzem gelernt hatte. Lorn hatte nicht nur sehr schnell begriffen, worin seine Gabe bestand, sondern auch, dass er in ihm seinen Ersten vor sich hatte. Als Zeg dann nach dem üblichen Besuch bei seiner Familie am Wochenbeginn in der Brennstätte zur Arbeit erschienen war, hatte Lars, der Schichtmeister, ihm mitgeteilt, dass er zusammen mit Lorn von der Geschäftsführung für eine Woche von der Arbeit freigestellt worden sei und umgehend mit diesem nach Medriana reisen solle. Zeg hatte sich sofort gedacht, wer dahintersteckte. In der Tat war er kurz darauf zusammen mit Lorn von einem Wagen abgeholt worden und hatte seinen Kollegen während der Fahrt instruiert, wie es um die Dinge stand und wie man mit dem Ersten der Lindenreiter umzugehen pflegte. In Medriana war der Älteste dann auch tatsächlich zugestiegen, bevor sie gemeinsam zum großen Lager am Stadtrand gefahren waren. Schon seit zwei Tagen pendelten sie nun zwischen ihrem luxuriösen Hotel und dem Lager hin und her und fertigten Formteile für klassische Reiter-Kampfausrüstungen aus Metall an. So richtig wohl war ihnen beiden zuerst nicht dabei gewesen, aber Zeg war inzwischen davon überzeugt, dass diese Tätigkeit im Auftrag seiner Bündnisparter etwas zutiefst Ehrenvolles war. Und dies hatte wohl auch Lorn verstanden.

      Das erneut aufblinkende Licht der roten Lampe riss Zeg aus seinen Gedanken. Er musste herausfinden, was dies zu bedeuten hatte. Also griff er nach dem Sprachmodul an seinem Nachttisch und wartete, bis sich die Rezeption meldete.

      „Empfang?“, erklang eine freundliche Damenstimme aus dem Lautsprecher.

      „Ja, hallo, hier Ranolok, Zimmer 73. Bei mir am Nachttisch blinkt eine rote Lampe. Was hat es damit für eine Bewandnis?“

      „Ah, Herr Ranolok, guten Abend! Dieses Signal bedeutet gewöhnlich, dass eine Nachricht für Sie hinterlegt wurde. Einen Moment bitte … In der Tat, hier liegt ein Umschlag für Sie, mit dem Vermerk ‚Persönlich‘. Soll ich ihn auf Ihr Zimmer bringen lassen?“

      „Das wäre sehr freundlich“, sagte Zeg in etwas überraschtem Ton.

      „Selbstverständlich, ich schicke gleich den Pagen!“, ertönte es aus dem Sprachmodul. Bereits eine Mittelzeit später klopfte es an der Tür. Zeg nahm einen roten Briefumschlag in Empfang und drückte dem jungen Pagen ein paar Kupfermünzen in die Hand, der daraufhin strahlend zum Lift zurückkehrte.

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      Neugierig riss Zeg den Umschlag auf und begann, den darin enthaltenen Zettel zu lesen. Es war eine handschriftliche Notiz, die vom Ersten der Lindenreiter stammte: „Bitte erwarten Sie noch heute Abend Besuch. Mehrere Steinhauer aus dem Hulz werden in der Lobby auf Sie und Herrn Gerland warten. Die Männer werden von einem Rengat begleitet. Bitte empfangen und prüfen Sie sie so schnell wie möglich. Danke, S. Albo.“

      Zeg runzelte die Stirn und rieb sich die Nase. Bergarbeiter aus dem Hulz? Das war doch ein Mittelgebirge, das weiter östlich im Land lag – auf jeden Fall nicht um die Ecke. Hmm … wenn der Älteste plötzlich auf die Idee kam, ihm zu so seltsamer Tageszeit so viele Unbekannte vorzustellen, dann konnte dies vermutlich nur eins bedeuten: Er glaubte wohl, weitere Brenner gefunden zu haben. Das versprach ja, ein aufregender Abend zu werden! Rasch verließ Zeg sein Zimmer und klopfte bei Nr. 72 an, um Lorn zu informieren. Dieser öffnete kurz darauf etwas müde die Zimmertür. „Was gibt’s denn?“

      „Hey Lorn! Du wirst es kaum glauben, wir bekommen heute Abend Besuch von ein paar Hauern aus dem Hulz. Ich soll mir die Brüder mal ansehen.“

      „Was? Jetzt? Ist das wieder so eine Sonderaufgabe vom Ältesten?“

      „Ich vermute, er hat noch ein paar Brenner aufgegabelt. Irgendwie ist das komisch – so wie ich meine Lehrerin Marga verstanden habe, sollte eigentlich ich СКАЧАТЬ