Leben ohne Maske. Knut Wagner
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Название: Leben ohne Maske

Автор: Knut Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783957163080

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СКАЧАТЬ staunten sie nicht schlecht, und Edda sagte: „Du bist also der Gesuchte.“

      „Ein gebrochener Zeh hat ihn vorm Ernteeinsatz bewahrt“, sagte Ulli und zeigte den dreien die Fotos, die er von ihnen während der Arbeit auf dem Feld und beim Saufen am 7. Oktober gemacht hatte.

      „Am Tag der Republik haben wir gesoffen wie die Löcher“, sagte Ulli.

      „Mehr als das!“ Edda tat mächtig geheimnisvoll.

      Doris fragte, ob sie mal das „Theater der Zeit“ haben könne, und vertiefte sich sofort in den Artikel über das Treffen der Studentenbühnen in Erfurt.

      Als Wolfgang ihr eröffnete, dass er im Arbeitertheater Schwedt mitgespielt habe, sagte Doris: „Wir brauchen noch Männer für die Massenszenen.“

      Biene, die einen äußerst vornehmen Eindruck machte, sagte: „Wir drei sind nämlich in der Studentenbühne“, und wedelte mit dem Probenplan, den sie sich gerade geholt hatten. Und Doris versuchte Wolfgang zu ködern, indem sie dem Stück, in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte, Wichtigkeit verlieh: „Es ist die Geschichte eines Mannes, der sein Gesicht verliert. Doch mit der Erkenntnis seiner Selbstentwürdigung vollzieht sich in ihm eine grundlegende Wandlung.“

      Das Stück, von dem Doris sprach, hieß „Die Lederköpfe“, und geschrieben hatte es ein gewisser Georg Kaiser.

      Obwohl Wolfgang weder das Stück noch den Autor kannte, sagte er: „Ich werde’s mir überlegen.“

      „Wir hoffen auf dich“, sagte Edda.

      „Und ich erwarte dich heute Abend in der ‚Weintanne‘“, sagte Ulli.

      Wenig später überquerte Wolfgang den Holzmarkt und holte seinen Koffer im Westbahnhof ab.

      In der Mühlenstraße angekommen, klingelte er bei seiner Wirtin und ließ sich die Wohnungsschlüssel geben. „Sie haben noch mal Glück gehabt“, sagte sie. „Nach Ihnen werde ich das Zimmer nicht mehr vermieten“, und es schien, als habe sie ein schlechtes Gewissen, dass sie ihm eine Kellerwohnung anbot, die im Winter sehr kalt und sonst immer etwas feucht war.

      Von einem kellerdunklen Treppenabsatz, der ebenerdig hinaus auf den Hühnerhof führte, ging links eine schmale, niedrige Tür ab, die in eine kleine Küche führte.

      Die Größe der Küche schätzte Wolfgang auf etwa vier Quadratmeter. Mit schnellem Blick überflog er das Mobiliar: ein schmales Küchenbüfett, ein kleiner, schwarzer Kanonenofen, ein Kleinsttisch mit geschwungenen Füßen und zwei zierliche Stühle aus Holz.

      Neben dem angerosteten Metallausguss mit dem schmucklosen Wasserhahn darüber, der einzigen Möglichkeit zum Waschen, befand sich ein schmales Fenster, unter dem es sich die Ameisen bequem machten.

      Durch einen ausgeblichenen Türrahmen, bei dem die Tür fehlte, betrat Wolfgang das Wohn- und Arbeitszimmer.

      Er stellte den Koffer und den Campingbeutel in der Mitte des Zimmers ab und schmiss sich in voller Montur übermütig auf die breite Kastenmatratze. Auf dem dicken, unbezogenen roten Federbett machte er Probeliegen. Er legte die Hände unter seinen Kopf und ließ das Zimmer auf sich wirken.

      Vom Kopfteil der Liege aus konnte Wolfgang sehen, wie die Nachmittagssonne durch das Geäst der Obstbäume von nebenan schien und das warme Oktoberlicht durch zwei Fenster ins Zimmer fiel. Zwischen den sonnenbeschienenen Fenstern stand eine Kommode, und an der Wand über der Kommode hing ein leeres Bücherregal.

      Mit dieser Aussicht beendete er sein Probeliegen. Er spürte, dass es sich nicht besonders bequem auf der harten Bettkante saß, und stellte fest, dass der kleine, braune Kachelofen, der das ganze Zimmer heizen sollte, nur einen reichlichen Meter vom Kopfteil der Kastenmatratze entfernt war.

      Er starrte auf die gegenüberliegende Stubenwand: auf den dunkelbraunen Kleiderschrank, die bläulich gestrichene Holztür, die direkt in den Hühnerhof hinaus führte, und das Fenster, von dessen Rahmen der weiße Lack in großen Flocken abblätterte. Der einzige Stuhl, den es in diesem Zimmer gab, stand vor dem abgelederten, schwarzen, schweren Schreibtisch, den man genau hälftig zwischen die Tür und das Fenster gestellt hatte.

      Wolfgang hätte sich überglücklich schätzen müssen, dass er eine eigene Bude hatte. Aber was er sah, fand er ziemlich beschissen. Dennoch begann er, sich häuslich einzurichten.

      Er packte den Campingbeutel aus, in dem sich die Turnschuhe, der Trainingsanzug und fünf Bücher befanden: „Der große Duden“, „Wege zum Gedicht“, ein Bildband über Renoir und die Frauen, „Die deutsche Geschichte in einem Band“ und „Literatur im Überblick“.

      Als Wolfgang den Duden mit dem blauen Einband auf das Hängeregal zwischen den zwei Fenstern stellte, die in Nachbars Garten gingen, musste er daran denken, wie er sich in der neunten Klasse von einer Fünf in Rechtschreibung auf eine Drei hochgearbeitet hatte. Mit dem Buchstaben A beginnend, schrieb er den Duden ab. Beim Wort Fatalismus angekommen, hörte er mit dem Dudenabschreiben auf, weil er es inzwischen auf eine Drei gebracht hatte. Und Wolfgang konnte sich gut daran erinnern, dass die Fünf in Rechtschreibung ihn nicht davon abgehalten hatte, zu erklären, dass er später einmal Schriftsteller werden wolle, und er führte Gerhart Hauptmann an, den großen Schlesier und Nobelpreisträger, der in Rechtschreibung auch eine Fünf gehabt haben solle. Zu jener Zeit las Wolfgang nur ungern, was ihm keinen Spaß machte und seinen gegenwärtigen Intentionen nicht entsprach. Er verehrte die Expressionisten und schrieb wirre und wilde Gedichte. Er schwärmte für „Baal“ und Hermann Hesse und alles, was vital und rotweintrunken war, zog ihn magisch an.

      Wolfgang griff nach dem Buch „Wege zum Gedicht“ und musste daran denken, wie die Trommern ihn zur Teilnahme an einem Lyrikwettbewerb überredet hatte.

      Nachdem Wolfgangs „Der Arbeiter“ in der Betriebszeitung abgedruckt worden war, hatte es sich bis in die Berufsschule herumgesprochen, dass Wolfgang Gedichte schrieb, und die dicke Trommern war von Wolfgangs Veröffentlichung so begeistert, dass sie ihn nach dem Unterricht zu sich bestellte.

      Die Trommern, die Deutsch und Staatsbürgerkunde gab und – politisch gesehen – rot bis auf die Hosen war, meinte, dass er unbedingt am Lyrikwettbewerb „Jugend und Alltag“ teilnehmen müsse, der gerade für Schüler und Lehrlinge ausgeschrieben worden sei. „Ich arbeite in der Jury mit“, sagte sie. „Und es wäre unheimlich gut, wenn unsere Schule durch dich vertreten würde.“

      Wolfgang schaffte es dank der Trommern auf einen der Podestplätze im Lyrikwettbewerb, und Peter Pollatschek, ein junger Schauspieler, trug Wolfgangs Gedicht auf der Abschluss-Matinee vor.

      Am Ende des musikalisch-literarischen Programms wurden die Preisträger nach vorn gebeten. Kurt Steiniger, ein Lyriker, der sich mit Kindergedichten einen Namen gemacht hatte, gratulierte Wolfgang zu seinem Erfolg und drückte ihm das Buch „Wege zum Gedicht“ in die Hand. Als die Trommern nach Veranstaltungsschluss erfuhr, dass Wolfgangs „Arbeiter“ in der Anthologie „Das Lied des Volkes wird geschrieben“ erscheinen sollte, fiel sie ihm um den Hals. Sie vergaß, dass sie seine Lehrerin war, und drückte ihn eine ganze Weile liebevoll und innig an ihren fülligen Körper.

      Als Wolfgang den Bildband über Renoir auf das oberste Brett des schmalen Wandregals stellte, flatterte ihm ein kleiner Zeitungsausschnitt entgegen, der ihm als Lesezeichen gedient hatte. Es war ein kleiner Zweispalter, der mit „Themen waren gut durchdacht“ überschrieben war und Wolfgang nochmals an seinen ersten literarischen Erfolg erinnerte.

      Über die Matinee anlässlich des Lyrikwettbewerbs schrieb die Journalistin, СКАЧАТЬ