Landsby. Christine Millman
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Название: Landsby

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Landsby

isbn: 9783947634927

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СКАЧАТЬ Moment nach hinten kippen. Ich schiebe Paul von meinem Schoß, stehe auf und stelle mich neben sie.

      »Fühlst du es?«, fragt sie.

      Ich nicke, breite ebenfalls die Arme aus und lege den Kopf in den Nacken. Die Höhe macht mir nicht mehr das Geringste aus. Das Geländer drückt gegen meinen Rücken, warmer Wind streichelt mein Gesicht und wirbelt meine Haare auf. Paul schiebt sich zwischen uns. Er lacht und mir fällt auf, wie ebenmäßig seine Zähne sind. Und weiß. Mit was er wohl die Zähne putzt? Zahnpaste ist ein seltenes Gut in der Kolonie.

      »Ich gehe nicht ins Zuchtprogramm«, sage ich. Die Worte strömen einfach so aus mir heraus.

      Manja und Paul sehen mich verwirrt an.

      »Was?«, sagt Manja.

      Ich richte mich auf, stoße mich vom Geländer ab und lasse mich zu Boden sinken. »Ach nichts.«

      Meine Freunde folgen mir, gemeinsam bilden wir ein Knäuel aus Gliedmaßen. Manjas Gesicht ist direkt neben meinem. Es leuchtet wie ein Stern. Sie presst ihre Lippen auf meinen Mund. Sie sind warm und weich. Pauls Hände streicheln meinen Körper. Ich schließe die Augen und schwebe davon.

      Ein Sonnenstrahl kitzelt mich wach. Ich öffne die Lider und blinzle in die Morgensonne. Mein Rücken schmerzt, die Zunge klebt am Gaumen und mein Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt. Die üblichen Nachwirkungen der Pilze.

      Stöhnend reibe ich über meine pochende Stirn. »Scheiße, die Dinger waren heftig.«

      Paul rappelt sich ächzend auf. Sein Haar ist zerzaust. »Wie viel Uhr ist es?«

      Ich beschatte meine Augen und blicke zum Himmel hinauf. Eigentlich müsste ich die Uhrzeit am Stand der Sonne ablesen können, doch bei dem Thema habe ich im Unterricht nicht besonders gut aufgepasst. »Keine Ahnung. Acht vielleicht.«

      Manja liegt zu meinen Füßen mit dem Kopf auf meinen Schienenbeinen. Bestimmt wird ihr Genick schmerzen, wenn sie aufwacht. Ihr Mund steht offen, ein getrockneter Speichelfaden klebt an ihrem Kinn. Grinsend beuge ich mich vor und zupfe an ihrem Haar. Im Schlaf wirkt ihr Gesicht viel weicher, fast schon mädchenhaft.

      Paul reicht mir eine Flasche Wasser. »Ihr habt den Morgenappell verpasst.«

      Dankbar nehme ich die Flasche entgegen und leere sie bis zur Hälfte. Den Rest hebe ich für Manja auf. »Egal. Es ist sowieso die letzte Schulwoche.«

      Schlagartig kehrt die Erinnerung an das Gespräch mit meinem Vater zurück. An die Pläne, der er für mich hat. Ich soll ins Reproduktionsprogramm, weil ich jung und zeugungsfähig bin. Ich soll eine Gebärmaschine werden.

      Scheiße.

      Mein Magen krampft sich zusammen. Bloß nicht darüber nachdenken, sonst muss ich kotzen.

      Mit den Fingern kämme ich mein zerzaustes Haar und pule die Schlafpopel aus meinen Augen. Es ist der verzweifelte Versuch, normal und unbekümmert zu wirken, als wäre alles wie immer. Derweil weckt Paul die total verkaterte Manja. Sie verträgt die Pilze wesentlich schlechter als wir.

      Paul geht nachhause. Seit einem halben Jahr arbeitet er in der Biogasanlage. Diese Woche hat er Spätschicht. Manja und ich traben direkt ins Schulhaus, ungewaschen und hungrig, wie wir sind. Wir nehmen die Abkürzung über den Marktplatz, wo sich um diese Zeit haufenweise Menschen tummeln, um ihre Essensmarken einzulösen, und klettern dann über den Holzzaun ins Maisfeld. Dabei müssen wir achtgeben, nicht gesehen zu werden, damit die Aufpasser nicht denken, wir würden Essen klauen. Das ist so ziemlich das schlimmste Vergehen in der Kolonie, das in vielen Fällen mit Verbannung bestraft wird.

      Das Unterrichtshaus liegt etwas außerhalb in Nähe des Steinwalls. Seit zwei Jahren geht es fast nur noch um den Erhalt der Kolonie, um Genetik und die Gefährlichkeit von Mutationen, um Fortpflanzung und Ethik. Dazu werden verschiedene Tests durchgeführt, um unsere Begabungen herauszufinden. Manja hat, welch Überraschung, technisches Geschick und bekommt wahrscheinlich einen Ausbildungsplatz in der Geotherme. Ich kann eigentlich nichts besonders gut und würde wohl nur mithilfe meines Vaters einen anständigen Ausbildungsplatz bekommen. Wenn ich ins Zuchtprogramm muss, ist das allerdings hinfällig. Vielleicht ist das ja mein Talent: Kinder gebären.

      Der Unterricht hat bereits begonnen. Einundzwanzig siebzehn bis Achtzehnjährige sitzen auf Plastikstühlen und hören gelangweilt zu, wie eine verhärmte Mittvierzigerin über die Klimaerwärmung schwadroniert. Sie lässt Manja und mich gar nicht erst Platz nehmen sondern schickt uns direkt zum Schulleiter, einem dickleibigen Oberst der Neuen Armee.

      Er kommt sofort zur Sache. »Sie beide haben den Morgenappell verpasst. Darf ich den Grund dafür erfahren?«

      Die Fragerei nervt mich, weil mein Kopf schmerzt und mein Magen knurrt und ich ununterbrochen an das Gespräch mit meinem Vater denken muss. Ich schnaube und sage dem Schulleiter, was er mich mal kann. Entrüstet brummt er mir zwei Tage Strafdienst in den Ställen auf. Manja sieht mich stirnrunzelnd an. Mir ist klar, dass sie sich über mein Verhalten wundert. Normalerweise begehre ich nie lautstark auf. Wie sähe das aus, wenn die Tochter des Kommandanten gegen die Obrigkeit rebelliert? Aber als angehende Heldin darf ich auch mal aufmüpfig sein, finde ich. Dummerweise habe ich keine Vorteile, solange niemand von meinem aufopfernden Heldentum weiß, und muss den Strafdienst deshalb hinnehmen.

      Schlecht gelaunt lasse ich den Unterricht über mich ergehen. Da wir großen Hunger haben, schnorrt Manja Maisbrot von einer pummeligen Dreizehnjährigen namens Melinda. Ihre Eltern arbeiten als Wissenschaftler im medizinischen Zentrum. Die Arbeit wird gut bezahlt und sorgt dafür, dass sie immer ausreichend Essen dabei hat. Sie kann uns nicht leiden, hat aber Angst vor Manja, deshalb gibt sie ihr das Brot. Richtig satt macht es nicht, aber wenigstens schlottern mir nicht mehr die Knie vor Hunger und ich kann mich wieder auf mein Elend konzentrieren.

      Nach dem Mittagessen gehe ich direkt zu den Viehweiden, um meinen Strafdienst anzutreten. Bei dem Gestank, der mir am Eingang des langen Flachgebäudes entgegenwallt, bereue ich meinen Ausbruch vom Morgen. Berge von Scheiße und Pisse, gebunden in einem nach Schwefel riechenden Spezialgranulat verursachen ein betäubendes Aroma. Pilze hin oder her - ich verstehe nicht, wie Manjas Bruder hier arbeiten kann. Es ist einfach nur ekelhaft.

      Der wortkarge Vorarbeiter drückt mir Gummistiefel und eine Schaufel in die Hand und deutet auf eine kreisrunde Öffnung im Boden. »Kipp das Zeug da hinten in das Loch.«

      Missmutig streife ich die Stiefel über und lege los. Wenn ich mich beeile, kann ich vielleicht noch eine Stunde mit Manja zum Fluss. Sobald ich das Granulat aufwühle, wird der Gestank unerträglich. Brechreiz schnürt mir die Kehle zu und ich versuche, nur durch den Mund zu atmen. Zudem ist das Zeug verdammt schwer, so voll gesogen mit Pisse und Scheiße. Meine Arme zittern, als ich die gefüllte Schaufel anhebe. Keuchend schleppe ich sie zu dem Loch im Boden, von wo aus das Granulat in einen unterirdischen Container fällt. Aus dem Zeug wird Biodiesel hergestellt, hat Manjas Bruder uns erklärt.

      Eine halbe Stunde später bin ich schweißgebadet. Weitere zehn Minuten später lehne ich mich erschöpft auf die Schaufel. Meine Knie zittern. Ich bin am Ende. Der Vorarbeiter sieht zu mir herüber und schüttelt den Kopf. »Beeil dich. Du musst fertig werden, bevor die Kühe von der Weide kommen.«

      Ich schlucke die Beschimpfung, die auf meinen Lippen liegt, und arbeite weiter. Wenigstens lenkt mich die Plackerei von meinen Sorgen ab, weil ich zu beschäftigt damit bin, nicht umzukippen oder zu kotzen. Als ich endlich Feierabend habe, kann ich kaum noch gehen. Jeder Muskel in meinem Körper schmerzt und bestimmt habe ich fünf Liter Wasser ausgeschwitzt. Ich schleppe mich nachhause, dusche mich, СКАЧАТЬ