Название: Die verschollene Beute
Автор: Wolfgang Wiesmann
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
Серия: Kommissarin Fey Amber
isbn: 9783942672856
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„Friedel Winkler“, röchelte er mit geschwollenen Lippen. Jacques richtete sich auf.
„‚Friedel Winkler‘, kannst du in dein Buch schreiben, Jules. Damit alles seine Ordnung hat. Was machst du nun mit der armen Sau?“
„Hilf mir, ihn dort ins leere Bett zu tragen, gleich da, neben den Rotschopf.“
„Nicht dein Ernst“, maulte Jacques. „Der heult uns heute Nacht die Hucke voll. Wir werden kein Auge zutun. Du sollst auf ihn aufpassen. So hab ich das verstanden. Da wäre er besser neben dir aufgehoben.“
„Pack mit an! Wir schleppen ihn zu euch“, befahl Jules.
Sie halfen Winkler auf die Beine zu kommen und verfrachteten ihn neben Liam in den Bettkasten. Als er sich hinlegte, klappte er in sich zusammen und keuchte vor Schmerzen.
„Was hast du verbrochen?“, fragte Jacques. „Du bist Deutscher, dein Name verrät es und du siehst aus wie einer. Warum hat man dich so zugerichtet?“
Winkler sah Jacques an. Seine Augen signalisierten Todesangst.
Jacques insistierte. „Wir können es uns hier nicht leisten, eine falsche Ratte zu beherbergen. Wer sagt uns, dass du nicht eingeschleust wurdest, um uns auszuspionieren?“
Jules reagierte ungehalten. „Was soll man hier denn ausspionieren? Den hat es erwischt. Vielleicht hat er für die Entente spioniert. Oder schlimmer, er ist ein Deserteur.“
„Für beide Vergehen wird er exekutiert. Sein Schicksal ist besiegelt. Das Himmelfahrtskommando ist bestellt.“ Jacques drehte sich zu den anderen um und sprach im Brustton eines Kenners: „Ihr habt es gehört. Sie machen kurzen Prozess.“
Er beugte sich erneut nieder.
„Spion oder Deserteur? Was bist du?“
Winkler schloss die Augen. Sein Kopf fiel zur Seite. Jacques fühlte seinen Puls.
„Lassen wir ihn von den süßen Mädchen träumen, wie sie den Kurfürstendamm entlang schlendern und ihm einen Handkuss zuwerfen, bevor ihn der Teufel holt.“
Liam hatte bis dahin unbeteiligt zugesehen und wandte sich nun an Jacques.
„Sie haben ihm seine Uniform abgenommen. Das heißt, dass er ein Deserteur ist und sie ihn als Schandfleck betrachten. Ohne Hilfe wird er die Nacht nicht überleben. Er ist geschwächt und wer weiß, was sie sonst noch mit ihm angestellt haben.“
„Was guckst du mich an? Ich bin kein Samariter. Lass ihn erfrieren oder kuschel dich an ihn.“
„Jules, hol ihm eine Decke!“, bestimmte Liam, ohne dass es jemand gewagt hätte, ihm zu widersprechen.
Friedel Winkler wurde zugedeckt und es waren nicht wenige, die ihm aus Mitleid den Tod in dieser Nacht wünschten.
Freundinnen
Marion Thüner war stinksauer, dass ihr Chef ihr an diesem Tag, an dem so viel zu erledigen war, eine zusätzliche Aufsicht nach der fünften Stunde aufgedrückt hatte. Der Krankenstand des Lehrpersonals an der Sythener Grundschule machte die Situation immer wieder schwierig. Fehlte nur eine Vollzeitkraft, musste die Last auf die wenigen anderen verteilt werden.
Zwei Jahre bis zur Pension und ihr Chef konnte ihr den Buckel runterrutschen. Marion schluckte die bittere Pille mit stoischer Gelassenheit nach außen und ruppigem Zorn nach innen. Um zwei Uhr stieg sie auf ihr Fahrrad und radelte den Berg hinab zum neuen Baugebiet am Melkenweg, wo sie sich aus eigener Kraft ein kleines Eigenheim geleistet hatte. Wenn nicht mit 63, wann dann?
Am Abend des nächsten Tages erwartete sie viele Besucherinnen. Ihr Cupcake-Kurs stand auf dem Plan. Dieses Event war äußerst beliebt und für Wochen ausgebucht. Diesmal hatte sie allerdings eine Ausnahme gemacht und ihrer neuen Nachbarschaft den Vorzug gegeben. Männer waren auch willkommen, würden aber erfahrungsgemäß nicht teilnehmen.
Sieben Damen hatten sich angemeldet. Der Kurs war nicht billig, 50 €, inklusive aller Zutaten, aber ihren Nachbarinnen hatte sie einen Freundschaftspreis berechnet. Es wurde mehr gequatscht als gebacken, aber genau in dieser Kombination lag für viele Frauen ein Glücksmoment, auch wenn nachher die Cupcake-Kreationen von den Gatten eher belächelt wurden.
Marion hatte sich einen Spickzettel an die Pinnwand geheftet. „Karin anrufen, wegen Erzählabend“ stand darauf. Karin Poggenpohl war ihre beste Freundin. Mit den Jahren war Marion aufgefallen, dass Karin immer öfter Dinge vergaß. Dazu zählten natürlich auch Verabredungen wie zum Beispiel für den heutigen Abend in der alten Mühle Sythen zu Marcel Bressons Vortrag.
Autofahren klappte erstaunlicherweise noch recht gut. Da steuerte ein Automatismus die Abläufe, der nicht ans Erinnern geknüpft war, sondern ans vegetative Nervensystem. Es kam vor, dass Karin losfuhr und sie unterwegs vergessen hatte, wohin sie eigentlich fahren wollte. In einem solchen Fall rief sie Marion an, beschrieb ihr die Gegend und beide klamüserten aus, wo Karin gelandet war. Ein Navi musste her, hatte Marion vorgeschlagen, aber Karin weigerte sich beständig. Sie war ein Technologiemuffel. Außerdem meinte sie, den Weg von Dülmen nach Sythen ohne Hilfe jederzeit zu schaffen. Das wäre ein gutes Zeichen und eine zuverlässige Kontrolle, dass sie nicht dement wurde.
Karin Poggenpohl war wie Senta Berger mit natürlicher Schönheit gesegnet. Der Zahn der Zeit nagte, aber man sah es diesen Diven kaum an. Wie Marion umgab Karin sich gerne mit gut gelaunten Frauen. Marion backte Cupcakes und Karin gab Töpferkurse. Nicht das Ergebnis stand im Mittelpunkt, sondern der Spaß. Das Rezept war so einfach, wie es wirksam war. Alle Frauen sahen nach einem Cupcake- oder Töpferkurs jünger aus. Ihre Lachfalten traten zwar deutlicher hervor, aber ihre zufriedene Ausstrahlung zauberte ein Stückchen echtes Glück auf ihre Gesichter.
Es war also kein Wunder, dass die mit 58 Jahren verwitwete Karin sich aus dem Angebot gut situierter Bewerber den besten herausgefischt hatte. Hans-Günther Kamps, genannt Hannes, war der Glückliche. Seit drei Jahren hofierte er Karin als wäre sie die Queen of Celebs. Hannes bezog gutes Geld als Montageleiter eines branchenführenden Jacuzzi-Herstellers und war in ganz Deutschland unterwegs. Wenn er zu Besuch kam, verwöhnte sie ihn mit Leckereien aus dem eigenen Garten, wozu auch die prächtigen freilaufenden Hühner gehörten. Ihr kleiner Hof zwischen Hausdülmen und Dülmen, nahe der Grenze zu Börnste, zauberte Köstlichkeiten auf den Tisch, die man sonst nur im Dorfladen in Merfeld kaufen konnte, wenn dort mal wieder gebrutzelt und gekocht wurde.
Marion rang seit einiger Zeit mit sich, ein vertrauliches Wort mit Hannes zu sprechen. Er musste auch bemerkt haben, dass Karins Gehirn nicht mehr richtig funktionierte. Oder bildete sie sich das nur ein? Dann wäre es schlimm, Hannes darauf anzusprechen. Sollte sie erst warten, bis etwas passierte? Dann würde sie von Gewissensbissen geplagt werden. Wie man es auch drehte, kein leichtes Kapitel ihrer Freundschaft.
Marion griff zum Telefon und wählte Karins Nummer. Besetzt. Als sie es später erneut versuchte: keine Reaktion. Nach dem dritten Anlauf beendete sie frustriert ihre Versuche. Vielleicht töpferte Karin oder hatte das Handy im Wagen liegen gelassen. Andererseits müsste sie sich langsam fertigmachen, um pünktlich um sieben Uhr in der Sythener Mühle zu sein. Sie versuchte es ein letztes Mal. Keine Antwort.
Dabei hatte Karin sich so sehr auf den Abend mit Marcel Bresson gefreut. Schon als Schülerin hatte sie das Fach Heimatkunde geliebt und laut Ankündigung ging es um die Zeit, als ihre Großeltern gelebt hatten. Karin konnte sich gut daran erinnern, dass ihre Oma immer Schwarz getragen hatte und СКАЧАТЬ