Название: Der Kaiser
Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806240108
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Das alles musste man Karl nicht zweimal sagen: Die »Zerstörung Ungarns« hatte ihn zutiefst erschüttert. Im November 1526 teilte er dem päpstlichen Nuntius mit, dass er nun willens sei, in seinem Streit mit Franz die Vermittlung Heinrichs oder Clemens’ anzunehmen, und dass er zur Erreichung »eines allgemeinen Friedens einwilligen werde, die Söhne des Königs ohne die Zahlung eines Lösegeldes freizulassen, wenn der König ihm nur dafür bürgte, dass er Frieden halten werde«. Dann wollte Karl nach Österreich gehen und die Verteidigung der Christenheit gegen die Türken persönlich anführen. In einem seltenen Moment der Selbstreflexion gab der Kaiser Castiglione gegenüber zu, dass
»er auch nur ein Mensch sei und seine Fehler habe, und unter anderem sei er zögerlich, wenn es gelte, Entscheidungen zu treffen, weshalb es durch sein Versäumnis schon oft zu Verzögerungen gekommen sei; nun jedoch wolle er sein Gemüt in den Griff bekommen und überaus fleißig sein, und er werde nicht ruhen, bis dieses Ziel erreicht sei. Was ihn betreffe, möge die ganze Welt Krieg gegen ihn führen, und der König von Frankreich solle sich doch Spanien holen, wenn es ihm beliebe; aber um die Türken zu schlagen, werde er, Karl, alles andere aufgeben.«64
Auch für Papst Clemens sollte der Verlust Ungarns ernste Konsequenzen haben. Zwar war er nun wieder auf freiem Fuß, wusste aber ganz genau, dass er allein Rom keinesfalls gegen Bourbon oder Lannoy würde verteidigen können – geschweige denn gegen beide zugleich. Er verließ also die Liga von Cognac, schloss mit Lannoy einen Waffenstillstand auf acht Monate (offenbar ohne zu bedenken, dass dieser für Bourbon nicht gelten würde) und begann, seine Truppen zu demobilisieren.
Nach Rom!
Franz’ Entscheidung, den Vertrag von Madrid zu brechen, schwächte den Herzog von Bourbon erheblich – hatte sein früherer Herr doch den Besitz und die Einkünfte des Herzogs eingezogen und an loyale Amtsträger und Adlige verteilt, wodurch Bourbon nicht nur vollkommen mittellos dastand, sondern jegliche Aussicht auf Restitution verloren hatte. Zwar hatte Karl ihn stattdessen zum Herzog von Mailand gemacht, aber sämtliche Mittel jenes Territoriums waren durch das kaiserliche Heer aufgezehrt worden, was den Herzog dazu trieb, mit seinen schon halb in Meuterei befindlichen Truppen nach Süden zu ziehen, um dort neue »Plündergründe« aufzutun. Zunächst bedrohten sie Florenz, das sie jedoch gut befestigt vorfanden, woraufhin sie sich auf den Weg nach Rom machten und verlauten ließen, sie würden erst anhalten, wenn Papst Clemens ihren ausstehenden Sold zahlte. Eilig trat der Papst wieder der Liga von Cognac bei und erklärte Kaiser Karl als König von Neapel für abgesetzt. Der kaiserliche Botschafter in Rom teilte bekümmert mit: »Manche wetten hier fünf zu eins, dass der Papst binnen vier Monaten über Neapel herrschen wird.«65
Diese Einsätze waren verloren, denn Clemens’ Position war schlicht nicht zu halten: Den größten Teil seiner eigenen Truppen hatte er nach Hause geschickt, und die Heere seiner Hauptverbündeten – Frankreich, England, Venedig – waren weit entfernt. Der Herzog von Bourbon dagegen ließ nun seine schwerfällige Belagerungsartillerie zurück und stieß mit seinen Männern nach Süden vor, wobei er auf römischen Straßen ein atemberaubendes Marschtempo von dreißig Kilometern am Tag erreichte.66 Im Morgengrauen des 6. Mai unternahm das kaiserliche Heer, verstärkt durch Freiwillige, die sich fette Beute erhofften, einen Überraschungsangriff auf Rom. Zum großen Unglück der Stadtbevölkerung wurde der Herzog von Bourbon gleich zu Beginn des Sturmangriffs tödlich verwundet, und kein anderer verfügte über die nötige Autorität, seine siegreichen Truppen zu disziplinieren. Zehn Tage dauerte die Plünderung an, die als Sacco di Roma traurige Berühmtheit erlangen sollte. Bis zu 8000 Römer ließen ihr Leben. Die von Karls Truppen verübten Gräueltaten waren, wie ein Augenzeuge berichtete, »so zahlreich, dass es gar nicht genug Papier und Tinte – oder Erinnerungsvermögen – gibt, um sie alle festzuhalten«. Tatsächlich sollte »das Ausmaß der Zerstörung bedeuten, dass Rom zu unseren Lebzeiten, ja auf zweihundert Jahre, nicht wieder Rom sein wird!«67 Clemens und einige Kardinäle konnten sich in die Engelsburg retten, mussten nach einem Monat jedoch aufgeben, da keine Hoffnung auf Entsatz mehr blieb, und wurden von den kaiserlichen Truppen gefangen genommen. In der Zwischenzeit waren die Verwandten des Medici-Papstes aus Florenz geflohen und ihre Gegner hatten in der Stadt am Arno abermals die Republik ausgerufen.
Zum zweiten Mal hatten der Herzog von Bourbon und sein Heer »den Kaiser zum absoluten Herrscher über Italien gemacht«, und Lope de Soria jubelte: »Ganz offenbar hält Gott selbst die Sache Eurer Majestät in Seinen Händen, wo Er sie doch auf solch wunderbare Weise geleitet und befördert hat«, sodass alle »Fürsten der Christenheit nun wissen, dass Er sie durch die Hand Eurer Majestät bestrafen will«. Auch Ferdinand beglückwünschte seinen Bruder zu der »guten Nachricht von der Einnahme Roms« und äußerte die Hoffnung, dass Karl den Papst – »da er sich ja gerade in Eurer Hand befindet oder zumindest in einer Situation, in der Ihr mit ihm tun und lassen könnt, was Euch beliebt« – nicht wieder freigeben werde, »bevor nicht die allgemeinen Angelegenheiten der Christenheit geregelt sind«.68
Über seine nächsten Schritte musste der Kaiser ohne den Beistand Gattinaras entscheiden. Der Kanzler war verärgert darüber, dass man seinen Rat zur weiteren Verhandlungsführung mit dem französischen König nicht beherzigt hatte, weshalb er den kaiserlichen Hof verließ und nach Italien reiste, um sich dort um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. In seiner Abwesenheit rief Karl die auswärtigen Botschafter selbst zusammen, um ihnen persönlich darzulegen, was in Rom geschehen war. Wie ein englischer Diplomat spöttisch bemerkte, brachte er »seine Ausflucht vor und beteuerte – wobei er immer wieder die Hand an die Brust legte –, dass jene Dinge nicht nur ohne jeglichen Befehl von seiner Seite geschehen waren, sondern sogar entgegen seinem ausdrücklichen Willen und dass sie ihm tiefsten Verdruss und Kummer bereitet hatten«.69 Die Botschafter glaubten dem Kaiser kein Wort – und damit hatten sie ganz recht. Schon als am 31. Mai 1527 die ersten Gerüchte von der blutigen Eroberung Roms und der Flucht des Papstes den Kaiserhof erreichten, meldete der Florentiner Botschafter, dass jene Nachrichten, »anstatt beim Kaiser Gottesfurcht und Mitgefühl zu erregen, am Hof vielmehr eine übergroße Freude ausgelöst haben, ja es herrscht hier ein solches Unmaß an Begeisterung, dass er [Karl] ganz entgegen seinem üblichen Verhalten so viel lachte und scherzte, während er mit seinem Gefolge sprach, dass er kaum die Zeit zum Essen fand«. Der Botschafter hegte den Verdacht, dass »Seine kaiserliche Majestät bereits begonnen hat, sich selbst als einen absoluten Herrscher zu betrachten, dessen Entscheidung jedermann hinnehmen muss«.70 Eine Woche später, am 7. Juni, sollte Karl diese Befürchtungen selbst bestätigen. Da er von Bourbons Tod noch nicht wusste, schrieb СКАЧАТЬ