Geschichten aus Nian. Paul M. Belt
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Название: Geschichten aus Nian

Автор: Paul M. Belt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Nian Zyklus

isbn: 9783947086641

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СКАЧАТЬ Abteils nicht öffnen ließen, was sie zunächst sehr geärgert hatte. Die Gegend flog in einer derartigen Geschwindigkeit an ihr vorbei, dass ihr Federn dagegen geradezu wie Kriechen erschien. Mit ganz plattgedrückter Nase wollte sie schließlich auf ihrem Sitz Platz nehmen, als Lutz seinen Tragsack ergriff und meinte: „Komm, wir gehen zu den Türen.“

      „Wie, sind wir etwa schon da?“

      „Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich lieber so reisen als federn wollte“, erwiderte Herk grinsend, nachdem er sich ebenfalls seinen Tragsack wieder aufgesetzt hatte. „In wenigen Mittelzeiten erreichen wir Gehlstadt Hauptbahnhof! Mal sehen, wie wir von dort aus weiter vorankommen.“

      Auch in einer mittelgroßen Stadt wie Gehlstadt war mittags allerhand los auf dem Bahnhof. Zwar gab es hier nur sechs Gleise statt vierzehn wie in Medriana, aber dafür waren die Zugänge auch schmaler ausgelegt, so dass Malu das Gedränge als ähnlich beklemmend empfand wie in der Landeshauptstadt. Vor dem Gebäude atmete sie erst einmal tief durch. Herk winkte einen freien mietbaren Wagen heran und sprach mit dem Fahrer. Mit verwundertem Gesichtsausdruck kam er zu Lutz und Malu zurück.

      „Hier stimmt etwas nicht“, verkündete er. „Baustelle, wie? Nicht nur das Gleis nach Wesenburg ist gesperrt, sondern die Straße auch! Als der Fahrer heute Vormittag die ersten Fahrgäste dort hinbringen sollte, wurde er von Verkehrslotsen an der Weiterfahrt gehindert und musste umkehren.“

      „Verkehrslotsen? Was ist denn das?“, wollte Malu wissen.

      „Du weißt doch, dass es in größeren Städten nicht nur Dorfwarte und ihre Angestellten gibt, sondern dass dort die Gebiets- oder Arealverwaltungen besondere Kräfte stellen, die für Recht und Ordnung sorgen, nicht wahr?“

      „Ja.“ Malu rümpfte die Nase. Diesbezüglich hatte sie ihre Erfahrungen schon gemacht. Solchen Leuten sollte man tunlichst aus dem Wege gehen, wenn man als Jugendliche allein durch die Lande reiste.

      „Manchmal werden sie Ordnungskräfte genannt, manchmal Polizei oder ähnlich. Wie auch immer, zu ihren Aufgaben zählt es auch, im Fall von Unglücken oder Naturkatastrophen Reisende an der Weiterfahrt durch betroffene Gebiete zu hindern. Menschen, die dies tun, werden eben Verkehrslotsen genannt. Aber ganz abgesehen davon – hier gab es weder ein großes Unglück noch eine Katastrophe, davon hätte ich heute Morgen etwas gehört.“

      „Was also ist hier los?“, fasste Lutz mit seiner tiefen Stimme die Gedanken der drei Federer zusammen. Das war ja wirklich ausgesprochen rätselhaft.

      Vorbereitungen

      „Was er bloß mit diesem ganzen Zeug will?“, fragte Tern seinen Mitreiter. „Erst mietet die Loge fast ein halbes Flächenlangmaß Lagerräumlichkeiten hier am Nordrand Medrianas, dann werden wir hierher abgestellt und seitdem reißt der Strom an Lastwagen nicht ab, die hier anfahren. Und was haben sie geladen? Nichts als Schrott!“

      Fonn nickte. Gerade einmal eine Woche war es her, als der Dritte Rengat der Hauptloge der Lindenreiter plötzlich auf der Logenwiese aufgetaucht war, scheinbar wahllos die beiden Lekure ausgesucht und sie dann hierher transportiert hatte. Wenn etwas Derartiges unerwartet geschah, wurde es als „Sonderdienst für die Loge“ bezeichnet, was meistens bedeutete, dass man für die Zeit der Aktion nicht nach Hause kam und seine Familie die ganze Zeit über nicht sah. Nicht selten wurde einem auch ein Schriftstück vorgelegt, dass man über den Inhalt und Fortgang des Dienstes Stillschweigen zu bewahren hatte. Und tatsächlich hatten die beiden nach der Unterzeichnung eines ebensolchen Dokuments zwei Zimmer in einem Hotel am Stadtrand gestellt bekommen, dem es zwar an Luxus nicht mangelte, dafür aber an Fröhlichkeit und Leben.

      „Und du hast wirklich keinen Schimmer, was das Ganze hier soll?“ Mit dieser Frage schloss Tern seine Überlegungen ab.

      „Bruder, du weißt doch, dass ich genauso blind für den Fortgang der Dinge bin wie du“, entgegnete Fonn. „Und selbst wenn ich etwas wüsste, dürfte ich es dir nicht erzählen. Ich muss sagen, mir erscheint das Ganze genauso rätselhaft. Normalerweise lagert der Klan edle Stoffe ein, vielleicht auch Baumaterial oder Farbe oder auch schon mal Frischblätter, aber solchen Krempel?“

      „Baumaterial, hmm … könnte es das sein? Ich meine, gut fünfzig Flächenlangmaße Metall, daraus könnte man schon etwas errichten.“

      „Aus dem verbeulten Zeug? Die verrosteten Moniergitter könnte man vielleicht benutzen, aber die Autobleche, Träger und Türrahmen? Nein, lieber Tern, das Ganze ergibt in etwa so viel Sinn, wie wenn ein Riese zu reiten versuchte. Und wie ich den Rengat kenne, brauchen wir ihn gar nicht erst danach zu fragen.“

      „Und im Lekurenkreis ansprechen?“

      Fonn zeigte seinem Mitreiter einen Specht. „Bruder, bei uns gab es seit vielen Zyklen keine Degradierungen. Willst du es jetzt darauf anlegen? Wenn der Älteste überhaupt mal dort erscheint, dann lässt er dich aus dem Raum entfernen, sobald du auch nur angefangen hast, davon zu sprechen! Und hinterher darfst du dich dann bei den Rötlurmreitern als Ragnor bewerben – wenn er gute Laune gehabt hat!“

      Tern nickte mit verkniffenem Mund. Ja, damit hatte Fonn recht. Irgendwie hatte er sich vor vier Zyklen etwas anderes vorgestellt, als er nach Medriana gezogen und in die Hauptloge eingetreten war. Auch später noch, als ihn nach dem Tag des Riesenangriffs der damalige Erste zum Lekur ernannt hatte, da hatte er genau gewusst, weshalb er gern ein Lindenreiter geworden war. Nun jedoch hatten sich die Zeiten geändert. Vorbei waren die Tage, an denen man fröhlich miteinander lachte und am Ende eines festlichen Ritttages gemeinsam in die Altstadt Medrianas ging, um den Tag zünftig ausklingen zu lassen. „Freude fußt auf Ehre, Ehre fußt auf Freude“, das war dermaleinst der Wahlspruch der Lindenreiter zu Medriana gewesen. Doch zurzeit schien Freude nichts mehr zu zählen, Ehre schien auf Gehorsam zu fußen und Gehorsam auf … Weiter kam der Lekur jedoch mit seinen Überlegungen nicht, denn plötzlich öffnete sich quietschend die Tür im mittleren Metalltor des Lagerhauses und herein trat der Dritte Rengat der Hauptloge. Er kam ohne Umschweife auf den Punkt:

      „Fonn, Tern, euer Dienst hier ist beendet. Ich danke euch im Namen des Klans für eure Einsatzbereitschaft an diesem Ort. Eure Loyalität wird im Klan nicht vergessen werden. Bitte verschließt das Lager und verlasst eure Hotelzimmer innerhalb der nächsten zwei Langzeiten. Die nächsten zwei Tage habt ihr dann zu eurer freien Verfügung.“

      Das klang ja fast so, als wäre jemand endlich vernünftig geworden! Fonn verneigte sich lächelnd vor dem Rengat und bedankte sich. Tern tat es ihm zwar nach, aber konnte sich eine Frage dennoch nicht verkneifen: „Rengat, sollen wir wirklich einfach so gehen und die ganzen Dinge hier so ungeordnet ihrem Schicksal überlassen? Ich meine, was immer hier nun folgen wird, dieses Lager erscheint mir nicht gerade als unserem Klan angemessen sortiert und gepflegt.“

      Der Rengat verzog keine Miene. „Bereits in Kürze werden sich andere Kräfte, die dem Klan dienen, darum kümmern, hier Ordnung zu schaffen. Das soll dich aber nicht kümmern, Lekur. Geht nun eurer Wege.“

      Dieses Mal folgte auch Tern unverzüglich der Aufforderung seines Rengats. Dessen letzte Worte bedeuteten in der üblich höflichen Weise verbrämt nämlich nichts anderes als „verschwindet jetzt“. Die beiden Lekure traten durch die Tür ins Freie und ergriffen ihre Blätter, die sie am Morgen neben dem Lager an einem schattigen Platz abgelegt hatten. Kurze Zeit später ritten sie in Richtung ihres Hotels davon.

      Der Rengat sah ihnen nach, bis sie am Horizont verschwunden waren. Danach öffnete er mit einem Schlüssel das kleine Büro des Lagerhauses und schaltete den dortigen Teleskriptor ein, um anschließend eine einzige Zeile auf der Tastatur einzugeben: „Der Rost ist frei zum Befeuern.“ СКАЧАТЬ