Название: Vom Wind geküsst
Автор: Lin Rina
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783959913683
isbn:
Es war herrlich. Viel zu kalt, aber wundervoll. Genau das, was ich jetzt brauchte, um wieder einen freien Kopf zu bekommen.
Zitternd und mit schnellen Zügen schwamm ich zurück ans Ufer und rieb mich im seichten Wasser mit kleinen Kieseln ab.
Mir klapperten die Zähne, aber ich schrubbte weiter, bis meine Haut kribbelte und von allein wieder warm wurde. Sorgfältig kämmte ich mir die Haare mit den Fingern durch, die im nassen Zustand dunkler aussahen, als sie eigentlich waren, und zog einige Blätter und Ästchen heraus, die vom Kampf mit Justus stammen mussten.
Ich zwang mich, alle Gedanken daran aus meinem Kopf zu verbannen, um später darüber nachzudenken. Diesen seltenen stillen Moment wollte ich nicht kaputtmachen.
Noch einmal tauchte ich im tieferen Wasser unter, um die Sandreste abzuwaschen, und stieg ans Ufer, um mir die Haare auszuwringen. Der Wind wirbelte um mich herum und pustete mich in der langsam wärmer werdenden Morgensonne trocken. Rasch schlüpfte ich wieder in meine Kleider und machte mich mit nassen Haaren auf den Weg zurück zu den Wagen.
Nicht mehr lange und wir würden weiterreisen. Zum nächsten Dorf.
Sicher rief Tanja gleich zum Essen und danach trieben wir die Kappa von ihrem Weideplatz unweit der Lichtung, um sie vor die Wagen zu spannen.
Tanzend zog der Wind seine Kreise über den Waldboden, rauschte nun sehr viel sanfter in die Baumkronen und ärgerte einige Vögel, die darin nisteten.
Ich lächelte. Meine Wut hatte ich im See abgewaschen, doch der harte Klumpen im Bauch war geblieben. Und auch der Schmerz in meinem Herzen.
Es würde wohl noch eine Weile an mir nagen und ich würde mich in Zukunft hüten, Justus beim Flirten zuzusehen. Vielleicht erleichterte mir das die ganze Sache. Oder auch nicht.
Ich seufzte und schüttelte die Haare auf, damit der Wind sie schneller trocknen konnte.
Justus dachte bestimmt, ich hätte den Verstand verloren. Schließlich hatte ich ihn ohne Vorwarnung angegriffen. Jetzt, da die Wut verraucht war, wunderte ich mich über meinen Mut und fragte mich, wie ich so etwas Peinliches hatte tun können. Schließlich hatte ich ihn angegriffen und versucht, ihn zu schlagen. Mein Herz hatte sich mal wieder über meinen Verstand erhoben und wir waren über den Boden gerollt, sodass er …
Meine Ohren wurden sofort feuerrot, als ich daran zurückdachte, wie er auf mir gelegen hatte.
Bei allen Winden. Und ich wusste genau, dass es mir gefallen hatte.
Frustriert bedeckte ich mein Gesicht mit den Händen.
Wie sollte das nur weitergehen?
5
Der Wagen ruckelte heftig, als wir vom weichen Waldboden auf den festen Weg ratterten.
Das Kappa, das vorgespannt war, muhte empört, da die Halterung an seinem Rücken zog.
Ich mochte diese riesenhaften, gutmütigen Tiere. Sie hatten so freundliche Augen und waren doch auch beeindruckend mit ihren breiten Hufen und den zwei in Spiralen gedrehten Hörnern.
Zwar reiste man mit ihnen nicht besonders schnell, aber dafür hatten sie Ausdauer und waren stark. Jedes von ihnen zog allein einen Wagen.
Da ich nicht zuständig war für die Kappa, beschäftigte ich mich wenig mit ihnen. Vor allem, weil der Wind sie besonders gern ärgerte und ich ihn dazu nicht auch noch anstiften wollte.
Heute früh saß ich bei Hanna auf dem Kutschbock und sah dabei zu, wie der Wind dem massigen Tier Wirbel in das bastartige Fell drehte.
Hanna hielt die Zügel, wobei es nicht viel zu tun gab, da das Kappa in gleichmäßigem Trott dem Gefährt vor uns folgte.
Sie sah müde aus, jedoch nicht so sehr wie Mei und Ayo, die sich hinter uns an die Wagenwand lehnten. Bei jedem Schlagloch hielten sie sich mit schmerzerfüllter Miene den Kopf, tranken abwechselnd aus einem Wasserschlauch und blinzelten in die strahlende Morgensonne.
»Wie wäre es mit ein paar Wolken, Cate?«, stöhnte Ayo und zog sich ihr dunkles, krauses Haar vor die Augen.
Mei äußerte sich nicht. Sie wusste, was ich davon hielt, wenn sie Wein trank. Würde sie jammern, bekäme sie eine Standpauke und darauf hatte sie wohl keine Lust.
Ich im Übrigen auch nicht. Gedankenverloren starrte ich in die Luft und war froh, mit niemandem reden zu müssen.
Hanna war glücklicherweise feinfühlig genug, um mich in Ruhe zu lassen.
Der Wind kitzelte das Kappa, streifte darüber hinweg, raschelte durch Blätter und tanzte mir durchs Haar. Die Zeit verging still. Der Wald zog an uns vorbei, wurde lichter und schlussendlich ließen wir ihn hinter uns.
Zu beiden Seiten der Straße erstreckten sich bald goldene Felder. Mais, der schon hoch stand, Weizen und Hafer, so weit das Auge reichte.
Zwischendurch hielten wir an einem Bauernhof, damit Tanja Eier kaufen konnte.
Bree kam von einem der hinteren Wagen zu uns und setzte sich zu Ayo und Mei, die ihr müßig Platz machten.
Auch Bree hatte schon mal besser ausgesehen. Da ihre Haut von Natur aus blass war, wirkte sie noch kränklicher als ihre Freundinnen.
»Meine Brüder nerven mich zu Tode«, jammerte sie und ich verdrehte die Augen. Ihre zwei jüngeren Brüder waren nicht immer einfach zu handhaben. Aber das lag wohl in der Familie.
Elia war zwölf und Cookie im letzten Monat acht geworden. Bei beiden würde es noch dauern, bis sich ihre Feuerkräfte entwickelten. Bree, die schon seit etwas mehr als zwei Jahren im Vollbesitz ihrer Kunst war, rieb ihnen diese Tatsache nur zu gern unter die Nase.
Zumal Jungen da sowieso später dran waren. So wie ich das bisher beobachtet hatte, erwachten die Feuerkräfte bei ihnen etwa im sechzehnten Lebensjahr. Das musste etwas mit der körperlichen Entwicklung zu tun haben. Mädchen waren da, wie bei so vielem, zwei Jahre früher dran.
Ayo legte wortlos die Arme um Bree, die ihr Gesicht in Ayos strubbligem Haar vergrub, als die Wagenkolonne sich wieder in Bewegung setzte.
»Mei«, murmelte Bree und schob ihren dicken roten Zopf zurück. »Was ist denn mit deinem Bruder los?« Sie streckte die Hand nach dem Wasserschlauch aus.
»Mit welchem?«, fragte Mei und reichte ihn ihr.
»Justus«, antwortete Bree und in mir machte sich sofort zittrige Aufregung breit, die mich hellhörig werden ließ, ob ich nun wollte oder nicht.
Vorhin war ich Justus aus dem Weg gegangen, nachdem ich das Lager wieder erreicht hatte. Die Kappa waren schon eingespannt gewesen und jeder hatte noch einmal nachgesehen, dass nichts vergessen wurde. Justus war beschäftigt und ich hatte mich eilig im grünen Wagen versteckt, bis wir losfuhren.
»Keine Ahnung, was ist denn mit ihm?«, stellte Mei die Gegenfrage und lehnte sich nach hinten. Bis das nächste Schlagloch СКАЧАТЬ