Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf. Uli Wittstock
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Название: Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf

Автор: Uli Wittstock

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783954627929

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СКАЧАТЬ Sparenke.“

      Alle Spieler der Profikaders waren angehalten, auch am Telefon bürgerliche Umgangsformen zu waren.

      „Du gehst morgen in jedem Fall zum Lehrgang. Egal was passiert. Sag das auch den anderen. Das ist eine Frage der Ehre.“

      Dann beendete er das Gespräch. Es hatte knapp zwanzig Sekunden gedauert.

      Ein Feuerstoß von etwa zwanzig Millivolt, für den Zeitraum von ein paar tausendstel Sekunden, schoss durch die unzähligen Synapsenspalten im Hirn von Melinda Treu, eine Erregung, ausgelöst irgendwo vor der zentralen Furche zwischen Stirn- und Scheitellappen, dort wo sich etwa zwei Zentimeter breit der primäre Motorcortex erstreckt. Der Reiz setzte sich über die Pyramidenbahn fort, vorbei an der Medellín oblongata in das Rückenmark und von dort weiter über den rechten Arm und die Handwurzel bis zum beringten Zeigefinger von Melinda Treu. Der schwebte nur wenige Zentimeter über dem Druckschalter des Kanals von Mikrofon eins und als das Millivolt-Feuer die Wurmmuskeln des Zeigefingers erreichten, zog der sich zusammen, sodass die Fingerkuppe auf den Druckschalter des Kanals von Mikrofon eins fiel, einen Impuls auslöste, welcher zwölf Volt Wechselstrom auf einen Motor schickte, auf dessen Welle ein Zahnrad surrte, welches einen Schieberegler hochschießen ließ, sodass nach dem Erreichen der Steuerspannung der Senderechner den Mikrofonkanal freigab. Zudem löste jene Spannung ein Signal im Licht-System aus, wodurch über der Studiotür die Lampen von Gelb auf Rot wechselten, und, durch direkte Verschaltung, auch die kleinere Ausführung auf dem Sendepult nun rot aufleuchtete und damit nun einen offenen Mikrofonkanal anzeigte.

      „UKW, KKW alles Schnee. Hier ist Grauzone FM, euer Sender für den Feierabend. Heute wieder mit Melinda, natürlich live und nur im Netz. Weil wir die Guten von Morgen sind.“

      Dann schoss Melinda Treu auf Regler drei den Opener ab, ließ den Mikrofonfader wieder heruntersausen und schaltete auf Sendeautomatik.

      „Du sollst nicht einfach bei Rotlicht hier hereintrampeln.“

      „Die Tür stand auf.“

      „Die Tür steht immer auf, solange wir hier keine Klimaanlage haben.“

      „Außerdem hört das sowieso keiner deiner Nerds, ob hier jemand herumschlurft oder nicht.“

      Rainer Kloppke hatte sich jetzt bis zur Kaffeemaschine vorgearbeitet und ließ einen schwarzen Strahl in die Tasse laufen. Früher, als Melinda Treu noch beim richtigen Radio arbeitete, wäre es undenkbar gewesen, mit Flüssigkeiten in Studioräumen zu hantieren, denn die Fehlbedienung einer Tasse konnte zu dramatischen Folgen für die Sendeabwicklung führen. Allerdings war Grauzone FM kein normales Radio und Rainer Kloppke auch kein normaler Sendeingenieur, denn als solcher hätte er die Kaffeemaschine vor die Studiotür verweisen müssen, dann allerdings hätte er auch nicht mehr Melinda Treu bei der Arbeit in ein lustiges Gespräch verwickeln können. Die rote Lampe leuchtete erneut auf.

      „Da seid ihr wieder, ihr Kinder des verlorenen Tages auf dem Vorhof zur Nacht. Viel ist heute nicht passiert. Die Stadt feiert den Frühling wie ein Kriegsende. Endlich Sonne, endlich Tische vor den Cafés. Hier der passende Sound dazu.“

      Sie ließ die Musik hochlaufen, mit einer weichen Blende, um die sie jeder DJ beneidet hätte.

      „Mann erst Montag und trotzdem schon schlapp.“

      Rainer Kloppke redete für einen Mann überraschend viel. Er war neben Melinda Treu der einzige Mitarbeiter von Grauzone FM. Beide waren fest angestellt und erhielten monatlich ein gutes Gehalt von einer beschränkt haftbaren Gesellschaft, die eigentlich im Reinigungsgewerbe tätig war. Täglich vier Stunden sendete Melinda Treu live, von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr, zu einer Zeit also, in der die Menschen eigentlich vor dem Fernseher den Tag ausklingen ließen. Doch weil Fernsehen mindestens genauso oldschool war wie UKW, hatte Melinda Treu sofort Ja gesagt, als ihr das Angebot zugetragen worden war, zumal sie gerade wieder einmal ihren Job verloren hatte. Seit sie moderierte, waren die Zugriffszahlen im Netz beständig gestiegen, und auch als Bloggerin hatte Melinda Treu inzwischen eine gewisse Prominenz erreicht.

      „Hier ist Grauzone FM – euer Programm für die Stunden im Zwielicht, und natürlich mit eurer zwielichtigen Melinda. Ihr habt es ja sicherlich schon gehört, am Sonnabend steht die Stadt Kopf. Ich meine nicht das blöde Fußballspiel. Das ist was für alte Herren. Nein ich meine den Tourstart von Kilian R. – in seiner Heimatstadt. Album und Tour heißen übrigens Apocalypso. Und ihr könnt dabei sein. Wer mir den besten Reim mit dem Begriff Apocalypso schickt, bekommt zwei Freikarten. Und hier ist Kilian R. – mit dem Monstertrack aus seinem letzten Album.“

      Der Regler drei schoss nach oben, das rote Licht erlosch.

      „Wolltest du nicht mit Kilian ein Interview machen?“

      Rainer Kloppke hatte sich einen weiteren Kaffee geholt und lehnte am Studiofenster. Das öffnete den Blick auf das Gewerbegebiet der Stadt, Flachbauten, in denen Fleisch kühlte, Pakete gepackt oder Altkleider sortiert wurden. Es gab Hallen für Baufahrzeuge, Tiernahrung, Autoteile und Haushaltschemie. Und obwohl die Stadt nicht an einem Fluss lag, gab es sogar ein Hafenbecken. Rainer Kloppkes Kopf ragte genau in jenen vom Studio sichtbaren Teil des Hafenbeckens.

      „Die Anfrage läuft. Ich denke, es wird am Freitag was. Da soll er angeblich eine Ausstellung eröffnen.“

      Mit einem kurzen „Bling“ meldete sich der Studiorechner.

      Melinda Treu blendete den Song mitten im Refrain, ließ dann den Mikrofonregler hochzischen.

      „Jan 23 hat uns eben geschrieben: Tanz ich den Apocalypso in der Nacht, ist Omi um den Schlaf gebracht. Naja Leute, das kann noch besser werden. Strengt euch an. Schließlich geht es um zwei Freikarten, nur hier bei Grauzone FM.“

      Kloppke grinste und stellte seine Kaffeetasse ab. Sein Oberkörper war in ein T-Shirt gezwängt, das inzwischen häufiger in der Stadt zu sehen war.

       Im Radio nur Schnee – Schluss mit UKW. Grauzone FM.

      Der Text wurde eingerahmt von zwei Sendetürmen, denen offensichtlich gerade das Fundament weggesprengt wurde.

      Eine weitere Mail lief ein. Melinda Treu schaltete sich auf Sendung.

      „Die Rothaarhexe schreibt: Zwei rechts zwei links, den Apocalypso tanzt jedes Kind. Naja ihr Lieben, da ist noch Luft nach oben. Nur hier bei Grauzone FM bringt euch eure Melinda in die Nacht.“

      Rainer Kloppke hatte inzwischen das Studio verlassen und war auf seinem ersten von insgesamt drei Kontrollgängen unterwegs, denn er war nicht nur als Netzwerkadministrator, Sendeingenieur und Audiotechniker angestellt, sondern auch als Sicherheitsexperte, und zwar sowohl online, wie auch offline, was zur Folge hatte, dass er das gesamte Gebäude während seines Dienstes mehrfach händisch zu überprüfen hatte, so stand es in seiner Dienstanweisung. Die Flure erstreckten sich über drei Etagen mit jeweils vierzig Büroräumen, die wie ein effizientes Beißwerkzeug paarweise gegenüberlagen. Die Türschilder waren blind und Rainer Kloppke hatte nach zwei Jahren seiner stetigen Kontrollgänge nicht den Eindruck, dass die Räume irgendwie genutzt wurden. Dennoch war es seine Aufgabe, an jeder Tür zu rütteln. Meist startete er mit raschem Schritt an der rechten Flurseite, ließ seine Hand über die Türklinken laufen und schlug sie kurz herunter. Am Ende des Flurs wechselte er auf die linke Seite und wiederholte den Vorgang, wobei er gelegentlich sich selbst ein aufmunterndes „Yeah“ oder „Wow, man“ zurief. An guten Tagen schaffte СКАЧАТЬ