Название: Comedy Queen
Автор: Jenny Jägerfeld
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783825162085
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»Sag jetzt nicht schon WIEDER, dass dir das mit dem Trimmen leidtut! Das verbiete ich dir!«, sage ich.
»Nein, das ist es nicht … es ist nur, dass … vorhin hab ich gesagt … also, ich sagte: Jetzt sterbe ich. Als dein Papa kam.« Sie spricht stoßweise und so schnell, dass man kaum versteht, was sie sagt. Den roten Lolli hat sie aus dem Mund genommen, jetzt dreht sie ihn nervös zwischen den Fingern. Sie schaut mich unglücklich an. Ich runzle die Stirn. Kapiere nicht, was sie meint.
»Es tut mir leid, dass ich so was gesagt hab.«
Da geht mir ein Licht auf.
»Mensch, Märta. Klar musst du sagen dürfen: ›Jetzt sterbe ich.‹ Komm, wir gehen jetzt heim, was essen. Wer nichts isst, der stirbt! Stimmt doch, oder?«
Meine Stimme klingt erschreckend forsch. Punkt 1. Haare abschneiden. Check!
UNFREIWILLIG EINMALIG
Es ist der zwanzigste März, also habe ich heute Geburtstag! Ich werde zwölf. Ich gehe von elf, was die Atomnummer für das Element Natrium ist, zu zwölf, das ist die Atomnummer für das Element Magnesium. In der Schule nehmen wir zurzeit die Elemente durch. Oder die GRUNDELEMENTE, wie Cecilia übertrieben begeistert betont. Natrium finde ich gut, weil das so was wie Salz ist. Und ich liebe Salz. Wenn ich mich für den Rest meines Lebens zwischen süß oder salzig entscheiden müsste, würde ich auf jeden Fall salzig wählen. Fast alle in meiner Klasse würden süße Sachen wählen. Auf die Art bin ich einmalig. Leider bin ich auch auf andere Art einmalig. Unfreiwillig einmalig.
Papa ist siebenundvierzig, und das ist die Atomnummer für Silber, das gefällt mir.
Aber ich weiß nicht, was ich von Magnesium halten soll, weil ich noch nichts darüber weiß.
Ich liege unter der Bettdecke und stelle mich schlafend. Draußen in der Küche klappern Papa, Omi und Papas Bruder Onkel Ossi mit dem Geschirr und unterhalten sich flüsternd. Das Wort Onkel klingt irgendwie so alt, aber Ossi ist viel jünger als Papa, ungefähr neunundzwanzig oder dreißig, hab vergessen, wie alt genau, darum weiß ich nicht, welches Element er eigentlich ist.
Ein kleiner Spalt grauweißes Licht an der Seite des Rollos erhellt das Zimmer. Papa muss alles, was auf dem Boden herumlag, aufgesammelt haben, nachdem ich gestern eingeschlafen bin. Das macht mich immer wieder leicht verwirrt. Beim Einschlafen – schlimmstes Durcheinander. Beim Aufwachen – pedantische Ordnung.
Die Ziffern auf dem Darth-Vader-Wecker stehen bei 06.47. Und jetzt immer noch bei 06.47.
Und immer noch. Wie kann es so lange 06.47 Uhr sein? Unfassbar! Papa nennt solche langsamen Minuten S-Bahn-Minuten. Und zwar, weil, wenn wir S-Bahn fahren wollen, steht manchmal »3 Minuten« leuchtend rot auf der Anzeigentafel am Bahnsteig, und dann, drei Minuten später, steht IMMER NOCH »3 Minuten« auf der Tafel. S-Bahn-Minuten, das bedeutet die langsamsten Minuten der Weltgeschichte.
Immer noch 06.47. Haben sich die Ziffern vielleicht verhakt? Ich schüttle Darth, doch das hilft nichts, also stelle ich ihn wieder hin. Er guckt mich mit seinen schwarzen glänzenden Augen an.
»Auf geht’s, Darthy boy«, flüstere ich.
Und da endlich: 06.48.
Und plötzlich höre ich:
»Lang soll sie leben, lang soll sie leben, lang soll sie leben, Hunderte von Jahr!«
Ist doch echt krass, dass manche Sachen einen die ganze Zeit nur an das erinnern, woran man nicht denken will! Hundert Jahre leben. Ja, wenn Mama das hätte tun dürfen, das wäre schön gewesen. Hundert Jahre. Oder wenigstens fünfzig. Dann wäre ich bei ihrem Tod erwachsen. Das wäre doch einfacher? Oder? Es fällt mir schwer, nicht an meinen letzten Geburtstag zu denken, als ich elf wurde. Daran, wie Mama in mein Zimmer kam und sang. Und typisch nach Mama roch, wie immer, wenn sie gerade aufgewacht war. Immer, wenn sie mich dann in den Arm nahm, presste ich meinen Kopf an ihren Hals und schnupperte an ihren Nackenhaaren. Dort roch sie am meisten nach Mama. Da musste sie lachen, sagte, das würde kitzeln. Ich hab solche Angst, ich könnte ihren Duft irgendwann vergessen.
Mama blieb bei sechsunddreißig Jahren stehen. Ich werde immer älter werden, sie aber nicht. Sie wird immer sechsunddreißig bleiben. Sechsunddreißig ist die Atomnummer für Krypton. Krypton ist ein Edelgas, das in der Erdatmosphäre sehr selten ist. Genau wie Mama. Selten. Ich hätte gewünscht, Mama wäre wenigstens neunundsiebzig geworden. Neunundsiebzig ist die Atomnummer für Gold. Gold hält ewig.
Jetzt drängeln sich Papa, Omi und Ossi in der Türöffnung und singen, dass die Fensterscheiben nur so klirren. Papa steht ganz vorne und hält ein Tablett in den Händen. Gestern durfte ich mir mein Geburtstagsfrühstück wünschen: Heiße Schokolade mit Schlagsahne. Obstsalat und Joghurt. Eine Scheibe Toast mit Erdbeermarmelade. Auf dem Tablett sind außerdem noch: eine brennende Kerze, eine Serviette mit einem Leoparden drauf und ein lila Blümchen in einem Eierbecher. Das hat Papa garantiert vom Usambara-Veilchen in der Küche abgezwickt. Ich setze mich im Bett auf. Ossi drängt sich an Papa vorbei. Er hat die Ärmel an seinem geblümten Hemd hochgekrempelt, jetzt kann man seine vielen Tätowierungen sehen.
»Du hast gar nicht geschlafen! Gib’s zu!«, sagt Ossi und umarmt mich. Er riecht nach Zigarettenrauch, aber bei ihm regt mich das nicht so auf. Außerdem riecht er immer danach, und es hat ja keinen Sinn, sich immer aufzuregen. Vor allem nicht über Ossi.
»Ein bisschen schwierig zu schlafen, wenn gewisse Typen morgens um halb sieben laut an der Tür klingeln«, sage ich. »Er ist wirklich ein hoffnungsloser Fall!«, sagt Papa. »Ich hab ihm direkt davor gesimst: ›Leise reinschleichen! Die Tür ist offen!‹ Manchmal hab ich den Verdacht, dass du meine SMS gar nicht liest?«
Papa dreht sich zu Ossi um, und Ossi fährt sich mit der Hand durch das schwarze Elvis-Haar. Vielmehr fährt er sich nicht mit der Hand DURCH das Haar, sondern eher ÜBER das Haar. Irgendwie streichelt er es, ganz vorsichtig, so wie man ein Kaninchen streichelt. Vermutlich weil er so viel Wachs und Spray und Zeugs draufgetan hat. Draußen könnte der totale Orkan sein, Ossis Haare würden trotzdem absolut unverändert aussehen.
»Hey, natürlich LESE ich sie, aber dann … also, vielleicht vergesse ich sie manchmal. Du weißt schon … ADHS.«
Ossi hat ADHS und redet sich immer irgendwie damit heraus. Wenn er zu spät kommt: ADHS. Wenn er vergessen hat, etwas zu besorgen: ADHS. Wenn er nicht zuhört: ADHS. Also, natürlich glaube ich nicht, dass er lügt. Garantiert fällt ihm manches schwerer, weil er ADHS hat. Aber gleichzeitig kommt mir unwillkürlich der Gedanke, dass es unglaublich praktisch sein muss, immer für alles eine Ausrede zu haben!
Jetzt verwuschelt er mir die Haare.
»Ehrlich, ich fahr echt auf deine neue Frisur ab!«, sagt er.
»Und ich fahr auf deine alte Frisur ab!«, sage ich und grinse. Ossi macht Platz für Omi, die brav hinter ihm gewartet hat. Sie lässt sich schwer auf die Bettkante sinken. Das ganze Bett knarzt. Omi wiegt über hundert Kilo. Behauptet aber, sie würde achtundneunzig wiegen. Papa meint, in Sachen Gewicht sei es problematisch, wenn man in den dreistelligen Bereich rutscht, und darum würde sie ein bisschen flunkern. Sie legt mir ein großes weiches Paket auf den Schoß. Es ist in weißes Papier mit hellblauem Blümchenmuster eingepackt, wie alle Geschenke von Omi. Eigentlich ist das kein Geschenkpapier sondern Tapetenpapier. Alle Geschenke, die ich je von Omi bekommen habe, sind in diese Tapete verpackt. Irgendwann vor fünfzehn Jahren СКАЧАТЬ