Название: Der Kaiser
Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806240108
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Obwohl die Minderjährigkeit des Erzherzogs Philipp mit dessen fünfzehntem Geburtstag geendet hatte, zeigte sich Margarete besorgt, sie könnte in Karls Fall womöglich früher enden. Im November 1512 flehte sie ihren Vater an, er solle in die Niederlande zurückkehren und ihr im Angesicht der »extremen Gefahren«, von denen sie sich gleichsam umzingelt sah, beistehen – »denn ich weiß nicht, wie ich noch länger mit ihnen fertigwerden soll. Die Generalstaaten geben sich so feindselig, und die einfachen Leute reden so boshaft, dass ich ernstlich besorgt bin, es könnte uns ein schlimmes Unheil geschehen, falls wir keine Lösung finden.« Sie bat Maximilian inständig, er solle sich »erbarmen, denn ich weiß weder ein noch aus«. Viele Leute, fuhr sie fort, »behaupten, ich würde alles verschwenden, nur um Euch zu gefallen«, und sie selbst sei »so voller Bedauern über die gesamte Lage«, dass sie »oft wünsche, ich wäre wieder in meiner Mutter Leib«. Sechs Monate später wiederholte sie ihren Appell an Maximilian noch einmal und berichtete von Plakaten an Kirchenportalen, »die mich verurteilen und verächtlich machen«, während gewisse »böse Geister« behaupteten, »mein einziger Wunsch sei es, Kriege zu führen und sie zu ruinieren«, und »weitere böse Worte [äußerten], durch welche das Volk aufgewiegelt werden könnte«.59
Auch fand sie ihren Neffen weniger gefügig als zuvor. 1512 umfasste sein Hofstaat bereits über 330 Personen (80 Wachen, 75 Adlige und Ritter, 32 Mitglieder seiner Kapelle, 25 »Kammerdiener, Pagen und junge Kammerburschen« und so weiter), die zusammen einen Sold von 180 Gulden am Tag bezogen (verglichen mit nur 37 Gulden am Tag zehn Jahre zuvor). Im September 1513 erzwangen Gerüchte, Karl sei »so herrisch und eigensinnig, dass er sich weder lenken noch leiten lasse«, ein energisches Dementi seines Obersthofmeisters, des Herrn von Beersel. Einen langen Brief an Margarete begann dieser billig genug mit der folgenden Beteuerung: »Wenn mein Herr, Euer Neffe, tatsächlich so gesinnt wäre, wüsste ich wohl davon« – ging dann jedoch gleich zum Gegenangriff über:
»Mein Herr ist zu allen Zeiten und in allen Angelegenheiten vollkommen geneigt, bereit und willens, Euch zu gehorchen und alles zu tun, was ihm als Wunsch und Wille des Kaisers und Eurer selbst, Madame, bekannt wird. Was die anderen Gesichtspunkte seines Handelns betrifft, so glaube ich, dass ich bislang noch nichts gesehen oder gehört habe, worin er nicht sämtliche vernünftigen Ansinnen und Aufforderungen, die an ihn herangetragen werden, gern und willig umgesetzt hätte. Ja ich glaube sogar, Madame, dass man vernünftigerweise – und unter Berücksichtigung aller Umstände – nicht mehr von ihm verlangen könnte.«60
Beersel war eine umstrittene Persönlichkeit. Zehn Jahre zuvor, als er gerade seinen Posten als Karls Obersthofmeister angetreten hatte, beschrieb ihn der spanische Gesandte in Brüssel als »einen Mann mit den schlechtesten Angewohnheiten, die ich jemals gesehen habe«. Vielleicht sollte man seine Worte in dem vorliegenden Fall nicht für bare Münze nehmen, denn einige Monate später machte Karl seiner Tante eine schreckliche Szene, bei der sich die beiden auf unziemlichste Weise in aller Öffentlichkeit anbrüllten.61 Es ging dabei um Don Juan Manuel, einen spanischen Anhänger von Karls Vater, der in die Niederlande geflohen war, weil er die Feindschaft König Ferdinands fürchtete. Im Januar 1514 ließ Margarete ihn auf den ausdrücklichen Befehl Maximilians inhaftieren. Jedoch war Don Juan ein Ritter vom Goldenen Vlies, und nach den Statuten des Ordens durften über einen Ordensritter nur seine Ordensbrüder zu Gericht sitzen. Don Juans Familie reichte deshalb bei Karl die förmliche Forderung nach einem ordnungsgemäßen Verfahren ein – bei Karl, weil dieser mit seiner Volljährigkeit zum Großmeister des Ordens aufsteigen würde. Karl sprach also mit einer Delegation von sieben Ordensrittern bei Margarete vor und verlangte von ihr, dass der Gefangene freigelassen werden solle. Margarete antwortete zornig, dass Kaiser Maximilian – auch er ein Ritter des Ordens – den Arrest angeordnet habe und nur er ihn auch wieder aufheben könne: Ohne kaiserliche Erlaubnis dürfe sie Don Juan nicht freigeben. Sodann griff sie, »nachdem sie ihrem Missvergnügen darüber Ausdruck verliehen hatte, dass diese Versammlung [von Rittern] ohne ihr Einverständnis einberufen worden war«, Karl persönlich an und »sagte ihm, dass er sich nicht so vorschnell Auffassungen zu eigen machen solle, die den Anweisungen des Kaisers ebenso zuwiderliefen wie jenen, die in seinem Namen handelten« (damit war sie selbst gemeint). Mit dieser verächtlichen Antwort Margaretes war die Unterredung beendet, doch vier Tage später stand der Neffe wieder vor seiner Tante »an der Spitze der Ritter«, um noch einmal unter Protest darauf hinzuweisen, dass ein Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies nur von anderen Ordensmitgliedern gerichtet werden durfte. Damit provozierte er die Statthalterin zu einer weiteren Zornestirade. Margarete erinnerte Karl daran, dass er noch immer zu jung war, um als Großmeister des Ordens zu amtieren, und den Rittern beschied sie, »wenn sie keine Frau, sondern ein Mann wäre, hätten sie sich ihre kostbaren Statuten erst noch zu verdienen«. Schließlich entschärfte Maximilian die Situation, indem er Don Juan Manuel unter strenger Bewachung an seinen eigenen Hof überführen ließ, doch da hatte Margaretes Autorität bereits erheblichen Schaden genommen.62
In seinen »Erinnerungen«, die Karl viele Jahre später zu Papier brachte, erwähnt er all dies mit keiner Silbe. Immerhin hält er fest, dass während seines Zusammentreffens mit Maximilian und Heinrich im Oktober 1513 »die Mündigkeit des Erzherzogs [d. h. seiner selbst, Karls] besprochen und vereinbart wurde«. Zwar hat sich von dieser Vereinbarung keinerlei schriftlicher Beleg erhalten, aber da die drei Protagonisten fast eine ganze Woche miteinander verbrachten, werden sie eine derart delikate Entscheidung eben im persönlichen Gespräch gefällt haben. Was auch immer das Trio entschieden haben mag: Sechs Monate später teilte Margarete ihrem Vater mit, dass die Generalstaaten es abgelehnt hatten, die von ihr geforderten Steuern zu bewilligen – »mit der Begründung, dass die Unmündigkeit meines Herrn [d. h. Karls] bald enden werde«. Im Monat darauf fügte sie hinzu, dass »manche Leute sagen, die Unmündigkeit meines Herrn werde enden, sobald er verheiratet sei. Wenn das so ist, solltet Ihr mir auftragen, alles Nötige in die Wege zu leiten, damit Ihr nicht unversehens feststellen müsst, dass dieser Umstand unerwartete Folgen nach sich zieht.« Auch warnte Margarete ihren Vater, dass viele Angehörige der niederländischen Elite »über uns murren und meinem Herrn Dinge in den Kopf setzen, die weder Euch noch mir taugen«. Schlimmer noch, man benutzte die »Beschwerden und Auseinandersetzungen« als einen Vorwand, um »die Unmündigkeit meines Herrn zu beenden, ehe man sichs versieht … Wenn Ihr dies verhindert wollt«, so müsse er, Maximilian, unverzüglich in die Niederlande zurückkehren, »andernfalls werdet Ihr niemals rechtzeitig hier eintreffen«.63
Am Ende war es Maximilian selbst, der die Mündigsprechung seines Enkels herbeiführte, indem er verlangte, dass dieser »die Niederlande verlassen und zu uns [nach Innsbruck] kommen« solle, »damit wir alles in die Wege leiten können, ihm den Huldigungseid aller Länder und Herrschaftsgebiete unseres Hauses Österreich zuteilwerden zu lassen, um so seinen Erbanspruch zu festigen – und den seines Bruders –, wenn ich einmal nicht mehr bin« (ein Hinweis darauf, dass Maximilian noch immer von der Schaffung eines vereinigten »Austrasien« träumte: siehe Kap. 1). Er wies seine Tochter also an, im Dezember 1514 die Generalstaaten einzuberufen, damit die zur Finanzierung von Karls Reise nötigen Gelder bewilligt werden konnten.64 Als es so weit war, forderten jedoch die Stände von Brabant, dass Maximilian seinen Enkel – als Vorbedingung jeder weiteren Bewilligung – sogleich in die Mündigkeit entlassen »und seine Unmündigkeit beenden [solle], sodass die Regierung aller Länder und Herrschaftsgebiete des Hauses Burgund in seine Hände gelegt wird«, worauf Karl (der persönlich anwesend war) gnädig antwortete: »Edle Herren, ich danke Euch für die Ehre und die tiefe Zuneigung, die Ihr mir erweist. Seid Ihr gute und treue Untertanen, dann will ich Euch ein guter Herrscher sein.« Inzwischen versprachen Chièvres und seine Mitstreiter Maximilian eine Zahlung von 100 000 Gulden für seine Einwilligung. Der Kaiser, СКАЧАТЬ