Geschichten aus Nian. Paul M. Belt
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Название: Geschichten aus Nian

Автор: Paul M. Belt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Nian Zyklus

isbn: 9783947086641

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СКАЧАТЬ weil dort Unruhen ausgebrochen sind. Und den Leuten erzählt man nichts, damit sie sich keine Gedanken machen und weiter ihren Dingen nachgehen.“

      „Leute!“ Malu schrie fast. „Das ist eine Bruderfehde! Wollt ihr tatenlos zusehen, wie sie sich von den Blättern reißen und sich gegenseitig ihr Land in Brand setzen?“

      „Malu, bitte!“ Lutz’ tiefe Stimme beendete den Ausbruch des Mädchens. „Sollen wir vielleicht dorthin federn und uns ins Getümmel stürzen? Oder laut schreiend an alle appellieren, sie mögen doch bitte wieder freundlich zueinander sein? Da sind fünfzig, sechzig Reiter in der Luft und man weiß nicht, wie viele Kämpfer am Boden aktiv sind. Es hat seinen Grund, dass alles gesperrt ist.“

      „Warum machen diese … diese ‚Ordnungskräfte‘ nicht ausnahmsweise mal was Vernünftiges?“ Die Federin war nicht zu beruhigen. „Stellen sich doof auf die Straße und stoppen Reisende! Dorthin sollten sie gehen und den Irrsinn beenden!“ Tränen schossen ihr in die Augen.

      Herk nahm sie in den Arm. „Du hast recht. Du hast vollkommen recht. Aber du weißt auch genauso gut, dass Reiterklans das Vorrecht haben, all ihre Angelegenheiten unter sich zu regeln. Solange kein öffentliches oder anderes klanfremdes Eigentum zu Schaden kommt, können sie machen, was sie wollen.“

      „Aber sie halten Züge und Autos auf! Bestimmt wird doch auch die Straße beschädigt!“, schrie Malu in Herks Jacke hinein.

      „Malu.“ Nun war es Lutz, der zu sprechen begann. „Diese Straße führt durch unwegsames Gelände zu einem Ort, den Mederland fast aufgegeben hat. Wesenburg gehört für die Arealverwaltung gedanklich schon zur Westlichen Ebene. Und du weißt ja, dass nichts, was dort geschieht, die Verwaltungen auch nur einen feuchten Kehricht kümmert.“

      Malus tränenüberströmtes Gesicht wurde wieder sichtbar. Schluchzend kam es aus ihrem Mund: „Das heißt … wir … niemand … kann etwas tun? Warum … machen die das da überhaupt?“

      „Schau mal“, sagte Herk, „wir wissen durch unser Klantreffen ja schon seit einiger Zeit von den Unstimmigkeiten zwischen manchen Reiterklans, und die Warnung des Merkantusbaums war ja auch recht eindeutig. Die Ulme ist im Mittelland zwar weit verbreitet, ihr Hauptwuchsgebiet aber ist der Westen. Nimm jetzt mal an, die Ulmenreiter hätten sich dazu entschlossen, den Streit zu einem richtigen Kampf eskalieren zu lassen, und die Lindenreiter würden daraufhin das machen, was sie nur allzu gern tun, nämlich sich als Schirmherren des einzig echten, ehrbaren Reitertums aufführen – was würde dann deiner Meinung nach passieren?“

      Malu schaute Herk nun mit aufgerissenen Augen ins Gesicht. „Genau das, was dort gerade geschieht!“

      Ein bitteres Lächeln war die Antwort. Lutz ergriff nach einer Weile das Wort und fragte leise: „Und wie soll es jetzt weitergehen? Der Fahrer will sicherlich für das Warten bezahlt werden. Ich fürchte, wir müssen von hier aus irgendwohin federn oder bald zurückfahren.“

      „Das werden wir auch“, stimmte Herk grimmig zu. „Aber bestimmt nicht, um die Reise abzublasen. Wenn wir hier wegen der Unruhen nicht weiterkommen, können wir einen anderen Weg wählen.“

      „So?“, fragte Lutz überrascht. „Wie willst du denn auf die Ebene gelangen, wenn nicht über die Wesenburger Landenge?“

      Herk nahm die beiden anderen Federer ein wenig beiseite. „Wir gehen über den Kerstlinger Pass.“

      Lutz runzelte nur die Stirn. Er war ja nicht aus der Gegend und begriff nicht, was Herk da soeben für einen Vorschlag gemacht hatte. Malus Reaktion dagegen fiel vollkommen anders aus. „Bist du total durchgeknallt?? Du willst wirklich …!“, schrie sie mit vor Angst aufgerissenen Augen. Weiter kam sie nicht, denn Herk legte seinen Finger auf ihren Mund und machte ein finsteres Gesicht. „Schschscht!! Wollen wir das vielleicht ein wenig leiser besprechen und am besten auch anderswo?“ Er deutete mit den Augen auf den wartenden Wagen. „Wir fahren jetzt zurück zum Stadtrand, federn ein wenig in die Wildnis und dann reden wir bitte dort weiter, ja?“

      Lutz war völlig konsterniert. Er kannte Malu ja nun schon eine Weile, aber solch blanke Furcht hatte er noch nie in ihrem Blick gesehen, selbst dann nicht, als sie von ihrer Zeit im Waisenheim erzählt hatte. Das musste ja ein furchtbarer Ort sein, dieser Pass – aber woher wollte sie das wissen? Zusammen stiegen die drei erneut in den Wagen ein. Herk saß wieder vorn und bat darum, zurück nach Gehlstadt zum nördlichen Stadtrand gefahren zu werden. Der Fahrer rollte mit den Augen und wendete. Er hatte es ja gleich gewusst. Na, nun würde ihm die kleine Unterhaltung dieser seltsamen Leute eine halbe Silbermünze extra in die Kasse spülen. Auf dem Rücksitz drückte sich Malu zitternd an Lutz, der seinen linken Arm um sie legte. Was um alles in der Welt war nur fähig, diesem robusten und erfahrenen Mädchen solche Angst einzujagen?

      Nachdem Herk den Fahrer bezahlt und dieser seiner Wege gefahren war, sammelten sich die drei Federer und bedankten sich beim Gras am Straßenrand für die nun folgende Reise. Freudig nahmen die Halme sie auf und transportierten sie ein paar Mittelmaße hinein in den Graswald bis zu einem Feldrain. Dort rollten alle drei mit ihren Tragsäcken aus und setzten sich auf zwei Felsen, die dort wie natürliche Wächter das Feld vom Graswald trennten.

      „Dürfte ich jetzt eventuell weiterschreien, Herk?“ Malu hatte augenscheinlich ihren Sarkasmus wiederentdeckt. Lutz fand, dass dies ein gutes Zeichen war, und fügte seinerseits hinzu: „Ich würde auch gern wissen, was an diesem Vorschlag so durchgerädert sein soll. Ihr scheint mehr zu wissen als ich.“

      „Malu hat recht“, begann Herk. „Die Route über diesen Pass ist gefährlich. Seit vielen Zyklen hat niemand mehr die Reise dort entlang gewagt, zumindest ist nichts davon bekannt geworden. Auch Reiter überqueren das Trenngebirge zwischen Mederebene und Westlicher Ebene nicht, sie reiten nordwärts und wählen gewöhnlich den Weg über Wesenburg – so sie denn überhaupt einen Grund haben, nach Westen vorzustoßen.“

      „Niemand geht dort entlang!“ Malu zitterte wieder. „Hier kennt jedes Kind das Gedicht vom Kerstlinger Grusling und seinen Helfern! Keine zwanzig Lasttiere bekommen mich dorthin!“

      „Was für ein Gedicht?“, wollte Lutz nun wissen.

      „Soll ich es wirklich vortragen? Ich will Malu nicht noch mehr Angst einjagen, als sie sowieso schon hat“, brummte Herk. Doch da hatte Malu bereits mit zitternder Stimme zu sprechen begonnen:

      „Gedenke, gedenke und niemals verschenke

      Am Kerstlinger Passe deine Kraft

      Denn so du erreichest den Kamm vor der Senke

      womöglich du denkest, du hast es geschafft

      Mitnichten! Schon greift’s nach dem zitternden Bein

      mit Heulen und schrecklich Gejaule

      der Grusling des Passes fährt aus dem Gestein

      und packt dich mit saugendem Maule

      Herunter in die Tiefe wird fahren

      des Wanderers müdes Gebein

      so sehr er sich mühet das Leben zu wahren

      wird’s doch ein gut Ende nicht sein

      Denn so er entkommet dem finsteren Grabe

      im Felsbett gar einsam allein

      so wird er der gierigen Helfer Habe

      als СКАЧАТЬ