Название: Alles aus Neugier
Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783903217393
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Hat Katharina Schratt zwischen 1910 und 1916 den Kaiser geheiratet?
Und kurz nach Elisabeths Tod vermerkte Marie Valerie, datiert mit dem 11. Juli 1899: »Lossagen wird er sich nie und nimmer von ihr (Frau Schratt, Anm.), und heiraten kann er sie ja leider nicht, denn sie ist ja ganz rechtmäßig verheiratet.«
Dieses »Ehe-Hindernis« war zehn Jahre später nicht mehr existent, als nämlich Nikolaus von Kiss, der Ehemann der Schratt, am 21. Mai 1909 einem Herzschlag erlag. Die mutmaßliche Hochzeit zwischen Kaiser und Schauspielerin könnte also – nach Verstreichen des üblichen Trauerjahres – zwischen 1910 und 1916, dem Todesjahr Franz Josephs, stattgefunden haben.
Schließlich sei noch vermerkt, dass ein solcher Schritt in der damaligen Zeit sowohl kirchlich als auch vor den staatlichen Instanzen zu einer völlig korrekten Ehe führte: Während die Republik Österreich heute nur eine vor dem Standesamt geschlossene Ehe akzeptiert, reichte bis 1939 das kirchliche Sakrament aus. Fand die Trauung also tatsächlich statt, war Katharina Schratt (beziehungsweise: Katharina von Habsburg-Lothringen) die rechtmäßige Frau des Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn. Sie war jedoch keinesfalls »Kaiserin«, da es niemals eine Krönung gegeben hat.
In Fernsehsendungen und Zeitungsserien wurde nach Erscheinen meiner Schratt-Biografie noch lange darüber diskutiert, ob die Schauspielerin und der Kaiser tatsächlich verheiratet gewesen sind oder nicht. Bis mir der Burgschauspieler und Katharina-Schratt-Neffe Peter Schratt in einem Club 2 die erlösende Frage stellte: »Ist das nicht eigentlich völlig egal?«
Und ich ihm irgendwie recht geben musste.
Aus »Katharina Schratt, Die heimliche Frau des Kaisers« (1982)
*Johannes Nedbal, langjähriger Ehereferent des Wiener Erzbischofs
FRAU SCHRATT GEHT FREMD
Affären, die sie dem Kaiser verschwieg
Noch ein Schratt-Kapitel. Es zeigt eine Seite der Schauspielerin, die mir 1982, als ich ihre Biografie schrieb, in dieser Form noch nicht bekannt war. Damals konnte ich anhand der Aussagen von Zeitzeugen, der vorliegenden Korrespondenz und anderer Dokumente davon ausgehen, dass die Schratt eine dem Kaiser treu ergebene Gefährtin war. Heute weiß ich, dass sie ihm zwar ergeben, aber sicher nicht treu war.
Ich weiß das, weil man mir drei Jahrzehnte nach Erscheinen der Schratt-Biografie Einsicht in Briefe und Unterlagen gewährte, aus denen klar hervorgeht, dass die Schauspielerin, pardon, ein ziemliches Luder war, das den Kaiser nach Strich und Faden betrogen hat. Es gibt gleich mehrere Liebschaften der Grande Dame des Burgtheaters, die hier dokumentiert werden können. Und alle ereigneten sich parallel zu ihrer Beziehung mit dem Kaiser.
Die Lovestory Franz Josephs und der Schauspielerin wurde mit großer Diskretion behandelt, aber die Bewohner der Donaumonarchie wussten davon bis in den hintersten Zipfel von Galizien Bescheid, und sie hatten sogar Verständnis für ihren Regenten, da seine Gemahlin Elisabeth ständig auf Reisen war und ihn oft über Monate allein ließ. Kein Wunder also, dass der Kaiser nach einer Frau suchte, die ihm Seelenfreundin und Geliebte sein konnte. Und er fand die Schratt.
Franz Joseph sparte nicht mit Liebesbeteuerungen: »Ich habe Sie eben fürchterlich lieb«, schreibt er einmal, dann nennt er die Schauspielerin »mein heißgeliebter Engel« und wird an anderer Stelle noch deutlicher: »Dieses ist mein letzter Brief vor dem ersehnten, endlichen Wiedersehen. Da ich am 19. ungefähr um 6 Uhr Früh in Schönbrunn eintreffen werde, so werde ich mir erlauben um 8 Uhr oder etwas später, in der Gloriette Gasse zu erscheinen mit der Hoffnung, Sie, den Zeitumständen entsprechend, endlich wieder einmal zu Bett zu finden, was Sie mir auch halb und halb versprochen haben.«
Die Schratt reagiert, wenn der Kaiser auf Reisen ist, nicht minder gefühlsbetont: »Ich denke Tag und Nacht an Eure Majestät und erwarte mit unsagbarer Sehnsucht die endliche Rückkunft.«
Nun wirft freilich ihre mir zugänglich gemachte Korrespondenz einen Schatten auf all das, was zwischen Kaiser und Schauspielerin belegt ist.
»Kathi, wie gut warst du in der Nacht für mich – wie noch nie – ich fühle deine Hand – sie hat ja meinen ganzen Leib berührt, ich fühle deine Küsse so warm so heiß …« Diesen an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Brief schrieb der Gutsherr, Sportsmann, Abenteurer und Kunstmäzen Hans Graf Wilczek an Katharina Schratt, nachdem er mit ihr im Frühjahr 1886 eine Nacht in der von ihr gemieteten Villa Frauenstein am Wolfgangsee verbracht hatte.
Der Beweis, dass es eine Dreiecksbeziehung Schratt–Kaiser–Wilczek gab, kann seit dem Jahr 2008 erbracht werden, als das Hofmobiliendepot der Republik Österreich 18 eng beschriebene Briefe des Grafen Wilczek an die Schratt erworben hat. Sie wurden nach eingehender Prüfung für echt befunden, ob ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung vom Bundesdenkmalamt für die Ausfuhr gesperrt und mir zur Veröffentlichung anvertraut.
Der Kaiser reagierte stets gereizt, wenn es um den Grafen Wilczek ging – ohne wissen zu können, was hier tatsächlich lief. »Nie hätte ich mir erlaubt, Sie zu ersuchen, Wilczek nicht zu empfangen«, schrieb er an die Schratt, »ich war eben nur wieder eifersüchtig, da ich Sie so lieb habe (zerreißen Sie gleich diesen Brief).«
Doch auch Wilczek fühlte, dass ihm der Kaiser im Wege stand: »Katherl, lass mich doch bei dir weilen lange, lange, ich werde dich ja nicht quälen – bei Wasser und Brot – allein sein mit dir, kein Butler soll uns stören und kein Kaiser.«
Die Wilczek-Briefe an Katharina Schratt stammen aus den Jahren 1885/86. Die Schauspielerin hatte den Kaiser zwei Jahre davor, als sie ihm in einer Audienz als neues Mitglied des Burgtheaters vorgestellt worden war, zum ersten Mal getroffen und bald sein Interesse geweckt. Der Beginn der Beziehung zwischen der Schratt und dem Kaiser einerseits und ihrer Affäre mit dem Grafen Wilczek andererseits muss etwa zur gleichen Zeit stattgefunden haben.
»Kein Butler soll uns stören und kein Kaiser«: Hans Graf Wilczek in einem seiner Briefe an seine Geliebte Katharina Schratt
Die Schratt war damals 32 Jahre alt, Wilczek 48, der Kaiser 55. Doch auch wenn der Graf in seinen Briefen immer wieder von »ewiger Treue« spricht, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass alle Beteiligten zum Zeitpunkt der ménage à trois verheiratet, also in höchstem Maße untreu, waren: Franz Joseph seiner Sisi, die Schratt ihrem Ehemann Nikolaus von Kiss und Wilczek seiner Frau Emma.
All das hinderte den Grafen nicht, seine geliebte Kathi immer wieder mit Beteuerungen seiner großen Liebe zu beglücken. Der Korrespondenz ist zu entnehmen, dass die Beziehung zum Grafen wesentlich leidenschaftlicher war als die zum Kaiser, wie Briefzitate Wilczeks an die Schratt aus den Jahren 1885/86 belegen: