KHAOS. Lin Rina
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Название: KHAOS

Автор: Lin Rina

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783959914208

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      Sie waren bei diesem Gesicht. Bei dem Mann, dessen Gesicht ich über Stunden hinweg fasziniert betrachtet hatte. Jede Vertiefung, die Wimpern, die Wangenknochen, das starke Kinn, die Ansätze des Halses, an dem sich die Sehnen unter der makellosen Haut spannten. Es fiel mir einfach schwer zu glauben, dass so ein Gesicht existieren konnte.

      Der Ausschnitt des Fensters hatte mir den Rest seiner Gestalt nicht offenbart, egal, aus welchem Winkel ich in die Kapsel geblickt hatte.

      Doch es war sowieso nicht wichtig. Sagte ich mir zumindest.

      Das Beste für mich wäre, einfach zu vergessen, was ich gesehen hatte, die Konservendosen zu holen und dann nie wieder dorthin zurückzukehren.

      Es hatte ohnehin keinen Sinn. Die Kryokapseln waren alt und nicht mit einer eigenen Weckfunktion ausgestattet. Allerdings hatte ich in meiner kleinen Krankenstation auch keine Hitzedruckkammer, um den Mann unbeschadet zurück unter die Lebenden zu holen.

      Und dann waren da noch so viele andere gewesen. Mit geschlossenen Augen hatte ich fast zwei Dutzend Seelen gezählt, die zum Teil im hinteren Teil des Raumes verschüttet gewesen waren. Dreiundzwanzig Menschen, die man eingefroren hatte und im Lagerraum eines Gefängnisses aufbewahrte.

      Aber zu welchem Zweck?

      Wieso musste man jemanden einfrieren, wenn er sowieso auf einen Gefängnisplaneten gebracht wurde? Wie eine Art doppeltes Gefängnis.

      Vielleicht waren sie gefährlicher als die restlichen Gefangenen, sodass man sie lieber stillgelegt hatte, um kein Risiko einzugehen.

      Wäre es dann aber nicht einfacher gewesen, sie zu töten? Wozu der ganze Aufwand?

      Doch umso öfter ich mir das Gesicht des Mannes in Erinnerung rief, desto weniger gefährlich wirkte er auf mich.

      Er war so schön gewesen, und die Männer, die ich kannte, waren grausam. Ich konnte mir keinen Menschen vorstellen, der noch schlimmer sein sollte als diese.

      »Wo hast du dich rumgetrieben, lil’Pid?«, sprach mich jemand an, dass mir vor Schreck das Einmachglas aus der Hand fiel.

      Pidja war der Name meine Mutter gewesen und mich nannte man schon damals kleine Pidja.

      Das war mir eigentlich ganz recht. Solange sie mich für ein kleines Kind hielten, hatte ich weniger Ärger. Ich musste mich eher fürchten, wenn mich jemand mit meinem richtigen Namen ansprach.

      Eine große, schuppige Hand fing das Glas noch im Fall auf und stellte es lässig auf den Tisch neben mir.

      Es war Cobal, der mich mit seinen gelben Echsenaugen eingehend musterte. Ich versuchte, ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Wenn es sich vermeiden ließ, dann wollte ich nicht, dass er mir ansah, dass sich etwas verändert hatte.

      »Ich bin rumspaziert«, behauptete ich leise und schob das Glas zurück zwischen die anderen ins Regal.

      Es war das einzige Möbelstück in diesem Raum, das Krung komplett verschont hatte: Der Arzneimittelschrank. Das restliche Zimmer war vollständig verwüstet. Die Liegen waren umgerissen, Lampen waren zertrümmert, von meinen Arbeitstischen war der eine zerbeult und der andere in der Mitte durchgebrochen. Chirurgisches Besteck lag auf dem Boden verteilt herum. Die Kiste mit dem Verbandszeug war beim Aufprall gegen die Wand aufgesprungen und weiße Stoffstreifen waren in alle Richtungen davongerollt.

      »Klar doch. Weil das ja so gut für deine Muskulatur ist«, spottete Cobal und seine Stimme triefte vor Ironie.

      Eigentlich wusste von meiner Krankheit kaum einer. Meine Mutter hatte sie bei mir diagnostiziert und mir gezeigt, wie ich sie handzuhaben hatte. Unser Clanchef Boz wusste es, weil ich so keine zusätzlichen Dienste ableisten musste.

      Und eben Cobal.

      Ich hatte es ihm nicht gesagt, doch er war irgendwann von allein draufgekommen. Er behauptete, er könne es riechen, und da ich mit der Physiologie der Echsoiden nicht besonders gut vertraut war, musste ich es ihm einfach glauben.

      »Ich habe mich vor Krung versteckt«, gab ich zu und nahm das nächste Glas aus der Reihe, um wenigstens vorzugeben, etwas zu arbeiten.

      Cobal schnaubte durch die großen Nüstern und drehte den echsen­haften Kopf, auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit.

      Leider hatte Krung meinen einzigen Stuhl in mehrere Teile zerhackt und so zog sich Cobal eine Metallkiste heran und setzte sich, ohne Rücksicht auf den sich verbiegenden Deckel zu nehmen.

      Wenn ich die je wieder aufkriegen wollte, dann würde ich Hilfe brauchen.

      »Wieso war er so wütend?«, wollte Cobal wissen und ich seufzte laut.

      »Weil ich nicht hier war«, wich ich der Frage aus und drehte das Einmachglas zwischen den Fingern. Wollte ich dieses Gespräch wirklich führen? Und das mit einem Echsoiden?

      Na ja, vielleicht war er noch das kleinste Übel. Bei ihm musste ich wenigstens keine Angst haben, dass er meines Körpers habhaft werden wollte.

      Cobal starrte mich weiter an und ich verwünschte seine Eigenart, selten blinzeln zu müssen. Er saß die Stille zwischen uns einfach aus, wartete, dass ich mich erklärte – und ich wusste, dass ich am Ende nachgab, nur damit er endlich aufhörte, mich anzustarren.

      »Er … er wollte … dass ich ihm gefügig bin«, wisperte ich und ich war mir nicht sicher, ob Cobal mich gegen Ende überhaupt gehört hatte.

      Doch wie zur Bestätigung blinzelte er endlich und legte den Kopf schief. »Er wollte sich mit dir paaren?«, stellte er überrascht fest und ich schüttelte den Kopf.

      »Paarung könnte man es nur nennen, wenn es zur Fortpflanzung dient und im gegenseitigen Einverständnis geschehen würde. In allen anderen Fällen heißt es Vergewaltigung!«, sagte ich beinahe pampig und schlang mir die Arme um den Oberkörper, um das Zittern zu unterdrücken, das dieses Wort in mir auslöste.

      »Verstehe«, behauptete Cobal, doch ich bezweifelte, dass er es wirklich verstanden hatte.

      Wenn ich es benennen müsste, dann wäre der Echsoide wohl die Person, die einem Freund am nächsten käme. Er fragte mich nach meinem Befinden, bot sogar dann und wann seine Hilfe an und für mich ging keine akute Gefahr von ihm aus, auch wenn sein Aussehen eher abschreckend wirkte.

      Doch wenn ich erwarten würde, dass er mir alle Männer vom Hals hielt, die mir an die Wäsche wollten, wäre das wohl zu viel verlangt. Schon allein, weil Cobal nie richtig begreifen würde, wo eigentlich genau das Problem lag.

      Vielleicht war seine Rasse da einfach anders. Ich wusste es nicht. Ich kannte niemand anderen, der so war wie er und Cobal redete nicht viel über sich.

      »Soll ich …«, begann Cobal und ich wusste schon jetzt, dass das Angebot, das er mir machen wollte, völliger Blödsinn wäre.

      »Bist du aus einem bestimmten Grund zu mir gekommen oder war dir nur langweilig?«, unterbrach ich ihn beiläufig und lächelte schüchtern.

      Cobal schnaubte. Er hatte meinen Trick natürlich sofort durchschaut, sagte aber nichts weiter dazu. »Ich hab da was am Bein.«

      Ich blinzelte СКАЧАТЬ