Название: Mörder kennen keine Grenzen
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745205954
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„Was verlangen Sie?“, fragte ich scharf, schnauzte ihn beinahe an wie einen Bittsteller.
„5000 Mark sofort ... Sozusagen die Eintrittsgebühren in unsere Symbiose ... Und dann 1000 Mark monatlich, pünktlich auf ein Konto, das ich Ihnen noch nennen werde. Kleine Fische für Sie ...“
Ich schluckte und presste meine Hand auf die Gallengegend. Aber auch in der linken Seite verspürte ich heftige Stiche. Ich verfluchte ihn, alles in mir empörte sich. Ich musste mich gegen die Wand lehnen. Das Gefühl der Ohnmacht mischte sich mit einem ins Unendliche wachsenden Hass. Ich schwöre dir, dass ich dich zur Strecke bringe, dass ich dich fertig mache! Du wirst noch einmal alles bereuen, du wirst diesen Tag noch verfluchen!
Ich sah ihn vor dem Richter stehen, sah seinen Kopf in einer Schlinge stecken, sah ein Dutzend Messer in seinen Körper dringen, sah ihn in meinem Würgegriff röcheln. Und diese Bilder halfen mir, ließen mich die Fassung behalten, das Gesicht wahren. Kommt Zeit, kommt Rat. Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus. Noch ist Polen nicht verloren. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Ich konnte nur noch in stereotypen Formeln denken. Aber sie waren tröstlich. So hatte ich dann die Kraft, mich zu beugen.
„Einverstanden ... Und wie lange soll das so gehen?“ „Bis Ihr Ehrgeiz erkaltet ist und Sie zur Polizei gehen könnten ...“
„Das kann bis zum Jahre zweitausend dauern!“
„Na und ...?“
„Bis dahin, mein Lieber, wird aber einer von uns beiden auf der Strecke geblieben sein! Darauf können Sie Gift nehmen.“
4. Kapitel
ZWISCHENSPIEL MIT EINEM MORD
Es war ein trüber Tag, feiner Sprühregen ließ Steine, Blätter und Busse glänzen, und sogar in den sparsamsten Büros brannte mittags noch Licht. Die große Stadt roch irgendwie nach Katzendreck. Die Menschen waren mürrisch und niesten, träumten von warmen Betten und Sonnenstränden und dachten an die Friedhofsbesuche, die nun wieder fällig waren. Wie lange würde es noch dauern, bis man ihre eigenen Namen in die wartenden Steine meißelte?
Miezi, in den Akten zuständiger Behörden als die Prostituierte Marianne Ihlow geführt, überquerte die breite Hasenheide und passierte den Eingang zum Park. In einem leichten Bogen stieg sie zum dunklen Denkmal des Turnvaters Jahn hinauf. Ein paar Kinder, die Ranzen auf dem Rücken, versuchten die Inschriften auf dem Sockel zu entziffern. Zwei schwarz gekleidete Muttchen priesen die Tugenden ihrer längst verstorbenen Ehemänner. Ein rüstiger Rentner, der seine tägliche Runde durch den weiten Park drehte, blieb oben an der Brüstung stehen und sah träumend zu, wie Miezis Knie bei jedem Schritt den Saum des beigefarbenen Lammfellmantels teilten.
Das Mädchen bemerkte ihn nicht. An diesem Tag war alles anders als sonst. Ziegenhals war zwar schon ein paar Tage fort, aber erst jetzt kam ihr zu Bewusstsein, was das für sie bedeutete. Mit seinen Späßen hatte er das Leben erträglich gemacht; hatte nie auf sie herabgesehen – und wenn er mit ihr geschlafen hatte, dann nur, weil sie eine junge und nett aussehende Frau war ... gemeinsam hatten sie über die bürgerlichen und ehrbaren Frauen gelacht, die jeden Morgen in stickige Büros rannten oder ihre schniefnasigen Kinder für den Schulgang herrichteten. Das war nun alles vorbei.
Miezi stieg auf gewundenen Wegen zur Rixdorfer Höhe hinauf, um zu sehen, ob drüben in Tempelhof schon wieder Flugzeuge aufstiegen. Ihr Körper kam ihr plötzlich schwer und unförmig vor, in den braunen Stiefeln schien Blei zu stecken. Sie war 32 Jahre alt, die Hälfte ihres Lebens konnte schon vorüber sein. Was sollte sie mit den verbleibenden Jahren anfangen? Sie hatte die Männer, die zu ihr kamen, bis oben hin satt. Sie waren brutal und verachteten sie. Und nun war Ziegenhals fort und mit ihm der letzte Rest von Heiterkeit.
Sie erreichte die Anhöhe und wandte sich nach Süden, wo sich der Nebel lichtete und das weite Flugfeld freigab. Eine silberne Boeing 727 verschwand in der Waschküche über Neukölln. Ganz hinten kroch ein kurzer S-Bahn-Zug zum Bahnhof Hermannstraße. Ein aufgeplusterter Spatz hüpfte in ihre Nähe und blickte mit flinken Knopfaugen erwartungsvoll zu ihr herauf. Doch sie hatte keine Brotkrümel bei sich.
Was mochte aus Ziegenhals werden? Sie stellte sich vor, wie er in einigen Jahren in einer hübschen kleinen Wohnung saß, eine hübsche Frau im Arm hielt und auf einen blonden Sohn hinunterblickte, der auf dem bunt gemusterten Teppich mit einer elektrischen Eisenbahn spielte. Bilder und Szenen aus einer friedlichen und sorglosen Welt. Die elegische Stimmung hatte sie mitgerissen, ließ sie alles grau in grau sehen.
Und wenn sie nun wieder arbeiten ging, wieder Relais justierte und Kupferdrähte an Messinglaschen lötete, wenn sie sich woanders ein Zimmer nahm, wenn sie Ziegenhals bat, ihr zu helfen? Er war ja auch von seinem alten Leben losgekommen, wenn sie auch nicht wusste, wie.
Doch als sie dann zum Columbiadamm hinunterstieg, um vom U-Bahnhof Boddinstraße aus nach Hause zu fahren, bekam sie Angst vor ihrem eigenen Mut. Sie sah die Kolleginnen hinter ihrem Rücken tuscheln, sah sich als Freiwild für jeden lüsternen Mann, sah sich verspottet und gemieden. So eine, nee!
Sie bummelte durch die grauen Geschäftsstraßen, suchte sich in einem Kaufhaus ein hellgrünes und ein malvenfarbenes Unterkleid aus und berechnete schon wieder deren Wirkung auf ihre Verehrer. Mit einem Mal war die gedrückte Stimmung verflogen, als habe sie eine kleine Flasche Sekt getrunken. Sie beschloss, eine Curry-Wurst zu essen und sich dann um achtzen Uhr im Kino einen Western anzusehen. Nach der Vorstellung konnte sie dann Babsy abholen und sehen, wie die Konjunkturlage war.
In der Nähe des Kinos fand sie eine hölzerne Imbissstube mit ein paar fleckigen Barhockern. Sie rutschte auf den ersten besten hinauf, winkte dem knollennasigen Inhaber und bestellte eine Curry-Wurst.
„Scharf?“
„Nee, mittel. Und ’n kleines Helles!“
Hinten in der Ecke hantierte ein Jüngling in einer weinroten Lederjacke an einem Spielautomaten. Nach ein paar Sekunden fiel ihr ein, dass er schon mal bei ihr gewesen war. Doch jetzt mied er ihren Blick, offenbar gehörte das rundliche Mädchen vor der Musikbox zu ihm, und er schämte sich.
Miezi lief das Wasser im Mund zusammen, sie hatte mächtigen Hunger. Fast riss sie dem Mann mit der Knollennase den Pappteller aus der Hand. Schon hatte sie den ersten Bissen aufgespießt.
„Na, Miezi, schmeckt’s?“
Sie fuhr herum, fast glitt sie vom Barhocker. „Ach – du bistet! Opa Melzer hat ma schon erzählt, dass de wieda im Lande bist.“
„Da staunste, wa?“ Der Mann, bei dessen Anblick sie zusammengezuckt war, schlug ihr lachend aufs Hinterteil. „Mensch, mach den Mund zu, sonst kommt ’ne Flieje rinn! Meister, ’nen doppelten Korn, aber ’nen kalten, wenn’s jeht!“
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