Название: Becca - Liebe ist nichts für Feiglinge
Автор: Rachel Hauck
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783765574740
isbn:
Ich hebe den Kopf und sehe, dass Dad noch in der Tür steht.
„Friedlich.“
Er lächelt. „Du konntest es gar nicht schnell genug hinter dir lassen, wenn ich mich recht erinnere.“
„Ich hab mich hier so eingeengt gefühlt, aber ich hatte auch noch nie was anderes kennengelernt als Nord- und Süd-Georgia.“ Ich starre die Decke an, während ich laut in Erinnerungen schwelge.
„Ich hatte dir gerade die Grundbegriffe des Saucengeschäfts beigebracht und dann rief Lucy an und hat dir von der Anzeige bei Casper & Company erzählt.“
„Ich bin nach Hause gerannt und hab meine Sachen gepackt.“
Dad schiebt sein Kinn vor. „Mitten in meinem fesselnden Vortrag darüber, wie wir die Saucen abfüllen.“
Ich hebe den Kopf. „Oh, tut mir leid.“
Er lacht und schenkt mir diesen Du-kannst-mir-doch-nichts-vormachen-Blick. Ich schlinge die Arme um eines der vielen Kissen auf meinem Bett. „Hat doch bestens funktioniert, oder?“ Bis jetzt. Aber diese Worte verschweige ich lieber.
„Ja, das hat es.“
Dad spaziert ins Zimmer und setzt sich rittlings auf meinen Schreibtischstuhl. „Möchtest du mir sagen, was los ist?“
„Nichts ist los.“ Ich rutsche hoch bis zum Kopfende und verschwinde unter dem Kissen. War das eine Lüge? Ich will nicht lügen.
Mein Schicksal ist besiegelt, so viel ist klar. Wenn Mom weiter so fixiert ist auf das Thema Chris und Dad mich weiter mit Fragen nach Casper & Co. ausspioniert, knicke ich ein.
Dad trommelt mit den Fingern auf die Stuhllehne. „Ich sehe dich immer noch vor mir, wie du mit deinen, na, fünf oder sechs Koffern die Treppe runterstürmst, ganz versessen darauf, nach Florida zu kommen.“ Er legt die Hände ineinander. „Rrrumms.“
Die Vorstellung, im reifen Alter von dreiundzwanzig von zu Hause zu fliehen, klingt in der Tat albern. Aber ich weiß noch genau, wie verzweifelt ich dieses Beauty hinter mir lassen wollte – raus aus dem Schatten meiner Familie und der unendlichen Geschichte von meinem Weihnachtssolo in der dritten Klasse.
Dad betrachtet mich einen Augenblick. „Mrs Riley spricht immer noch von deinem Solo. Sie behauptet steif und fest, dass es nie wieder jemanden wie dich gegeben hat.“
Kann er Gedanken lesen? „Ja, ich war anders als alle anderen.“ Wieso erinnert sie sich an diesen Abend? Wenn ich Scrooge wäre, wäre Mrs Riley der Geist der Vergangenheit, der mich zu Weihnachten heimsucht.
Schau mal, Rebecca Moore, sieh hin. Das bist du, wie du dein Weihnachtssolo singst. ,Im Stall in der Krippe‘. Nein, was für ein entzückendes Kind.
Ich schüttele das Bild ab. Es macht mich krank. Ich habe eine volle Viertelstunde völlig falsch gesungen, weil die Leute immer applaudierten und ich dann immer wieder von vorn anfing.
„Und, wie läuft das Geschäft?“, frage ich.
„Richard Flagstone von The Food Connection bringt einen Beitrag über unser neues Barbecue in seiner Show.“
„Im Ernst? Wow, super Chance, Dad.“ Es ist wirklich gigantisch. Gut für Moore Gourmet-Saucen.
„Wir sind auch im Gespräch mit QVC.“ Er hebt eine Augenbraue und wartet auf meine Reaktion.
Ich liebe Teleshopping mit QVC. Und das weiß er. Lisa Robertson ist meine Lieblingsmoderatorin. Sie könnte mir eine Schachtel geschmolzener Buntstifte verkaufen und mir dabei das Gefühl geben, ich hätte ein gutes Geschäft gemacht.
Aber ich antworte nur mäßig begeistert. „QVC, ach ja? Interessant.“ Mein Herz hämmert.
„Hmmhm. Du weißt ja, es gäbe immer Möglichkeiten für jemanden aus der Familie …“
„Wie hast du’s geschafft, in Richard Flagstones Show zu kommen?“ Ich ignoriere seine kaum verhüllte Andeutung.
Ich bin noch nicht bereit, mein Karrierekreuzfahrtschiff gegen ein Schlauchboot mitten auf dem Atlantik einzutauschen. Dad hat ein großes Unternehmen, sicher, aber ich habe mich jahrelang nach einem Leben jenseits von Beauty gesehnt. Ich kann mir nicht vorstellen, wieder hier zu leben. Es wäre, als würde ich mich selbst hintergehen. Und dieses Spiel spielen andere gerade zur Genüge.
Man muss sich selbst treu sein, sage ich immer.
Dad weiht mich in die Details des Deals mit The Food Connection ein. Ich lächele, höre nur halb zu und analysiere gleichzeitig mein Leben bis zu diesem Tag. Es ist ein gutes Leben gewesen, warum also fühle ich mich so absolut leblos und ausgelaugt? Ich habe wunderbare Freunde. Ich bin für die Firma rund um den Globus gereist, habe eine ganze Abteilung mit Trainern und Technikern geleitet. Ich habe meine Wohnung mit Designerklamotten vollgestopft und ein BMW-Cabrio in der Garage stehen.
Abgesehen von meinem jüngsten Karriererückschlag und dem Desaster mit Chris könnte ich doch wohl stolz auf mich sein, oder? Ich habe etwas geleistet, ich könnte zufrieden sein. Was ist es denn, das fehlt?
„Wir machen am ersten Maiwochenende eine kleine Party. Ich würde mich freuen, wenn du dabei bist.“
Ich konzentriere mich wieder auf Dad. „Dabei sein? Bei was?“
„Bei der Eröffnungsparty für die Zusammenarbeit zwischen Moore Gourmet-Saucen und The Food Connection. Richard wird hier sein und auch ein paar Vertreter der Food Connection.“
„Gut für dich.“
„Wirst du kommen? Am sechsten Mai.“
„Ich schau mal in meinen Kalender.“
Mom ruft von unten. „Earl, es ist kühl heute. Wie wär’s mit einem Feuer?“ Ihr südlicher Tonfall mischt sich mit Anklängen an ihre Kindheit in England.
Dad schlägt die Hände auf die Knie und steht auf. „Komm auch runter, Mäuschen, ja?“
„Becca, möchtest du heiße Schokolade oder Tee?“, will Mom wissen.
„Heiße Schokolade, bitte. Mit Sahne.“
„Wenn ich welche dahabe.“
„Also, wir sehen uns gleich unten.“ Dad zwickt mich in die Zehen. „Und überleg dir das mit dem sechsten Mai.“
„Okay.“ Ich rolle mich auf den Bauch und lege das Kinn auf die Bettkante.
Jetzt, wo ich hier liege und die Gegenwart durch das Fenster meiner Vergangenheit betrachte, wird mir etwas klar: Mein Problem war nicht dieses Haus, Laurel Street Nummer 21, es war nicht die Stadt Beauty und nicht der Staat Georgia.
Absolut nicht. Das Problem war ich selbst, Rebecca Moore, und meine innere Haltung. Ich hatte geglaubt, die Antworten des Lebens wären irgendwo da draußen zu finden. Jetzt weiß ich: Die Antworten liegen in mir. In meinem Glauben an Jesus und in seiner Liebe zu mir.