Название: Waidmannsruh
Автор: Alexandra Bleyer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Sepp Flattacher
isbn: 9783960416456
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Kerstin beherrschte – typisch Frau? – Multitasking: Sie konnte Autofahren und zuschlagen zugleich.
Vielleicht sollte er das mit dem Ärgern noch einmal überdenken. Kerstin war eindeutig nicht in der Stimmung für lockeres Geplänkel, und das hatte weniger mit ihrer Arbeit als Polizistin zu tun als mit ihrem Privatleben. In der Beziehung mit dem Spittaler Kollegen Michl Berger, in die sie sich im Herbst gestürzt hatte, schien jetzt Funkstille zu herrschen. Zuvor Liebesurlaub am Meer, bei dem die beiden kaum aus dem Hotelzimmer gekommen waren, wie Kerstin mit Herzerln in den Augen und ohne Rücksicht auf Martins Schamgrenze berichtet hatte; dann aber war keine Rede mehr von einem gemeinsamen Weihnachtsfest. Was genau los war, wusste Martin nicht. Obwohl Kerstin sonst überaus mitteilsam war, zeigte sie sich gegenwärtig ungewohnt schweigsam. Und mit ihrer Laune konnte sie schon fast dem cholerischen Gerhard Koller Konkurrenz machen.
»Okay, machen wir es gemeinsam«, gab Martin sich daher kompromissbereit und rieb sich verstohlen den Oberschenkel.
»Gute Idee. Du erzählst es ihm, und ich koch ihm einen Kaffee.« Kerstin hatte eine recht eigenwillige Vorstellung von Arbeitsteilung. »Hoffentlich hat Gerhard ein paar Kekse übrig gelassen! Die wird der Chef brauchen.«
Sie waren ein eingespieltes Team. Auf der Polizeiinspektion eingetroffen, eilte sie voraus in den Aufenthaltsraum und aktivierte die Kaffeemaschine. Das stoßweise Knattern des Aufheizvorganges hatte auf der PI Signalwirkung, durchaus vergleichbar mit jener einer Sirene auf Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr.
Gerhard trottete wie ferngesteuert herein und holte sich seine Tasse aus dem Oberschrank, ein Erinnerungsstück an seinen Mallorca-Urlaub. Die Angst, jemand aus der Kollegenschaft könnte diese unerlaubt verwenden, war völlig unbegründet. Eher würde Martin den Kaffee aus einem Glas trinken, bevor er diese Tasse nahm, prangte darauf doch ein Urlaubsfoto von Gerhard mit seiner Holden.
Noch bevor Martin an Treichels geschlossene Kanzleitür klopfen konnte, wurde diese aufgerissen. Wie gesagt: Feuerwehrsirene.
»Gibt’s was Neues?«, fragte Treichel.
»Leider ja.«
Martin folgte dem Chef in den Aufenthaltsraum.
Kerstin schob achtlos den vertrockneten Adventskranz mit den niedergebrannten Kerzen zur Seite, der immer noch auf einer zerknudlten Serviette mit kitschigen Weihnachtsmännern mitten am Tisch stand; noch hatte sich niemand erbarmt und ihn entsorgt. Zwar war Martin heute Morgen geneigt gewesen, ihn in der Biomülltonne zu versenken, aber dann hatte er mit sich selbst gewettet: Würde der Adventskranz noch zu Ostern dastehen? Gut möglich.
Treichel sackte auf seinem Lieblingsplatz auf der Eckbank nieder, Kerstin stellte die Kaffeetasse vor ihm hin, bevor sie ihm auffällig unauffällig den noch immer gut gefüllten Keksteller heranschob. Es war der Letzte seiner Art im ausklingenden Jahr. Seit Mitte November hatten edle Spenderinnen immer wieder Kostproben aus den häuslichen Backstuben vorbeigebracht – sie hatten schon gewitzelt, dass die fleißigen Bäckerinnen die Polizei anfüttern wollte, allerdings waren Hintergedanken bei diesen auszuschließen; in einer gemeinsamen Kraftanstrengung hatte die gesamte Polizeidienststelle dafür gesorgt, dass sie nicht schlecht wurden. Obwohl Martin, wenn er ganz ehrlich war, jetzt nach Weihnachten auf Kekse verzichten konnte. So wie der Reindling mit Schinken und scharfem Kren ausschließlich zu Ostern schmeckte, passten sie für ihn nur in der Adventszeit. Schon am Heiligen Abend wollten sie nicht mehr richtig rutschen.
Der Chef starrte auf Kaffee und Gebäck und hob dann mit einem Seufzer den Kopf. »So schlimm?«
»Nervennahrung«, erwiderte Kerstin. »Kann nicht schaden.«
»Hättets halt die blöden Kaninchen behalten und nicht an den Kindergarten verschenkt. Dann könntets jetzt die Viecherln kraulen als Entspannungstherapie.« Gerhard lachte hämisch und machte mit der begleitenden Scheibenwischergeste klar, was er davon hielt.
Ehrlich gesagt waren Martin die Kaninchen ans Herz gewachsen, sowohl das durch Kerstin mutig gerettete Lenchen wie auch der kleine Willi, den Treichel in der Tierhandlung gekauft hatte, damit Lenchen nicht so allein war. Allerdings hatten sie am Posten dieselbe Erfahrung gemacht wie viele Eltern, die sich von ihren Kindern dazu breitschlagen ließen, ein Haustier anzuschaffen: Niemand wollte den Käfig sauber machen; von Kerstin entworfene Putzpläne waren ebenso nutzlos wie der auf dem Küchenkasten aufgehängte Zettel, der daran erinnerte, doch bitte das gebrauchte Geschirr in den Geschirrspüler zu räumen. Daher: Kindergarten.
»Weißt, was noch a gute Nervennahrung wäre?«, fragte Treichel. »Rumkugeln. Oder meinetwegen auch Linzeraugen. Heute in der Früh waren noch sieben Linzeraugen und acht Rumkugeln da. Und jetzt? Ist nur noch trockenes Grafl da! Irgendwer hier frisst den anderen immer die Besten weg!«
Es war ein offenes Geheimnis, dass sich Gerhard wie ein Geier auf jeden neu eintreffenden Keksteller stürzte und das Unterste nach oben kehrte, um an seine Lieblingssorten zu gelangen – die aber auch den anderen schmeckten.
»Es kann doch wohl jeder nehmen, was er will«, verteidigte er sich.
»Kollegial ist das aber nicht«, polterte Treichel.
»Du pickst dir überall die Rosinen heraus«, legte Kerstin noch einen drauf. »Wie bei der Arbeit!«
Mit knallroten Ohrwaschln fuhr Gerhard vom Stuhl hoch und stützte seine Hände auf den Tisch. »Was soll denn das heißen? Ha?«
»Du drückst dich, wo du nur kannst!«
Normalerweise nahm Kerstin den Kollegen mit Humor oder beschränkte sich aufs Sticheln, aber jetzt traf ihre Liebeskummerlaune auf Gerhards Dauergrant; eine Kombination wie Schießpulver und Flammenwerfer.
Zum Glück war Treichel nicht gewillt, sich das Theater lange anzusehen.
»Schluss damit!«
»Chef, das muss ich mir von der Kerstin nicht bieten lassen! Sie –«
»Schluss, habe ich gesagt!«
Gerhard kniff trotzig die Lippen zusammen, knickte aber unter Treichels hartem Blick ein und sagte – vorläufig – nichts mehr. Martin war aber sicher, dass sich die beiden sofort wieder an die Gurgel gehen würden, sobald der Chef außer Hörweite war. Der heutige Dienst drohte sehr, sehr lang zu werden.
»Also, Martin, was gibt’s Neues?«
Treichel nahm sich gleich zwei Kekse – Hausfreunde, wenn Martin richtig riet – auf einmal. Wie war das mit dem Teufel in der Not? So trocken konnten die als Grafl geschmähten Leckereien also gar nicht sein.
»Es gab einen Einschleichdiebstahl im ›Hotel Bergjuwel‹. Einer Niederösterreicherin wurde neben Geld ein wertvoller Smaragdring gestohlen.«
»Selba schuld. Was nimmt sie denn teuren Schmuck mit in den Urlaub«, gab sich Gerhard unberührt. »Den wird wohl ein Stubenmadl gfladert haben.«
»Vielleicht. Aber der Tathergang …« Martin wechselte einen Blick mit Kerstin und holte tief Luft. »Sie gab an, dass ihr der Ring direkt vom Finger gestohlen wurde, während sie schlief.«
»Wie bitte? Die muss das doch gemerkt haben«, japste Gerhard.
»Die hat bummfest geschlafen«, sagte Kerstin.
»Betäubt?«, fragte Treichel und zog sich СКАЧАТЬ