Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs. Charles Dickens
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Название: Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs

Автор: Charles Dickens

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961183197

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СКАЧАТЬ verstohlen und mit ungemein geheimnisvoller Miene wieder umkehrte.

      Die alte Dame war furchtsam – wie es die meisten alten Damen sind – und so kam sie gleich auf den Gedanken, der gedunsene Junge führe einen Mordanschlag gegen sie im Schild, um sich in den Besitz des Kleingeldes, das sie bei sich trug, zu setzen. Sie würde daher um Hilfe gerufen haben, wenn ihre körperliche Gebrechlichkeit ihr nicht schon längst die Kraft des Schweigens benommen hätte. Deshalb mußte sie sich begnügen, Joes Bewegungen mit den Gefühlen unaussprechlicher Todesangst zu beobachten, die sich keineswegs milderte, als der Junge ganz dicht an sie herankam und mit einem – wie es ihr schien – drohenden Tone ins Ohr schrie:

      »Madame!«

      Nun fügte sich's gerade, daß in demselben Augenblick Herr Jingle in dem Garten spazierenging und sich zur Zeit in der unmittelbaren Nähe der Laube befand. Er hörte den lauten Ruf und blieb stehen, wozu er durch dreierlei Gründe veranlaßt wurde – einmal, weil er nichts anderes zu tun hatte, dann weil seine Neugier kein Bedenken kannte, und endlich, weil seine Person durch Gestrüpp verborgen war. Wie gesagt – er machte halt und horchte.

      »Madame!« schrie der fette Junge.

      »Ach, Joe,« sagte die zitternde alte Dame, »ich bin dir gewiß stets eine gütige Gebieterin gewesen und habe dich stets aufs freundlichste behandelt. Du hast nie viel arbeiten müssen und doch immer genug zu essen gehabt.«

      Das war eine Berufung auf Joes empfindsamste Gemütsseite. Er schien gerührt und entgegnete mit Nachdruck:

      »Ich verkenne das nicht.«

      »Was kannst du aber weiter von mir wollen?« versetzte die alte Dame etwas ermutigt.

      »Es wird Sie kalt überlaufen, wenn ich's Ihnen sage«, erwiderte Joe.

      Das klang wie ein ziemlich blutdürstiger Dankeserguß, und da die alte Dame die Art, wie ein solches Phänomen herbeigeführt werden könnte, nicht ganz begriff, so kehrten alle ihre Schrecken wieder.

      »Was meinen Sie wohl, was ich gestern hier in dieser Laube gesehen habe?« sagte der Junge.

      »Barmherziger Himmel! Was!« rief die alte Dame, beunruhigt durch die Wichtigtuerei in dem Benehmen des wohlbeleibten Burschen.

      »Der fremde Herr – der mit dem zerschossenen Arm – hat geküßt und umarmt – –«

      »Wen, Joe – wen? Ich hoffe doch nicht eine der Mägde?«

      »Schlimmer als das!« brüllte der Junge in das Ohr der alten Dame.

      »Wie, gar eine meiner Enkelinnen?«

      »Noch schlimmer!«

      »Noch schlimmer, Joe?« versetzte die alte Dame, die schon ein solches Unterfangen für das Non plus ultra männlicher Verwegenheit betrachtete. »Wer ist's gewesen, Joe? Ich will es durchaus wissen.«

      »Fräulein Rachel.«

      »Was?« schrie die Dame in schrillem Tone. »Sprich lauter.«

      »Fräulein Rachel«, schrie der fette Junge.

      »Meine Tochter?«

      Der fette Junge bejahte die Frage mit öfters wiederholtem Kopfnicken, wobei seine gedunsenen Backen wie Gallerte schwabbelten.

      »Und sie ließ sich's gefallen?« rief die alte Dame.

      Ein Grinsen stahl sich über die Züge des dicken Burschen, als er erwiderte:

      »Ich sah es, wie sie ihn wieder küßte.«

      Hätte Herr Jingle in diesem Augenblick den Ausdruck, den das Gesicht der alten Dame bei dieser Mitteilung annahm, wahrnehmen können, so wäre er höchstwahrscheinlich in ein Gelächter ausgebrochen, das seine Anwesenheit notwendig verraten haben würde. So aber lauschte er aufmerksam weiter und vernahm einige abgebrochene Sätze, als da waren: – »ohne meine Zustimmung!« – »noch zu meinen Lebzeiten« – »ich arme, unglückliche Frau« – »hätte sie nicht warten können, bis ich tot bin« – und dergleichen, worauf er die Stiefelsohlen des fetten Jungen, der sich jetzt entfernte und die alte Dame allein ließ, im Sand knirschen hörte.

      Es war ein merkwürdiger Zufall, aber dessenungeachtet eine Tatsache, daß Herr Jingle schon in den ersten fünf Minuten seiner Ankunft zu Manor Farm den Entschluß gefaßt hatte, das Herz der Jungfer Tante ohne Verzug in Belagerungszustand zu versetzen. Er besaß Menschenkenntnis genug, um zu merken, daß sein dreistes Benehmen dem schönen Gegenstand seiner Wünsche keineswegs mißfiel. Er hegte die lebhafte Vermutung, daß sie auch in dem Besitze des wünschenswertesten aller Erfordernisse – nämlich eines unabhängigen Vermögens, sei. Die gebieterische Notwendigkeit, seinen Nebenbuhler auf eine oder die andere Weise auszustechen, tauchte rasch in seiner Seele auf, und er entschloß sich, ohne Verzug die zweckdienlichen Hebel in Bewegung zu setzen. Fielding16 sagt, der Mann sei Feuer und das Weib Stroh, die der Fürst der Finsternis miteinander in Berührung bringe, um eine helle Lohe zu veranlassen. Herr Jingle wußte, daß junge Männer bei alten Jungfern sind, was die Lunte für das Schießpulver, und so nahm er sich vor, die Wirkung einer Explosion ohne Zeitverlust zu versuchen.

      Über diesen wichtigen Entwurf brütend, schlich er sich aus seinem Schlupfwinkel und näherte sich unter dem Schutze des vorerwähnten Gesträuchs dem Hause. Das Glück schien seine Absicht zu begünstigen: denn eben verließ Herr Tupman mit den übrigen Herren den Garten durch eine Seitentür, und die jüngeren Damen hatten, wie er wohl wußte, gleich nach dem Frühstück einen Spaziergang angetreten. Das Feld war also gesäubert.

      Die Tür des Speisezimmers war halb offen. Er blickte hinein. Die Jungfer Tante saß mit ihrem Strickstrumpf drinnen. Er hustete – sie sah auf und lächelte. Zögern gehörte nicht zu Herrn Jingles Charakter. Er legte die Finger geheimnisvoll an seine Lippen, trat ein und machte die Tür hinter sich zu.

      »Fräulein Wardle –« sagte Herr Jingle mit erkünsteltem Ernst – »entschuldigen meine Zudringlichkeit – kurze Bekanntschaft – keine Zeit zu Zeremonien – alles entdeckt!«

      »Sir!« entgegnete Jungfer Tante etwas überrascht über diese unerwartete Annäherung, und zweifelhaft, ob der Mann wohl auch bei Trost sei.

      »Pst!« sagte Herr Jingle mit theatralischem Flüstern – »großer Junge – Knödelgcsicht – Pflugräderaugen – Spitzbube!«

      Hier schüttelte er nachdrücklich den Kopf, während Jungfer Tante in innerer Beklemmung erzitterte.

      »Es scheint, Sie spielen auf Joe an, Sir?« versetzte die Dame, indem sie sich zusammennahm, um gefaßt zu erscheinen.

      »Ja, Fräulein – verdammter Joe! – Verräterischer Schlingel, Joe – schwatzte bei der alten Dame – alte Dame wütend – rast – tobt – Laube – Tupman – Küssen und Umarmen – derartiges – tja, Fräulein – wie?«

      »Herr Jingle«, sagte die alte Jungfer, »wenn Sie hierher kommen, um mich zu beleidigen – – «

      »Nicht doch – nicht im geringsten«, versetzte der nicht zu verblüffende Jingle. – »Hörte die Geschichte – kam her. Sie vor der Gefahr zu warnen – Dienste anzubieten – Skandal zu vermeiden. Nicht zu denken an Beleidigung – will augenblicklich wieder gehen«.

      Und er wandte sich um, als СКАЧАТЬ