Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland
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СКАЧАТЬ öffnete den Briefumschlag, nahm ein zusammengefaltetes Papier heraus und entfaltete es.

      Auf dem Kuvert hatte sie den Poststempel gelesen. Der Brief war in Boston aufgegeben worden.

      Nun weiteten sich erstaunt ihre Augen. Die wenigen Worte waren weder mit der Hand geschrieben, noch waren sie auf der Schreibmaschine getippt. Sie waren nicht gedruckt, und die Buchstaben waren auch nicht aus einer Zeitung ausgeschnitten und nebeneinander geklebt worden.

      Die wenigen Worte waren gestempelt. Die Person, die die Nachricht an Mrs. Mary Scott verfasst hatte, hatte sich einen Stempelsetzkasten gekauft und hatte den Text daraus zusammengesetzt.

      Susan las:

      Zahl oder stirb! Fünfzigtausend Dollar bereithalten. Keine Polizei. Keine Detektive. Nächste Nachricht abwarten.

      Susan las dieses gestempelte Telegramm noch einmal. Als sie das Blatt erstaunt sinken ließ, sagte Mrs. Scott: „Natürlich bin ich der festen Meinung, dass mir ein Verrückter diesen Brief geschickt hat. Aber die Sache beunruhigt mich doch ein wenig. Ich will ehrlich sein. Ich habe sogar Angst. Man liest von so vielen Verbrechen in den Zeitungen, dass einem ein solcher Brief einen gehörigen Schrecken einzujagen vermag.“

      Susan gab der Alten in diesem Punkt recht. Natürlich konnte sich ein Verrückter diesen schlechten Scherz mit der alten Frau gemacht haben. Andererseits war Mary Scott eine steinreiche Frau. Sie war also für eine Erpressung bestens geeignet.

      „Ich bin selbstverständlich nicht bereit, für nichts und wieder nichts fünfzigtausend Dollar aus dem Fenster zu werfen“, sagte Mary Scott, und ihrer entschlossenen Miene war es anzumerken, dass sie um ihr Geld kämpfen wollte, dass sie nicht die Absicht hatte, sich davon zu trennen. Auch in diesem Punkt hatte sie Susans vollstes Verständnis. „Wo kämen wir denn da hin, wenn das jeder tun würde“, sagte Mary Scott trotzig. Sie holte eine Packung Chesterfield aus ihrer Handtasche und begann zu rauchen.

      Die Zigarette zitterte zwischen ihren dünnen Fingern, deren stumpfe Nägel mit dem eben erst in Mode gekommenen schwarzen Nagellack verhässlicht worden waren.

      Susan machte die unsympathische Alte mit den Sätzen der Detektei Calder vertraut. Mary Scott rümpfte die Nase und schnippte die Asche ihrer Zigarette auf den Boden, obwohl ihr Susan einen Aschenbecher hingeschoben hatte.

      „Billig seid ihr gerade nicht“, keifte die unleidliche Alte ärgerlich.

      „Ich gebe zu, zwanzig Pfund Tomaten sind billiger“, gab Susan ungerührt zurück.

      Mary Scott überlegte eine Weile. Dann dämpfte sie die Chesterfield im Aschenbecher ab, nahm Taschenspiegel und Lippenstift und zog die bleistiftstrichdünnen Lippen mit der Sorgfalt eines Grafikers nach, der an einer Reinzeichnung arbeitet. Hinterher sagte sie herablassend: „Na, meinetwegen. Ich sehe ein, dass auch Sie leben müssen.“

      „Mr. Calder wird sich über Ihre Einstellung mächtig freuen“, höhnte Susan.

      „Mr. Calder soll sofort zu mir kommen, wenn er hier eintrifft!“

      „Es wird ihm ein Vergnügen sein“, sagte Susan honigsüß zu der runzeligen Alten.

      „Notieren Sie meine Adresse!“

      Susan nahm einen Kugelschreiber zur Hand. Dann legte sie ihn wieder weg, nahm das Kuvert auf und winkte der Alten damit.

      „Sie wohnen Lake Shore Drive 1975, nicht wahr?“

      „Allerdings.“

      „Es steht auf dem Kuvert.“

      „Ach ja, natürlich.“

      Die Alte packte ihre Siebensachen und erhob sich. Ihr Gold klimperte wie Glocken auf dem Jahrmarkt. Dazu rasselten Perlenketten, während Diamanten in aller Stille vor sich hin funkelten.

      Mary Scott stelzte auf ihren dünnen Beinen zur Tür. Sie ärgerte sich mächtig darüber, dass James sich nicht von Susans attraktiven Beinen lösen konnte. Sie zischte ihm irgendetwas Wütendes zu, das Susan Tucker nicht verstehen konnte. Der livrierte Clown verlor sofort den Rest seiner ungesunden Gesichtsfarbe und verließ mit dem Drachen eilig das Büro.

      3

      Die Bar war offen und doch geschlossen. Vor dem offenen Eingang lehnte ein schräg gestellter alter Besen, um deutlich zu machen, dass Gäste um diese Zeit noch nicht erwünscht waren.

      Ein schwarzer Lincoln hielt vor dem Eingang der Bar.

      Pino Calva schälte sich aus dem Fahrzeug und marschierte mit schwerem Schritt zum Gehsteig.

      Calva war ein untersetzter Mann mit breiten Schultern und beinharten Muskeln unter dem Hemd. Er war von Beruf Gangsterboss. Das war er nicht immer gewesen. Er hatte ganz klein als Taschendieb angefangen und hatte sich so nach und nach hochgearbeitet. Eine Menge Einbrüche gingen auf sein Konto. Er saß mehrmals wegen Hehlerei und Rauschgiftbesitz, lernte im Knast die richtigen Leute kennen, machte schwarze Geschäfte mit gefälschten Benzinmarken und etablierte sich allmählich mit einigen Leuten im Süden von Chicago als gefürchteter böser Mann.

      Heute war Pino Calva wohlhabend und hatte seine Finger überall da drin, wo genug Profit heraussah. Die Arbeit verrichteten einige tüchtige Männer für ihn. Er hatte eine Reihe einflussreicher Leute auf seinen Schmierlisten stehen. Pino Calva konnte mit Recht behaupten, dass es ihm gutging. Ab und zu legte er auch mal selbst Hand an, wenn es ihm gerade Spaß machte.

      Deshalb war er mit seinen beiden baumlangen Gorillas hierhergekommen.

      Calva war fünfundvierzig. Sein Gesicht war mehr breit als hoch. Er hatte wulstige Lippen, sein Blick war energisch, die Augenbrauen buschig. Er ließ sich mit Vorliebe vom ersten Schneider dieser Stadt einkleiden. Das hatte den Vorteil, dass er trotz seiner stämmigen Figur elegant aussah und schlank wirkte. Auch für seinen Ballermann hatte der Schneider genügend Platz im Anzug vorgesehen, um keine hässliche Beule entstehen zu lassen.

      Die beiden Gorillas überragten ihren Boss um zwei ganze Köpfe. Trotzdem behauptete er immer, sie wären nicht größer als er, sondern nur länger.

      Die beiden waren ihm hündisch ergeben. Wenn er von ihnen verlangt hätte, sie sollten sich für ihn vom höchsten Gebäude Chicagos stürzen, dann hätten sie es getan. Sie waren eben gut dressiert.

      Nun traten sie an die offen stehende Tür und schleuderten den schräg gestellten Besen beiseite. Klappernd landete das altersschwache Ding, an dem so gut wie kein Haar mehr dran war, auf dem Parkettboden. In der Bar jagte eine dicke Putzfrau in alten Kleidern mit einer elektrischen Bodenbürste hinter dem Dreck her.

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