Landsby. Christine Millman
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Название: Landsby

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Landsby

isbn: 9783947634927

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СКАЧАТЬ meinem Elend herausplatze.

      »Zum Laufen bringen«, antwortet Paul. Er beugt sich vor und greift nach dem Schraubenschlüssel. Blonde Haarsträhnen fallen in seine Stirn.

      »Bald haben wir‘s. Es startet schon«, fügt Manja hinzu und betätigt die Zündung. Das Ding knattert und hustet dunklen Rauch aus, dann springt es tatsächlich an.

      »Ich bin beeindruckt«, lobe ich, werfe einen Blick in die Runde und beuge mich näher. »Habt ihr Pilze?«

      Manja legt den Finger an die Lippen. Paul sieht sich hektisch um. Niemand ist in der Nähe, die meisten sitzen beim Abendessen. Ein paar Soldaten der Neuen Armee patrouillieren am Rand der Wellblechsiedlung, doch sie sind zu weit entfernt, um uns zu hören.

      »Manja hat das Zeug beim Wasserturm versteckt«, flüstert er. »Wenn wir hier fertig sind, können wir einen Abstecher machen.«

      Ich halte den Daumen hoch, um meine Zustimmung zu signalisieren. Der Tag ist so beschissen, dass ich einen kleinen Trip gut gebrauchen kann.

      Mit einem Stottern und Husten säuft der Motor des Mofas ab. Manja stößt einen unwilligen Laut aus und wischt ihre Hände an einem Lappen ab, der nicht so aussieht, als würde er noch irgendwas reinigen, ölverschmiert, wie er ist.

      »Vielleicht solltest du dir lieber die Hände waschen«, schlage ich vor.

      Manja zuckt mit den Schultern. Wasser und Seife gehören definitiv nicht zu den Dingen, denen sie besondere Bedeutung beimisst.

      Seit dem großen Sterben wird der Wasserturm nicht mehr genutzt. Paul behauptet, er sei mindestens zweihundertfünfzig Jahre alt. Wenn das stimmt, hat das Ding sich gut gehalten. Ich lege den Kopf in den Nacken und schaue nach oben. Kaum vorstellbar, dass der riesige, stählerne Behälter an der Spitze des Turmes irgendwann tatsächlich gefüllt war. Dass es eine Zeit gab, in der Wasser in Hülle und Fülle vorhanden war.

      Hintereinander klettern wir die schmale Leiter hinauf. Rost bröselt auf meinen Kopf, den Manja über mir mit ihren Füßen löst. Ich drehe das Gesicht weg, vermeide aber zugleich, nach unten zu sehen. Die Höhe ist mir nicht geheuer. Auf dem Steg, der um den Wasserbehälter herumführt, hocken wir uns schließlich hin. Ich schiebe meine Beine durch die Streben am Geländer und lasse sie baumeln. Manja zieht die Tüte mit Zauberpilzen aus der Hosentasche und hält sie mir hin.

      Ich fische ein Stück heraus und drehe es in meinen Fingern. Es ist schrumplig und braun und sieht nicht besonders appetitlich aus, aber es verschafft mir ein paar unbeschwerte Stunden. »Woher hast du die?«

      »Woher schon? Von meinem Bruder natürlich«, sagt sie grinsend.

      Manjas Bruder Lenno arbeitet in den Ställen bei den Viehherden. Nicht gerade ein Traum, aber auf der Weide, in dunkler, vom Urin der Rinder getränkter Erde, wachsen die Pilze. Ich stecke mir das Stück in den Mund und zerkaue es langsam. Es schmeckt ein wenig bitter und modrig, als hätte es in einem feuchten Keller gelegen. »Wollte er nicht wechseln?«, frage ich.

      Manja zuckt mit den Schultern. »Er hat sich‘s anders überlegt. Die Pilze sind eine gute Nebeneinnahme.« Sie sagt das leichthin, als wäre es nichts Besonderes, aber wir beide wissen, dass es das sehr wohl ist. Ihr Bruder schöpft sein Potenzial nicht aus, weil er das Geld braucht, das er für die Pilze bekommt. Damit bringt er die gesamte Familie durch.

      »Hat er keine Angst, erwischt zu werden?«, fragt Paul.

      Ich rolle mit den Augen. Paul ist der Gesetzestreue von uns, derjenige, der sich immer an die Regeln hält. Okay, fast immer. Zauberpilze zu essen ist definitiv verboten und er tut es trotzdem - dank unseres schlechten Einflusses. Aber im Gegensatz zum Handel mit Pilzen wird der Genuss nicht mit Verbannung bestraft.

      Manja lehnt sich zurück und schließt die Augen. Die Pilze beginnen, zu wirken. »Na wenn schon?«, seufzt sie versonnen. »Vielleicht ist die Außenwelt gar nicht so übel. Man ist frei, ohne diese Idioten von der Neuen Armee.«

      »Aber auch ohne Schutz und medizinische Versorgung, ohne Essen und Trinken und Kleidung. Da draußen kämpfst du ums Überleben«, entgegnet Paul.

      Ein Gedanke schält sich aus den Tiefen meines Unterbewusstseins. »Ich weiß nicht. So viele Menschen sind verbannt worden, vielleicht haben sie eine neue Zivilisation gegründet und wir wissen es nicht, weil wir hinter dieser Mauer hocken und uns nicht rausgetrauen. Irgendjemand da draußen tut sich jedenfalls zusammen, sonst könnten sie nicht unsere Vorratsspeicher überfallen.«

      Paul zuckt mit den Schultern. »Das sind hauptsächlich Mutanten. Mein Vater sagt, die Verbannten überleben keine zwei Jahre. Entweder macht die Außenwelt sie fertig oder die Mutanten. Die sind wie wilde Tiere.«

      »Wilde Tiere kann man zähmen«, sage ich.

      »Oder töten«, fügt Manja hinzu.

      Paul schnaubt. »Die sind aber schlauer und das macht sie gefährlich.«

      Das Thema Mutanten nervt mich. Außerdem ist mir schwindlig. Ich lehne mich gegen das kühle Metall des Wasserbehälters und schaue zu den Sternen hinauf. Sie flimmern, dehnen sich aus, strahlen auf mich hinab wie winzige Sonnen. Das Leuchten überschwemmt meine Sinne, bis ich an nichts anderes mehr denken kann, als die unendliche Weite über mir. »Wir sollten expandieren«, sage ich.

      »Hä?«, macht Manja.

      Ich strecke die Arme Richtung Nachthimmel und greife nach dem Leuchten, beobachte, wie sich das Sternenlicht an meinen Fingerspitzen sammelt und über meine Hände fließt. »Wenn wir alle Kinder bekommen, dehnen wir uns aus, werden größer und größer wie ein Ballon. Ein Ballon aus menschlichen Leibern.«

      »Bis wir platzen«, sagt Paul.

      Manja lacht und ich falle in ihr Lachen mit ein.

      Der Himmel wirkt verzerrt und wölbt sich über mir wie eine riesige Kuppel, deren Anfang und Ende ich nicht ermessen kann. »Ich muss mich vermehren«, flüstere ich. Meine Zunge ist seltsam schwer. »Bis ich allein die ganze Erde bevölkert habe.«

      Paul legt sich auf den Rücken und bettet den Kopf in meinen Schoß. »Soll ich dir dabei helfen?«

      Grinsend streichle ich über sein blondes Haar. Es schimmert golden im Licht des Mondes. Sein Gesicht leuchtet wie die Sterne, die blauen Augen verschwimmen zu einem dunklen Fleck auf seiner Stirn.

      »Du bist so schön«, stelle ich fest, während ich mir eine Strähne seines Haares um den Finger wickle. Mit den Fingerspitzen ertastet er mein Gesicht. Es kitzelt, als würden Ameisen über meine Haut krabbeln.

      Manja neben mir erhebt sich und beugt sich über das Geländer. »Ich steh auf Frauen«, schreit sie. Ich kichere, während Pauls Ameisenfinger noch immer meine Wange streicheln.

      Manja dreht sich zu mir um. »Ich liebe dich Jule.«

      Irgendwo in den Tiefen meines Gehirns weiß ich, dass sie mir gerade etwas Bedeutsames gesagt hat, doch mein Zauberpilz umnebelter Geist fügt es nahtlos in die leuchtenden Gedanken und Bilder in meinem Kopf.

      »Ich liebe euch alle beide«, sage ich und meine es auch so. Paul, Manja und ich sind wie die göttliche Dreieinigkeit. Inkarnationen des Lichts.

      Manja СКАЧАТЬ