Marseille.73. Dominique Manotti
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Marseille.73 - Dominique Manotti страница 6

Название: Marseille.73

Автор: Dominique Manotti

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783867548366

isbn:

СКАЧАТЬ einem Burschen, den er ganz jung als Schutzpolizist in die Polizei hat eintreten und dann recht schnell aufsteigen sehen. Er hatte ihn schon früh bemerkt und erwogen, ihn zu einem seiner »Räte« zu machen, vielleicht sogar einem Vertrauten. Aber Grimbert hat ihn enttäuscht, als er das interne Auswahlverfahren zum Inspecteur durchlief und zur Kriminalpolizei wechselte. Die Kriminalpolizei, das sind Intelligenzler, keine Bullen. Trotzdem hat Marcel sich eine gewisse Zuneigung für ihn bewahrt, wie für einen brillanten Sohn, der immer nur macht, was er will.

      Bei Étienne zwängen sich Grimbert und der Dicke Marcel an einen kleinen Tisch. Marcel wendet dem Raum den Rücken zu, was bedeutet: Nicht stören. Supion für den einen, Fleischbällchen für den anderen, zwei Bier. Kein Vorgeplänkel, die Zeit läuft, Grimbert kommt sofort zum Kern der Sache.

      »Mein Team hat von der Kriminalpolizei Toulon einen Wink bekommen, die Kollegen stellen im Umfeld der UFRA die Zunahme von Gewalttaten fest, immer häufiger bewaffnet. Sie fürchten, es könnte sich um eine Art Testlauf für den Aufbau einer gut strukturierten Untergrundorganisation mit terroristischen Aktivitäten handeln. Sie fragen, wie es bei uns aussieht, hier in Marseille und insbesondere bei der Marseiller Polizei.«

      »Warum sprichst du mich darauf an? Bildest du dir ein, ich weiß es und verrate es dir?«

      »Nein. Aber ich glaube, dass auch du dir Sorgen machst, Marcel. Hinter dieser Art Organisation steckt ein Machtkampf, es geht um die Macht innerhalb der Polizei, deine Macht. Wenn Polizisten sich systematisch an einem mehr oder weniger geheimen Netzwerk außerhalb deiner Kontrolle beteiligen, wirst du irgendwann abserviert, und das weißt du.«

      Marcel schweigt, Grimbert sieht ihm beim Denken zu. Dann entschließt er sich zum Reden.

      »Was hast du bei der Kriminalpolizei verloren? Du fehlst mir, Grimbert. Was willst du?«

      »Ich informiere dich, dass ich herumzuschnüffeln gedenke. Du weißt es und behinderst mich nicht.«

      »Und du hältst mich auf dem Laufenden, Schritt für Schritt.«

      Grimbert nickt und lächelt.

      »Étienne, zwei Espresso.«

      Sobald er Marcel verlassen hat, ruft Grimbert seine Frau an.

      »Es wäre eine gute Idee, deine Freundin Françoise heute oder morgen zum Abendessen einzuladen, sie hat Ferien, es sollte klappen.«

      Mélanie Grimbert ist eine blühende Frau. Sie ist Lehrerin, sie liebt ihren Beruf, sie liebt die zwei hübschen Bengel, die sie mit Grimbert fabriziert hat, sie liebt Grimbert selbst, ein zuverlässiger Mann und mit seiner Arbeit hinreichend ausgelastet, um ihr in der Familie die Schlüsselhoheit zu überlassen. Das ist es durchaus wert, ihm hin und wieder unter die Arme zu greifen, so wie heute Abend. Sie hat die Jungs zum Abendessen und Übernachten zu Freunden geschickt und Françoise eingeladen, ihre Freundin aus Kindertagen, die in der Verwaltung der Marseiller Polizeipräfektur arbeitet und in den Sechzigerjahren damit beauftragt war, die Eingliederung der aus Algerien heimgekehrten Pied-Noir-Polizisten in den Polizeiapparat des Mutterlands zu beaufsichtigen.

      Die zwei Frauen schwätzen bei einem Weißwein-Apéritif, Françoise, eine hübsche kraushaarige Brünette im Blümchenkleid, lässt sich mit einem Lächeln auf den Lippen ungeniert die Knabbereien schmecken, Grimbert, im Sofa versunken, Aufmerksamkeit in der Schwebe, gönnt sich einen Whisky.

      Man setzt sich zu Tisch. Mélanie bringt eine Daube à la niçoise, der Rinderschmortopf ist ihre Spezialität, und füllt die Teller. Erste Bissen in anerkennendem Schweigen. Dann beginnt Mélanie, die die Szene am Nachmittag mit Grimbert geprobt hat, über ihre Schüler zu sprechen, es läuft recht gut dieses Jahr, aber mit gewissen Eltern haben die Lehrkräfte ihre Schwierigkeiten.

      »Funktionäre von Repatriiertenvereinen haben in der Elternvertretung das Ruder übernommen und machen uns mit allem möglichen Blödsinn das Leben schwer, ohne dass wir dahinterkommen, was sie wirklich wollen.« Grimbert hat sich in den aktiven Ruhemodus versetzt. Nicht nötig, Druck zu machen. Françoise wird anbeißen, das weiß er, sie liebt die Erinnerung an jene Jahre. »Sie lassen all ihren echten oder eingebildeten Frust an uns aus, das ist anstrengend.«

      »Wir hatten damals auch einige Probleme, weißt du. Wir sind zunächst dem Grundsatz gefolgt, die eingegliederten Polizisten auf alle Abteilungen zu verteilen, um zu verhindern, dass sich homogene Zellen bilden. Aber viele von ihnen haben versucht, über die Schiene Versetzung-Beförderung zueinanderzukommen, zusammen fühlten sie sich wohler, und da gab es manchmal Ärger.«

      Grimbert ist jetzt hellwach, Françoise lächelt ihm zu.

      »Hast du die Geschichte neulich mitbekommen von diesen zwanzig Pied-Noir-Bullen in Nizza, die die Kontrolle über ein Funkstreifenteam übernommen hatten? Sie verständigten sich auf Arabisch oder Spanisch und klauten aus den Haushalten, zu denen sie gerufen wurden, alles, was nicht niet- und nagelfest war.«

      »Ja, gerüchtehalber. In Marseille hat es so was noch nie gegeben.«

      »Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe von einer Untersuchung gehört, die im Dezernat Interne Ermittlungen heißläuft …«

      Grimbert merkt sich das. Tauschobjekt im Handel mit Marcel?

      »Wir hatten in meiner Abteilung mehrere Hinweise bekommen, es gab viel Ärger mit einer Gruppe von Pieds-Noirs im Kommissariat des 15. Arrondissements, das war nach meinem Ausscheiden, ich habe nie erfahren, worum es genau ging.«

      Grimbert zuckt nicht mit der Wimper, maximale Alarm­bereitschaft. »Da muss ich schon bei der Kriminalpolizei gewesen sein, ich habe auch nie was darüber gehört.«

      Dann wendet sich das Gespräch Françoise’ Tochter zu, die so alt ist wie Mélanies Söhne, unerschöpfliches Thema. Grimbert wartet geduldig, dass Françoise auf den Punkt zurückkommt, der ihn interessiert, was sie auch tut, als die Pflaumentarte auf den Tisch kommt.

      »Weißt du, Mélanie, man darf nicht alles so schwarzsehen. Eure Scherereien werden sich langfristig erledigen. Ich hatte in meiner Abteilung ein paar echte Erfolge. Man muss den richtigen Hebel finden. Ich hatte einen Schutzpolizisten, der aus Algier kam. Dort hat er ehrenamtlich einen Sportverein für Kollegen geleitet. Nach dem, was er erzählte, hat er sich voll eingebracht, er kannte viele Leute, hatte viele Freunde. Hier war er plötzlich allein, verunsichert, mit Alkohol- und Gewaltproblemen, er hat sogar angefangen, seine Frau zu verprügeln, und um ein Haar wäre er aus dem Dienst entlassen worden. Ich habe mich um ihn gekümmert. Ich fand einen Schießclub, der der Stadt gehörte und aufgegeben worden war. Ich habe ihm vorgeschlagen, dass er ehrenamtlich die Leitung übernimmt. Er war einverstanden, hat den Club neu aufgebaut, ein spektakulärer Erfolg. Jeden Sonntag hat er für seine Freunde ein Abendessen ausgerichtet. Vor meinem Ausscheiden hat er mich zweimal dazu eingeladen. Es war sehr nett. Um die zwanzig Kumpel, Musik, seine Frau und seine Tochter kochten für die ganze Mannschaft Riesengerichte vom Typ Couscous. Genau wie drüben, sagten sie. Es wurde reichlich geredet und getrunken, alles nostalgische Anhänger von Französisch-Algerien, klar, aber diese Momente der Geselligkeit und des Unter-sich-Seins machten sie glücklich. Für meinen Kandidaten war das der Hebel. Er hat sich in sein berufliches Umfeld gut integriert. Man muss dazusagen, dass seine Frau ihm sehr geholfen hat. Sie ist Katholikin und eine fleißige Kirchgängerin, mit der dazugehörigen Opferbereitschaft. Inzwischen ist er Brigadier.«

      Pied-Noir, Brigadier … Picon, der Mann, dem er ein-, zweimal begegnet ist, als er noch bei den Uniformierten war, und von dem er später im Zusammenhang mit Marcels Entourage gehört hat?

      »Sprichst du von Brigadier Picon?«

СКАЧАТЬ