Название: Alles aus Neugier
Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783903217393
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Wien hatte seine Sensation. Die Geschichte von der schönen Schauspielerin und dem mordenden Grafen füllte die Zeitungsseiten. Das Publikum war jedenfalls empört, als die Krones wenige Tage später im Leopoldstädter Theater wie geplant ihren nächsten Auftritt im Bauer als Millionär absolvierte. Sonst immer mit Applaus empfangen, brach jetzt lautstarker Tumult aus. Therese Krones stand im Kostüm der Jugend ein paar Minuten lang unter Buhrufen und lautem Getrampel wie gelähmt da, ehe sie sich Hilfe suchend dem als Fortunatus Wurzel neben ihr stehenden Ferdinand Raimund zuwandte.
»Fürcht dich nicht«, flüsterte der ihr zu, »die Leut werden dir nix tun. Fang einfach an.«
Doch kaum hatte sie die ersten Worte des populären Liedes Brüderlein fein angestimmt, stieg der Lärmpegel weiter an, einzelne Zuschauer brüllten »Will sie uns verhöhnen?« und »Weg mit dem Mördergspusi«. Raimund und Therese Krones versuchten, die Situation gemeinsam zu retten, doch die Schauspielerin verlor vor Aufregung das Bewusstsein und die Vorstellung musste abgebrochen werden.
In den folgenden Tagen wurde der seelisch und körperlich vollkommen niedergeschlagenen Künstlerin zugetragen, dass viele Wiener ihr die Schuld an dem grausamen Verbrechen gaben. Die grenzenlose Eitelkeit der Krones hätte den verliebten Mann zur Erfüllung ihrer unverschämten Wünsche nach Schmuck und teuren Kleidern verführt, weshalb er sich in Schulden gestürzt und schließlich keinen anderen Ausweg gesehen hätte, als den Raubmord zu begehen. Mehr noch, viele Menschen sahen die Krones als Mitwisserin oder gar Anstifterin der Tat.
Zwar sollten sich derlei Anschuldigungen als völlig haltlos erweisen, doch das änderte nichts daran, dass das Renommee und die Popularität der Künstlerin schweren Schaden genommen hatten.
5. Akt. Das Finale. Severin von Jaroszynski gestand die Tat trotz erdrückender Beweise erst nach fünfmonatiger Einvernahme. Er wurde zum Tode verurteilt und mit dem Strang hingerichtet.
Die hinsichtlich seiner Untaten ahnungslose Diva wurde auch bei den folgenden Vorstellungen vom Publikum ausgepfiffen, worauf sie sich vom Theater zurückzog.
Als sich die Gemüter beruhigt hatten, nahm die Krones einen neuen Anlauf, ihre Karriere fortzusetzen, was ihr mit einem glänzenden Auftritt in der Komödie Julerl, die Putzmacherin im Theater in der Josefstadt zu gelingen schien. Ein unmittelbar nach diesem Erfolg geplantes Gastspiel im Theater an der Wien musste sie krankheitsbedingt absagen. Sie starb am 26. Dezember 1830 im Gasthaus Zur Weintraube auf der Praterstraße im Alter von 29 Jahren an den Folgen einer Blinddarmeiterung – nicht einmal vier Jahre nach der Tat, die ihr Leben verändert hatte.
Die Stadtväter verweigerten Wiens populärster Schauspielerin die Beisetzung in einem Ehrengrab. Therese Krones wurde auf dem St. Marxer Friedhof bestattet. Ferdinand Raimund folgte dem schlichten Sarg und sagte, er habe mit dem Tod der Schauspielerin seine Jugend verloren. Erst 1930, an ihrem 100. Todestag exhumiert, konnte Therese Krones in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof die letzte Ruhe finden.
Aus »Neues von Gestern, Geschichten mit Geschichte« (2004)
DER MANN, DEN EINSTEIN VEREHRTE
Kurt Gödel, ein Leben zwischen Genie und Wahnsinn
Von Mimen, Dichtern, Musikern und großen Ärzten lässt sich’s trefflich erzählen, weil man da selbst einigermaßen verstehen kann, worin ihre Leistungen bestehen. Aber ein Mathematiker, durch dessen Leben sich Logarithmen, Wurzeln und Differenzialgleichungen ziehen? Nein, nein, derlei haben wir glücklicherweise längst hinter uns gebracht. Doch dann begann ich mich für Kurt Gödel zu interessieren, bei dem sich Genie und Wahnsinn geradezu sprichwörtlich vereinten. Als ich seiner Biografie nachspürte, wunderte ich mich, dass sie noch von keinem Hollywood-Produzenten aufgegriffen worden war.
Das Time-Magazine hat diesen Mann unter die 100 wichtigsten Personen des 20. Jahrhunderts gereiht. Und Kurt Gödel besaß in der Tat ganz außergewöhnliche Fähigkeiten, nur eine einzige fehlte ihm: mit seinem Leben fertigzuwerden. Das Genie war nicht einmal in der Lage, für seine eigene Ernährung zu sorgen.
Geboren am 28. April 1906 als Sohn eines wohlhabenden Textilkaufmanns in Brünn, übersiedelte er nach der Matura nach Wien, um hier Mathematik, Physik und Philosophie zu studieren. Zunächst unbezahlter Privatdozent an der Universität Wien, veröffentlichte er seine ersten bahnbrechenden Erkenntnisse und wurde mit anderen Wissenschaftern vom Wiener Kreis, einer Gruppe bedeutender Intellektueller, aufgenommen.
Manchem seiner Zeitgenossen erschien er damals schon etwas sonderbar. Zuallererst seinen Eltern, da er sich als Intellektueller aus großbürgerlichem Milieu in eine um sieben Jahre ältere Frau ohne höhere Bildung verliebte, die aus ärmlichen Verhältnissen stammte, geschieden war und ihr Geld als Tänzerin im Wiener Vergnügungsetablissement Nachtfalter verdiente. Gödel verheimlichte seine Beziehung zu Adele Porkert mehrere Jahre lang und wagte es erst, sie im September 1938 – als sein Vater gestorben war – zu heiraten. Gerade sie sollte sich als wichtigste Stütze seines Lebens erweisen.
Amerikanische Talentsucher, die von Kurt Gödels mathematischem Genie erfahren hatten, holten ihn zu Gastvorlesungen an die renommierte Universität in Princeton, von wo er vorerst immer wieder nach Wien zurückkehrte.
So hervorragend er in seiner wissenschaftlichen Arbeit war, so verrückt erwies sich seine persönliche Situation. Er litt unter Depressionsschüben, gepaart mit extremer Hypochondrie und einem starken Verfolgungswahn. Vor allem führte seine Paranoia zu existenzbedrohenden Ernährungsproblemen, da er in der ständigen Zwangsvorstellung lebte, dass man ihn vergiften wollte. So musste seine Frau jede Speise vorkosten, ehe er einen Bissen zu sich nahm – und er war auch dazu nur in der Lage, wenn sie von demselben Teller und mit demselben Löffel gegessen hatte. Mehrere, oft monatelange Aufenthalte in geschlossenen Anstalten waren die Folge, einmal als Patient des berühmten Psychiaters Julius Wagner-Jauregg. Auslöser für all das Leid soll – laut Diagnose seines Bruders Rudolf, der selbst Arzt war – eine rheumatische Fiebererkrankung in der Kindheit gewesen sein, von der er sich zwar physisch, aber nie psychisch erholte.
Kurt Gödel bezeichnete sich als »unpolitisch« und reagierte vorerst nicht auf den Terror, den die Nationalsozialisten auch an der Universität Wien veranstalteten. Erst als ihn ein Passant – fälschlich übrigens – auf der Straße als »Jude« bezeichnete, beschloss er, Wien zu verlassen. Der nunmehr 33-jährige Dozent reiste im Jänner 1940 – was damals überaus kompliziert war – mit seiner Frau in die USA, wo man ihn an der Princeton University mit offenen Armen aufnahm.
Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich indes zusehends. Da Gödel mittlerweile auch ein krankhaftes Misstrauen Medizinern gegenüber entwickelt hatte und nicht bereit war, sich einer Behandlung zu unterziehen, kam es zu mehreren lebensgefährlichen Situationen – so ist er einmal beinahe einem unbehandelten Zwölffingerdarmgeschwür erlegen. Ein amerikanischer Arzt stufte ihn als »genial, aber psychopathisch« ein.
Sein Abgott war Leibniz*, mit dessen Geist er in Kontakt zu stehen glaubte. Nicht genug damit, projizierte Kurt Gödel seine Verschwörungstheorien auch auf sein Idol, indem er behauptete, bestimmte Teile der Leibniz’schen Schriften seien von dunklen Mächten, die Interesse an der Verdummung der Menschheit hätten, vernichtet worden. Als Oskar Morgenstern, einer seiner wenigen Freunde, Gödel einmal in seinem Haus in Princeton aufsuchen wollte, fand er ihn nach langem Suchen im Keller, hinter der Heizung verkrochen, in warme Mäntel gehüllt. Gödel schlotterte vor Angst, sein von Zahlen, Figuren, Formeln und Geistern übervolles СКАЧАТЬ