Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf. Uli Wittstock
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Название: Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf

Автор: Uli Wittstock

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783954627929

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СКАЧАТЬ spüren. Sollten später mal die Söhne auf dem Instrument spielen? Warum kam es dazu nicht? Das sind Fragen, die wir zum Klingen bringen müssen.“

      Vorsichtig stellte Kilian das Paket auf die schmale Seite und alle drei suchten so lange nach dem Knoten, bis der Sounddoc ihn gefunden hatte.

      „Vorsichtig. Ich will so viel Original wie möglich erhalten. Macht mal ein Foto, damit wir später den Knoten rekonstruieren können.“ Der Specialdoc ließ sein Handy aufblitzen, dann löste er vorsichtig die Verschnürung. Das Seil wickelte sich problemlos ab, dann löste sich an einer Stelle die Decke und der obere Teil eines feuerroten Corpus wurde sichtbar.

      „Unglaublich. Wie bei einer jungen Frau, wenn der Rock hochfliegt.“

      Kilian trat zurück und versuchte sich zu beruhigen, denn seine Hände zitterten bereits leicht. Die anderen beiden übernahmen den Rest, bis schließlich das Instrument vor ihnen lag.

      „Frühe Siebzigerjahre, tschechisches Bass-Modell. Damals unter dem Namen Jolana eingeführt.“

      Der Hals war breiter, als Kilian erwartet hatte. Am Steg und dort wo die Regler für Sound und Lautstärke aus dem Korpus ragten, waren leichte Gebrauchsspuren zu erkennen. So weit war alles in Ordnung, aber es fehlten zwei Saiten. Der Sounddoc sah die Enttäuschung in Kilians Gesicht. Er hatte jetzt nur wenige Sekunden, um den Abend zu retten.

      „Das ist schade, aber wir können das sampeln.“

      Kilian zeigte keine Regung. Mit dem Finger schnipste er an der tieferen der beiden Saiten, die, obwohl sie kaum gespannt war, ein ganz leises Schnarren hören ließ. Kilian lächelte.

      „Wir machen das.“

      Der Sounddoc griff sich den Bass und wechselte in das Studio, wo er das Instrument verkabelte. Dann drehte er einen der Mikrofongalgen näher zu sich heran und gab Kilian mit der Hand ein Aufnahmezeichen.

      „Jolana Bass Rot, Erstkontakt“, sprach er in das Mikrofon, dann ließ er die Saite schwingen und drehte vorsichtig die Lautstärke hoch. Die Saite schlug gegen die Bundstäbe, sodass ein Klirren das Signal begleitete. Die tiefere Seite klang etwas klarer.

      „Wir müssen das Baby aufwecken“, rief der Sounddoc in das Mikrofon und drehte vorsichtig an den Wirbeln. Die anderen beiden schauten ihm durch das Studioglas zu. Das war einer der riskantesten Augenblicke überhaupt, denn es konnte durchaus passieren, dass die alten Saiten beim Stimmen rissen.

      „Die D-Saite habe ich jetzt auf C gebracht. Hier lasse ich sie erst mal.“

      Er riss erneut die Saite an. Ein mulmiger Ton ließ die Boxen mehr brummen als klingen, und dass da eigentlich Metallsaiten schwangen, war kaum zu hören.

      „Großartig“, schrie Kilian hinüber ins Studio.

      „Voll der Siebziger-Sound. Jetzt brauchen wir nur noch ein fettes Originalsample.“

      „Schon in Arbeit“, sagte der Specialdoc.

      „Morgen kann ich liefern.“

      Montag war Zahltag, immer nach zwanzig Uhr, wenn die Einnahmen vom Sonntag längst überwiesen und die Wochenrationen für Bier und billiges Fleisch schon geordert waren und die neue Woche frisches Geld für die schwarzen Kassen erwarten ließ. Der Zahltag hatte eine lange Tradition in dem Viertel hinter den Gleisen, die in der Stadt den Fluss ersetzten. Und dort, im Karree von Bahnhofstraße, Eichweg, Hanseplatz und Scheunenstraße, zahlten die Besitzer von Trinkhallen, Stundenhotels, Wettbüros und Spielsalons ihr Schutzgeld, als wäre das eine Art Brauchtum, denn der Grund für den Schutz war längst in Vergessenheit geraten. Im trüben Licht ihres Feierabends und mit schwerer Zunge erinnerten sich die alten Kellner manchmal noch an jene Zeiten, als zur Abschreckung tote Katzen an die Tür genagelt wurden, widerspenstigen Wirten Flaschen in den Hals und anderswohin geschoben wurden, manchmal auch mit einem Baseballschläger, bis sie wimmernd zur losen Diele zeigten, unter der das Geld versteckt war. Der Legende nach war es ein brauner Transporter, der dieses Unheil brachte, und noch immer gab es Kioskbesitzer oder Hähnchenbrater, die nervös wurden, wenn zufällig ein braunes Fahrzeug hielt, und sei es nur, um eine Cola zu kaufen. Jetzt kurvte stattdessen ein Transporter der Firma Transgenclean durch das Viertel, auf der Rücktour vom Pflegeheim, mit Wäschesäcken auf der Ladefläche und drei Männern im Fahrerhaus, drei Männer, die auf dieser Rücktour ihre weißen Einteiler von Transgenclean abstreiften, um dann in Jeans und T-Shirts zu zweit aus dem laufenden Fahrzeug zu springen. Sie sammelten schmale Briefumschläge ein, deren Inhalt sie nicht nachzählten, denn in dem Viertel galt ein Ehrenwort noch immer mehr als eine Zahlungsaufforderung per E-Mail.

      Für gewöhnlich brauchten die drei Männer etwa eine Stunde, um die Couverts einzusammeln, auf einer Route, die für alle zur Routine geworden war. Torsten Dudeck und Holger Wirtz sprangen aus dem Auto, während der füllige Erik Karipke mit laufendem Motor hinter dem Steuer wartete. Das hatte ihr Chef zwar verboten, vor allem wegen der Spritkosten, aber die drei fanden, dass ein laufender Motor schon aus Gründen der Nostalgie zu einem Gangsterleben gehörte. Sie starteten stets in der Bahnhofstraße, denn hier gab es am frühen Abend die meisten Parkplätze für den Transporter.

      „Hey Elsi. Alles klar bei euch?“

      Holger Wirtz klopfte zur Begrüßung auf den alten, speckigen Tresen, während Torsten Dudeck am Eingang stehen blieb. Die Tour begann am Roten Baum, der Lieblingskneipe des Chefs, der von hier aus das ganze Viertel erobert hatte. Schon damals waren Elsi und vor allem ihr Bier so eine Art Mutterersatz für den Chef, was aber keinen Einfluss auf ihre geschäftliche Beziehung hatte. Elsi schob den Umschlag über den Tisch. Dann noch einen zweiten.

      „Der ist von Thai Lin. Die ist gerade mit einem Kunden oben. Der sah aus wie ein Zivilbulle.“

      „Danke für den Tipp. Wir sehen uns.“

      Holger Wirtz klopfte erneut auf den Tresen, steuerte dann zum Ausgang, vorbei an Dudeck, der sich noch einmal umsah und dann folgte. Vom Roten Baum ging es weiter zum Excelsior, einer verrauchten Spielhalle, in denen die Automaten zu dieser Uhrzeit noch vor sich hin dösten, dann zum Sexy Land, in dem sich tagsüber ältere Männer im Dunkel der Videokabinen befleckten und abends Neugierige aus den Vorstädten verlegen herumstanden. Vom Sexy Land ging es noch einmal treppab in Basti’s-Tattoo-Shop. Diesmal blieb Torsten Dudeck draußen. Gegen das Geländer gelehnt winkte er zum Transporter, der sich nun langsam näherte. Als er anhielt, sprang Dudeck hinein und verdrehte den Rückspiegel.

      „Erstes Fenster rechts, bei dem Thai-Mädchen. Da soll ein Zivilbulle sein.“

      Erik Karipke wischte mit der Hand über das Lenkrad.

      „Machen können wir nichts. Wir haben den falschen Wagen.“

      „Wir sollen ja auch gar nichts machen. Ich will den Vogel nur sehen.“

      „Ich kann hier nicht ewig stehen. Hier ist Halteverbot.“

      Der Chef war geizig und ließ die Jungs die Parkscheine und Strafzettel selbst bezahlen. Dies war in seinen Augen aber vor allem eine erzieherische Maßnahme, damit seine Mitarbeiter so unauffällig wie möglich ihre Runde drehten.

      „Die Kleine ist wieder frei.“

      Tatsächlich leuchtete ein roter Lampenschirm hinter der Gardine und Torsten Dudeck drehte den Spiegel tiefer, bis er den Eingang vom Roten Baum СКАЧАТЬ